Der Ökumenische Unterstützerkreis Tutzing stand am Dienstag im Mittelpunkt der Gemeinderatssitzung. Aktueller Anlass ist die bevorstehende Eröffnung des „Benedictus-Hofs“, in dem bis zu 144 geflüchtete Menschen unterkommen sollen. Claudia Steinke, die Vorsitzende des Unterstützerkreises, gab einen Überblick über die Aktivitäten, mit denen im Jahr 2012 begonnen wurde.
Sie wies ausdrücklich darauf hin, dass es sich nicht um einen eingetragenen Verein handele. Es sei ein Zusammenschluss von Leuten, die sich gern engagierten. Sie erinnerte an die ersten Geflüchteten, die 2012 nach Kampberg kamen, und an das 2015 auf dem alten Volksfestplatz errichtete Zeltlager. Weit mehr als 300 Menschen haben den Unterstützerkreis damals nach ihren Angaben unterstützt, etwa 100 haben aktiv mitgeholfen. Seit dem Wegzug der im Zeltlager untergebrachten Personen 2016 habe es in Tutzing keine Sammelunterkunft mehr gegeben, aber immer noch dezentrale Unterkünfte, in denen die Menschen immer noch von Mitarbeitern des Unterstützerkreises betreut worden seien.
2018 habe man etwas geändert und einen Arbeitskreis „Politik“ gegründet. Als Grund nannte sie die weit über Tutzing hinaus reichende Tätigkeit eines im ganzen Landkreis Starnberg aktiven Teams, das sich um Arbeit für geflüchtete Menschen Arbeit bemüht habe. Monatlich konnte dieses Team bis zu 60 Stellen vermitteln, wie Claudia Steinke berichtete. Sie sprach von einer „Parallelstruktur“ neben der Agentur für Arbeit. Die unterschiedlichen Ansichten hierzu beschrieb sie so: Die einen sagten „Die tun ja nichts“, die anderen hielten entgegen, sie würden ja gern arbeiten, bekämen aber keine Möglichkeit dazu. Diese Problematik war die Geburtsstunde einer Unterschriftenaktion, erzählte die Vorsitzende: „Ich stand zum ersten Mal auf dem Platz und habe um U Unterschriften gebeten.“ Die Aktion sei erfolgreich gewesen, es habe gute Gespräche gegeben. Man sei zum damaligen Starnberger Landrat Karl Roth gegangen. Auch der heutige Landrat Stefan Frey sei schon aktiv gewesen, er habe es als vernünftig bezeichnet, die Leute arbeiten zu lassen.
In Tutzing weniger bekannt als in anderen Orten
Seitdem habe es hierzu diverse Veranstaltungen gegeben, unter anderem in Zusammenarbeit des Unterstützerkreises mit der Evangelischen Akademie Tutzing, zum Beispiel mit einem Tag „Arbeit fürGeflüchtete“. Damit habe eine gute Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie angefangen, berichtete Claudia Steinke. Sie äußerte sich sehr stolz darüber, dass die Akademie den Unterstützerkreis als Kooperationspartner bezeichne. Das verhelfe zu einer ganz anderen Reichweite und zu namhaften Personen, mit denen man auf dem Podium diskutieren könne, so etwa Gesine Schwan.
„Wir wollen uns für die Integration einsetzen“, sagte die Vorsitzende, „sehen es aber auch als Bestandteil der Tutzinger Zivilgesellschaft.“ Dies habe dazu geführt, dass der Ökumenische Unterstützerkreis nicht nur in Tutzing bekannt sei. Manchmal habe sie das Gefühl, dass er in Tutzing sogar weniger bekannt sei als in anderen Orten, sagte Claudia Steinke, „bis Starnberg und München.“ Im Arbeitskreis Politik seien die Mitwirkenden etwa zur Hälfte aus Tutzing, andere seien beispielsweise aus Starnberg, Bernried und Gräfelfing, der Schiffsführer Claus Reisch komme von Zeit zu Zeit aus Landsberg dazu. Das sei eine „extreme Bereicherung“: „Da bringen wir eine ganz andere Power auf die Straße.“
2020 hat sich Tutzing dem Städtebündnis „Städte sichere Häfen“ angeschlossen, etwa zur gleichen Zeit wurde die Initiative „Tutzing hilft im Mittelmeer“ gegründet. Im ersten Jahr seien mit ihr mehr als 76 000 Euro eingenommen worden. „100 Prozent werden weitergereicht“, betonte die Vorsitzende, „es gibt hier keinen Overhead.“ Die Initiatoren haben nach ihren Worten bewusst kleine Organisationen ausgesucht, die unterstützt werden und deren Verantwortliche sie persönlich kennen. Im zweiten Jahr betrugen die Einnahmen 52 000 Euro, im dritten Jahr 30 000 Euro. „Das Thema lockt keinen mehr hinterm Ofen hervor“, bekannte Claudia Steinke, „keiner will mehr etwas von Lesbos wissen.“
"Kultur im Mittelmeer" erschließt neue Zielgruppe
Mit einer eigenen Reihe „Kultur hilft im Mittelmeer“ habe man daraufhin eine neue Zielgruppe erschlossen, die den Ökumenischen Unterstützerkreis noch nicht gekannt habe, Lust auf Neues habe und bereit sei, dafür Geld zu zahlen. Alle Künstler sind nach dem Bericht ohne Gage aufgetreten, und die Veranstaltungen haben in Räumen stattgefunden, für die keine Miete gezahlt werden musste. „Toll“, kommentierte Claudia Steinke, „damit zeigen auch andere Gemeinden ihre Solidarität und leisten ihre Beiträge.“ Knapp 20 000 Euro betrugen die Einnahmen bisher, davon weit mehr als die Hälfte aus Kulturveranstaltungen.
