Von Lorenz Goslich

Weite künstlerische Spielräume aus Tutzing

Die Gruppe KulturArt präsentierte im Landratsamt die sehenswerte Ausstellung „Kontraste“

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Kontrast im Landratsamr: Bilder neben langen Gängen und Büros. Für Kunstausstellungen ist der Erweiterungsbau des Landratsamts Starnberg wunderbar geeignet, meint Landrat Stefan Frey. Im Vordergrund ein Flamingo von Charlotte Lorenz.

Das eigenwillig gestaltete Starnberger Landratsamt kann sich durchaus sehen lassen. Unter anderem wegen seines "einprägsam-leichten Fassadenbildes" und wegen seiner "intelligenten Grundriss-Disposition" wurde das Bauwerk mit dem Deutschen Architekturpreis gewürdigt. Das behördenmäßige Ambiente schimmert dennoch überall hindurch. So bot eine Ausstellung in diesen Räumen kürzlich einen echten Kontrast: Bilder unterschiedlichster Art und andere Kunstobjekte wurden neben den Büros und den langen Gängen präsentiert. Zwei Wochen lang war die Tutzinger Künstlergruppe "KulturArt" mit ihren Werken im relativ neuen Erweiterungsbau der Kreisbehörde vertreten.

Eine Verschönerung? Eine Belebung in sonst eher nüchterner Arbeitsumgebung? Neue kontrastreiche Impulse für die Arbeit im Landkreis Starnberg? Darüber werden sich die vielen Interessierten, die diese Ausstellung angeschaut haben, und die Beschäftigten des Landratsamts wohl ihre eigenen Gedanken gemacht haben. Dem Landrat Stefan Frey scheint diese Kombination jedenfalls gefallen zu haben. „Das Landratsamt ist wunderbar für Ausstellungen geeignet“, schwärmte er bei der Vernissage von einer Treppe herab. Etwas höher sorgte Gert Wilden mit Freunden für gekonnte jazzige Begleitung - ein weiterer schöner Kontrast zur Bürokratie, die solche Gebäude notgedrungen beherrscht.

Auch Tutzings Bürgermeister Ludwig Horn, den Frey schmunzelnd als „zweiten Hausherrn“ des Landratsamts bezeichnete, zeigte sich beeindruckt von den verschiedenen Disziplinen, Materialien und Kunstrichtungen, die in dieser Ausstellung zusammengefunden haben. „Die Kultur in Tutzing wird stark von dieser Initiative geprägt“, sagte er über die recht groß gewordene Künstlergruppe. Damit wurde im Landratsamt nach seinen Worten auch ein Stück weit Tutzing repräsentiert.

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"Ohne Kontraste" von Klaus Ehrlenspiel
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"Von keine bis extreme Kontraste"

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"Now and Ever" von Robert Sainer (links), "Modern Art" von Monica Lucia Zistl (rechts)

Die Auslegung des Generalthemas ermöglichte weite Spielräume – „von keine bis extreme Kontraste“, wie es in einer Beschreibung formuliert wurde. Exemplarisch belegte das Klaus Ehrlenspiel mit einem bestechenden Einfall: Vor eine in ocker gehaltene Fläche mit leichter wolkiger Braunfärbung hat er einen Vorhang gehängt - „als Symbol für wenig Störungen“, wie auf einem Zettel angemerkt wurde. Das sei ein Bild der Ruhe, stand auf einer weiteren Beschreibung, „des zu sich Kommens, zum Loslassen“. Und hintersinnig in Klammern: „Ohne Kontraste“.

Manche der Beteiligten stellten demgegenüber Schwarz und Weiß in den Vordergrund – für manche die Kontraste schlechthin. Das Schwarz-weiß einer Klaviertastatur hat Robert Sainer auf seinem Bild "Now and Ever" sogar zu einem dreidimensional wirkenden Objekt verändert - mit hilfreichen Geistern recht unterschiedlicher Art: der Computertechnik, der Zahl Pi und künstlerischer Interpretation. Die Tasten erschienen so, in dieser Form wohl nicht mehr unbedingt von Pianisten spielbar, „in strahlenförmiger Anordnung“ - nach dem Urteil des Künstlers „ein visuelles Symbol für eine Wellenbewegung, die sich in einem Punkt zentriert“.

Die Kraft der Kontraste von schwarz und weiß versuchte auch Monica Lucia Zistl mit ihrem Bild „Modern Art“ auf eigenwillige Weise neu zu interpretieren: „Ein Zusammenspiel von Kontrasten, das nie an Faszination verliert.“

Wie Gegenpole zum Schwarz-Weiß und zur betonten Einfarbigkeit wirkten die sehr farbigen Werke etlicher Beteiligter. Beim „Sonnenuntergang auf Teneriffa“ von Bernhard Klauser tauchte die noch helle, weiße Sonne mit orange leuchtendem Wolkenhintergrund ins blaue Meer ein – ein lebendiges Farbenspiel. Mary Mac Höck, eine der Künstlerinnen, formulierte ihre Überzeugung so: „Wenn Farben Töne wären, würden ihre Bilder laut singen.“

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Bilder der Ausstellung von Klaus Ehrlenspiel, Irena Schikora-Kiefer, und Claudia Stolt (von links)

Wie unterschiedlich Kontraste interpretiert werden können, gerade das zu zeigen, war wohl geplant, und die Vergleiche waren reizvoll. Kontraste sorgen für visuelle Erlebnisse, die Gegensätze in der Kunst erlebbar machen, sagte Ilse Reiher, die Koordinatorin von KulturArt und Kuratorin der Ausstellung, bei der Vernissage. Die Grundidee beschrieb sie so: „Kontraste in der Kunst beziehen sich auf den Unterschied zwischen verschiedenen Elementen in einem Kunstwerk wie Farben, Formen, Linien und Texturen.“ Ein Farbkontrast entstehe, wenn zwei oder mehrere Farben nebeneinander gesetzt würden und ein deutlicher Unterschied in ihrer Wirkung wahrgenommen werde. Besonders verwies sie auf den Schweizer Maler und Kunstpädagogen Johannes Itten, der sich viel mit Farben und Wirkungen beschäftigt und das Prinzip der sieben Farbkontraste entwickelt habe.

