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Der Akademiechef als Komparse

Wie Udo Hahn zu einer kleinen Rolle in Oliver Stones Film „Snowden“ kam - Am Sonntag im Fernsehen

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Akademiedirektor Udo Hahn (r.) mit Hollywood-Regisseur Oliver Stone im Musiksaal von Schloss Tutzing. © Evangelische Akademie Tutzing

„Aufregend“ war es, erinnert sich Udo Hahn. Der Direktor der Evangelischen Akademie in Tutzing war 2015 mitten drin im Geschehen, als Hollywood-Starregisseur Oliver Stone seinen Spionage-Thriller über den wohl berühmtesten Whistleblower Edward Snowden gedreht hat. Denn die Evangelische Akademie war einer der Drehorte - und Hahn selbst übernahm eine Komparsenrolle. Am Sonntag, dem 18. August um 20.15 Uhr ist der Film „Snowden“ als Free-TV-Premiere im Fernsehsender RTL zu sehen.

An mehreren Orten in Bayern hat Oscar-Preisträger Oliver Stone damals für die brisante Geschichte über den US-amerikanischen Computer-Experten Edward Snowden gefilmt. Der hatte im Sommer 2013 streng geheime Daten an Journalisten weitergegeben, um zu zeigen, dass Geheimdienste Millionen von Menschen ausspionieren. Drehorte waren zum Beispiel in der Oberpfalz, im Münchner Lehel, in den Studios der Bavaria Film in Geiselgasteig und eine Woche lang auch an der Evangelischen Akademie. So kam es, dass deren Schloss und Park erstmals als Kulisse einer internationalen Kinoproduktion diente.

Die Evangelische Akademie hat in diesem Fall erstmals in ihrer Geschichte als Kulisse für einen internationalen Kinofilm gedient. Zuvor waren dort schon Szenen für nationale Fernsehproduktionen entstanden, so für Serien wie „Der Bulle von Tölz“ oder „Forsthaus Falkenau“.

Oliver Stone machte lange ein Geheimnis um sein Vorhaben

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Dieses Ambiente fasziniert offensichtlich auch Hollywood-Regisseure: Blick vom Park der Evangelischen Akademie zum Tutzinger Dampfersteg © L.G.

Wie es zum Film „Snowden“ kam, das beschreibt Udo Hahn recht detailliert in einem Beitrag für die Webseite der Akademie. https://www.ev-akademie-tutzing.de/snowden-und-die-evangelische-akademie-tutzing/. Alles begann 2014 mit dem Anruf eines so genannten „Locationscouts“, der für Film- und Fernsehproduktionen nach geeigneten Orten Ausschau hält. Er wollte sich die Akademie mit ihren Gebäuden mal daraufhin ansehen, ob sie sich als Schauplatz für einen Kinofilm eigneten. Der erste Eindruck war offensichtlich positiv, so dass weitere Besuche folgten.

Um was für eine Produktion es sich handelte und um welchen Regisseur, das war lange geheim. Dann irgendwann kündigte Hollywood-Regisseur Oliver Stone seinen Besuch an. Beim ersten Mal kam er mit wenigen Begleitern, später dann mit einer Entourage, die alle für einen Kinofilm erforderlichen Gewerke umfasste. Offensichtlich konnte sich Stone vorstellen, dass das Tutzinger Schloss und sein Park für seine Produktion geeignet waren.

Gedreht werden sollte in dieser Umgebung ein Sommerempfang des US-amerikanischen Botschafters, wie er tatsächlich in dessen Residenz in Genf stattgefunden hat. Ausführlich beriet sich Stone bei seinen Besuchen mit Kameramann Mantle. „Es war ein eindrucksvolles Bild, als beide gestikulierend die Räume im Schloss und den Park abschritten und dabei die örtlichen Gegebenheiten mit dem Drehbuch verknüpften“, erinnert sich Hahn.

Über die Inhalte wurde dennoch weiter geschwiegen. Oliver Stone machte lange ein Geheimnis um sein Vorhaben, dem er den Codenamen „Sasha“ gegeben hatte. Wie Produzent Moritz Bormann später erläuterte, bestand bis zuletzt die Sorge, der Dreh könne vom amerikanischen Auslandsgeheimdienst NSA überwacht und ausspioniert werden. Stone hatte sich entschlossen, den Film vor allem in Deutschland zu drehen - zum einen aus Sicherheitsgründen, zum anderen war in den USA eine Zurückhaltung potenzieller Geldgeber spürbar. "Da war eine zugesagte Förderung durch den FilmFernsehFonds Bayern (FFF) mit mehr als 1,6 Millionen schon ein starkes Argument, die meisten der fast sechzig Drehtage in die Bavaria-Studios zu legen", erinnert sich Hahn.

Mit der Geheimhaltung war es freilich so eine Sache. Für die Außendrehorte wurde sie wohl eingehalten, aber dass Oliver Stone in München und Umgebung unterwegs war, blieb natürlich kein Geheimnis. Hahn weiß noch, dass die Spur schnell nach Tutzing führte, als sich der berühmte Regisseur nach einem Besuch der Evangelischen Akademie von Midgardhaus-Chef und Fernsehkoch Fritz Häring öffentlichkeitswirksam kulinarisch verwöhnen ließ.