Der 24. Februar 2022 brachte mit dem Beginn des Kriegs von Russland gegen die Ukraine eine „umfassende Dynamik“, sagte sie. Auf allen Leitungen habe sie Mitteilungen erhalten, das Telefon habe nicht mehr stillgestanden. Auf einmal seien 200 Menschen aus der Ukraine in Tutzing gewesen: „Wir wussten gar nicht, woher sie kommen – und woher die Wohnungen kommen.“
Aktive des Unterstützerkreises haben damals eine Kinderbetreuung „aus dem Boden gestampft“, berichtete sie. Dort seien Kinder betreut worden, bis sie in den Kindergarten oder in die Schule kamen.
Auch im Sprachcafé – montags im evangelischen Gemeindehaus – ist nach ihren Worten zurzeit immer viel Betrieb. Zehn Personen aus dem Unterstützerkreis arbeiten dort mit. Der Jurist Peter Frey hält Sprechstunden für solche Leute ab, die rechtlich etwas nicht verstehen, gibt Tipps für Verträge und hilft, wo er kann. Auch Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe für Kinder gibt es. Wenn der Benedictus-Hof bezogen ist, soll die Arbeit auch dort fortgeführt werden.
Horn: Integrationsarbeit die wichtigste Stütze
„Warum machen wir das alles?“ Zu dieser selbst gestellten Frage sagte Claudia Steinke: „Das ist schon mehr als eine kleine Freizeitbeschäftigung, das ist viel Arbeit und nimmt viel Zeit in Anspruch – wir machen es für Tutzing, es ist extrem wichtig, dass es bei uns gut läuft.“ 144 Menschen in der neuen Unterkunft – das sei nicht unbedingt ein Selbstläufer: „Wir sollten alle sehr daran interessiert sein, dass wir die Leute gut integriert bekommen.“ Eindringlich bat sie alle im Tutzing, gut darüber zu reden. Es sei eine Sache der Zivilgesellschaft in Tutzing: „Was wir politisch darüber denken, ist etwas ganz Anderes – aber bitte begleiten Sie es positiv.“
Bürgermeister Ludwig Horn bezeichnete die Arbeit des Unterstützerkreises als „höchst lohnend für eine Kommune wie Tutzing“. Die Integrationsarbeit sei nach wie vor die wichtigste Stütze. Dr. Ernst Lindl (CSU) begrüßte es, dass die Kooperation des Unterstützerkreises und der Gemeinde gut begonnen habe. Das sei eine sehr gute Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel in Tutzing.
Caroline Krug (ÖDP) bezeichnete es als wichtig, „die neuen Mitbürger wirklich gut aufzunehmen“: „Es geht nur gemeinsam“, sagte sie. Für die ganze Gemeinde werde dies einen großen Mehrwert darstellen.
Zur Arbeit gibt es Überlegungen unter anderem zu Tätigkeiten für die Gemeinschaft, wie Claudia Steinke andeutete. Einzelheiten dazu soll es möglicherweise beim nächsten „Rathaus-Forum“ am 10. Oktober im Roncallihaus geben.
Nach dem ersten „Rathaus-Forum“ zum Benedictus-Hof haben sich nach Angaben von Claudia Steinke bisher 16 Interessenten zur Unterstützung in eine Liste eingetragen. Am 15. Oktober um 18 Uhr soll im Roncallihaus ein erstes Treffen für die „Neuen“ stattfinden. Auch Angehörige des Leitungsteams vom Unterstützerkreis werden anwesend sein.
Vom 22. Oktober an bietet das Landratsamt in Tutzing eine Schulung zu diesem Thema an. Sie soll an fünf Abenden stattfinden.
Der Ökumenische Unterstützerkreis Tutzing
Claudia Steinke
Mobil: +49.172.3738006
E-Mail: kontakt@öut.org kontakt@oeut.org
Webseite: https://tutzing-hilft.de/
Facebook: https://www.facebook.com/Oekumenischer.Unterstuetzerkreis.Tutzing
Instagram:
https://www.instagram.com/helferkreis_tutzing/
Kommentar hinzufügen
Kommentare