Inspirationen von der Natur

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"Lichterspiele am See" von Charlotte Lorenz (links), "Morgenstimmungen am See" von Ilse Reiher (rechts)

Immer wieder verdeutlichten die Mitwirkenden dieser Ausstellung die Kraft der Natur, von der sie sich inspirieren lassen. Gastaussteller war Alexander Kowarezyk, der lange als Art Director gearbeitet hat, Gastdozent für Mediadesign an der Hochschule München ist und zwei Porträts mitgebracht hat. Aus der Fülle der Natur könne er unermüdlich schöpfen, so beschrieb er seine Arbeit. Wie das ganz normale Leben quasi die Pinsel führt, fasste die Künstlerin Charlotte Lorenz so in Worte: „Die Natur, ob Tiere oder Vegetation mit ihren Farben und Formen sind für mich immer wieder die Inspiration und Motivation, sie aus meiner Sichtweise dazustellen.“ In kräftigen „Lichterspielen am See“ spiegelte sich dies beispielhaft wider.

Auch für Sibylle Thelbe beziehen ihre Arbeiten, darunter beispielsweise eine „Abstraktion mit Violett“, die Spannung wesentlich aus Kontrasten – „inspiriert von der Natur, die in die Abstraktion führen“. Mitunter starke Farbkontraste, die Gegensätze von Hell und Dunkel, aber auch die Qualität des Materials lassen nach ihrer Auffassung poetische Bildwelten entstehen: „Ein Spiel von Licht und Farbe, von Ferne und Nähe öffnet Assoziationsräume.“

Wie der „kreative Funke“ nicht ins Wasser fällt, sondern überspringt und zündet, glaubt Ilse Reiher unter Berufung auf den Schweizer Künstler Alexander Jeanmaire erkannt zu haben. In ihren Fotografien „Morgenstimmungen am See“ und „Farbexplosionen am Meer“ sieht sie Belege für ihren Eindruck: „Wenn wir kreativ leben, gibt es keine Langeweile und jeder Moment trägt das Versprechen auf neue Entdeckungen.“ Ulrike Weihe beruft sich auf Leonardo da Vinci: „Gegensätze erzeugen Spannung, durch das ‚Maß‘ der Harmonie entsteht wieder Balance.“

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Bilder der Ausstellung: (von links) von Irena Schikora-Kiefer und Mary Mac Höck,

„Kontraste bestimmen unser Leben"

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"Kaleidoskop der Farben" von Mary Mac Höck © Fotos: L.G.

Gudrun Schmitz-Agheguian stellte in einer Bilderfolge „Bergwelten“ in hell und dunkel dar, um einen Gegenpol zur schönen Natur- und Landschaftsmalerei zu bringen: einen bewussten Kontrast von Schönheit zur Zerstörung der Natur als Lebensraum von Tier-, Pflanzen- und Pilzarten durch Waldbrand, Rodung, Herbidzide, Klimawandel und mehr. Eine alte Frau in Hockerstellung auf den Reisfeldern bei Banaue auf den Philippinen hat Uschi Merk porträtiert. „Licht im Licht zentriert im Jetzt“: So beschrieb Irena Schikora-Kiefer ihre Darstellung von der Sphäre der Planeten Pluto, Neptun und Uranus. Anja Kirchner hält Licht und Dunkel, Ruhe und Bewegung, Nähe und Distanz für Mittel, durch markige Farbenspiele Gegensätze zum Ausdruck zu bringen.

„Harmonie entsteht dort, wo Differenz sichtbar wird“, meinte Claudia Stolt, die ein Blatt leicht, hell und standhaft im Schweben darstellte. Für sie ist das „ein leises Spiel der Kontraste“. Richard Westermeier hat nach eigenen Angaben versucht, hauptsächlich die Spannbreite der Kontraste der Grundfarben einzufangen. Er breitete sie unter anderem in einem Farbteppich aus und war sich sicher: „Kontraste bestimmen unser Leben.“ Christiane Rausch verwies auf „die vier Elemente – Erde, Feuer, Luft und Wasser“, und sie erklärte: „Ohne diese Kontraste kann man nicht leben!"

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Werke von Willi Renner, Ursula Merk, Anja Kirchner und Bernhard Klauser (von links)

Ohne Kontraste? Extreme Kontraste? Die Darstellungen in dieser Ausstellung waren so unterschiedlich wie die Auffassungen, aber umso mehr sehenswert. Der Möbeldesigner und studierte Kunsthistoriker Willi Renner aus Traubing, von dem ungewöhnliche Fotos, aber auch sehenswerte Stelen und Skupturen stammen, brachte es mit dem Motto seiner Bilder auf den Punkt: „Die Gedanken sind frei.“

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Bilder der Ausstellung von Klaus Ehrlenspiel (links und rechts), Irena Schikora-Kiefer (2.v.li.) und Mary Mac Höck (3.v.li.)
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Bilder der Ausstellung von Sibylle Thebe, Klaus Ehrlenspiel und Gudrun Schmitz-Agheguian (von links)
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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Kommentare

Vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel.
Grüße Ilse Reiher