Für derartige Produktionen werde ein ungleich höherer Aufwand betrieben als fürs Fernsehen, so Hahn: "Das merkte man auch beim Dreh selbst." Gefilmt wurde in der Akademie vor Ostern 2015. Zu dieser Frühjahrszeit einen Sommerempfang im festlichen Musiksaal des Schlosses und im Park zu drehen, war gar nicht so einfach. Auch die Logistik musste bereit gehalten werden. Der Akademiechef berichtet über ein am Tutzinger Südbad aufgebautes Basislager, denn zum Produktionsteam mit gut hundert Personen kamen noch hundert Schauspieler und Komparsen hinzu.

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„Es war es zwingend, Laufwege, Körperbewegungen und Gesten einzustudieren"

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Inspirierende Umgebung für Filmemacher: "Die Anmutung des Ortes ließ Oliver Stone immer wieder neue Ideen entwickeln" © L.G.

Udo Hahn selbst spielte in dem Film als Komparse einen deutschen General, der am Empfang des US-amerikanischen Botschafters teilnahm. Was es bedeutet, Schauspieler zu sein, ist ihm noch gut in Erinnerung: „Es war es zwingend, Laufwege, Körperbewegungen, Gesten und so weiter einzustudieren.“ So könne sich die Probe einer 15-Sekunden-Sequenz lange hinziehen.

„Natürlich war es ein Erlebnis, Hollywood-Schauspieler Joseph Leonard Gordon-Levitt, der Edward Snowden spielt, aus der Nähe zu erleben“, erzählt Hahn. Mehr noch habe ihn Oliver Stone fasziniert, ebenso Kameramann Anthony Dod Mantle. Der, so Hahn,sei immer zu einem Scherz aufgelegt gewesen, und er habe sich Zeit für Gespräche genommen. „Beide zeigten sich bei uns als akribische Arbeiter, die einen Ameisenhaufen souverän zu dirigieren verstanden“, erinnert sich der Akademiechef. Unterstützt wurden sie dabei von einer Vielzahl von Assistenten. An den beiden Tagen in der Evangelischen Akademie musste das Drehbuch mehrfach umgeschrieben werden, wie Hahn beobachtet hat. Das Wetter habe dazu gezwungen: „Aber auch die Anmutung des Ortes ließ Oliver Stone immer wieder neue Ideen entwickeln.“

"Gewissen Amerikas": Warum Stone den "Tutzinger Löwen" erhalten hat

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Drehort Schloss Tutzing: "Es passte optisch - aber es ist auch aus inhaltlichen Gründen stimmig"

Jenseits von Action und Schauspielkunst liegt die Bedeutung dieses Spielfilms für Hahn darin, dass er auf die außerordentliche Bedeutung des Datenschutzes in der vernetzten Welt des Internets aufmerksam macht. Besser als manche Dokumentation verdeutliche Oliver Stones Film einen wesentlichen Aspekt: „Warum Menschen ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung haben und der Staat hier seine Bürger schützen muss und nicht willkürlich ausspionieren darf.“ Oliver Stone habe in seinem Leben viele Filme gedreht. Hahn erwähnt beispielhaft „Platoon“, „Wall Street“ und „JFK“. Mit „Snowden“ habe der Regisseur ein Thema aufgegriffen, das viele Menschen bewege. Die Fragen, um die es geht, seien gewichtig. Und „Geheimnisverrat“ sei in manchen Debatten nur ein Aspekt - "wohl nicht einmal der wichtigste." Die Angst vor dem Terror habe Regierungen weltweit dazu geführt, dass Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden und werden, die mit anderen Rechtsgütern konkurrierten, diese schwächten oder gar ignorierten. „Ob das sinnvoll und richtig ist - darüber braucht es den öffentlichen Diskurs“, mahnt Hahn. Die Evangelische Akademie Tutzing sei ein Ort, an dem die Lebens- und Zukunftsfragen der Gesellschaft diskutiert würden: „Deshalb freut es mich ganz besonders, dass Oliver Stone unser Haus zum Drehort gemacht hat: Es passte optisch. Aber es ist auch aus inhaltlichen Gründen stimmig.“

Im Jahr nach den Dreharbeiten hat die Evangelische Akademie Oliver Stone mit dem „Tutzinger Löwen“ ausgezeichnet. Textauszug aus der Urkunde: „Mit einer Reihe von Produktionen wurde Oliver Stone zum ,Gewissen Amerikas‘, indem er gesellschaftliche Fehlentwicklungen wie Gier, Nationalismus und Totalitarismus kritisiert, die weltweit das Zusammenleben der Menschen gefährden. Seine Filme wollen die Menschen wachrütteln und Mut machen, sich zu engagieren.“

Quelle Titelbild: Evangelische Akademie Tutzing
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