
Hinter Kunst steckt oft viel Arbeit. Oft ist es unbezahlte Arbeit - davon kann mancher Künstler ein Liedchen singen. Wieviel "ehrensamtliche" Arbeit aber darüber hinaus mit Kunst verbunden sein kann, das kann man in dem 2010 eröffneten Tutzinger Ortsmuseum am Thomaplatz studieren.
Die sage und schreibe 22. Ausstellung in diesem Haus innerhalb von nur acht Jahren ist am vergangenen Wochenende eröffnet worden. Gezeigt werden Bilder von „Kathedralen“, die Hans Olde der Jüngere (1895-1987) gemalt hat. Es handelt sich - Zufall oder nicht? - um 22 Kathedralen.
Bei der Vernissage zu dieser Ausstellung, die bis zum 24. Februar 2019 zu sehen sein wird, hat Tutzings Bürgermeisterin Marlene Greinwald die Gelegenheit genutzt, ausdrücklich auf das starke Engagegement etlicher Bürger für das Museum hinzuweisen. Es ist ein kleines Team von Mitarbeitern, die zu den Öfnungszeiten abwechselnd an Ort und Stelle sind, ohne dafür Geld zu erhalten, und die damit den Museumsbetrieb erst ermöglichen. Ebenso ehrenamtlich läuft Vieles bei den Vorbereitungen, bei der Organisation, beim Auf- und Abbau ab. So fertigt der Tutzinger Grafikdesigner Helmut E. Grund beispielsweise viele Gestaltungselemente für die Ausstellungen an. „Ohne die ehrenamtliche Arbeit ginge es nicht“, sagte die Bürgermeisterin, „wir sind ja eine arme Gemeinde.“
Gerade die Mitglieder der Tutzinger Gilde und der Seninoren-Union fühlten sich für das Museum verantwortlich, ergänzte der Museumsbeauftragte und frühere dritte Bürgermeister Gernot Abendt, der diese Tätigkeit selbst genauso ehrenamtlich ausübt. Marlene Greinwald gab sich aber auch überzeugt, dass die ehrenamtliche Arbeit „ein besonderes Flair in das Museum“ bringe. Und auch im Rathaus sind Mitarbeiter mit Herzblut dabei. Abendt nannte die zuständige Rathaus-Mitarbeiterin „die gute Seele des Ortsmuseums“. An der Vernissage nahm auch CSU-Gemeinderat Dr. Thomas von Mitschke-Collande teil.

„Mich überrascht immer wieder, welche kulturellen Schätze unsere Bürger besitzen“, sagte Abendt, „und auch, wie groß ihre Bereitschaft ist, sie auszustellen.“ Als Paradebeispiel dafür bezeichnete er den Tutzinger Joseph Hierling. Der gelernte Fernsehkameramann, der die Film- und Fernsehproduktion beim Bayerischen Fernsehen geleitet hat, ist ein Kunstkenner. Er hat eine weltweit bedeutende Sammlung von „Expressiven Realisten“ mit Werken von mehr als 170 Malern und Bildhauern aufgebaut, von der wichtige Teile seit Jahren in der Schweinfurter Kunsthalle zu sehen sind.
Diese Sammlung wirft ein Schlaglicht auf eine besondere Phase der Kunst in Deutschland. Der Kunsthistoriker Rainer Zimmermann hat sie in einem Buch „Die Kunst der verschollenen Generation“ genannt, eine Formulierung, die inzwischen allgemein so gebraucht wird. Es handelt sich nämlich um Künstler, die von den Nazis verfemt waren und nach dem Zweiten Weltkrieg ins Abseits gerieten, wie die Kunsthistorikerin Ingrid von der Dollen zu der Tutzinger Ausstellung schreibt. Inzwischen habe die Kunstwelt sie wiederentdeckt. Hierling, der Zimmermann gut kannte, hat dazu wesentlich beigetragen. Bei der Vernissage sprach er von der „Aufgabe, die übergangenen Maler des 20. Jahrhunderts aus dem Verborgenen zu holen“. Die damaligen Vorgänge schilderte er spannend wie in einem Krimi. „Der Einfluss der USA, der Siegermacht, auf das kulturelle Leben in West-Deutschland war erheblich“, sagte er. Der amerikanische Geheimdienst CIA habe massiv in die Kulturpolitik eingegriffen: „Das war eine Geheimaktion.“



Hans Olde der Jüngere war einer der Künstler der "verschollenen Generation". Er hat lange in Gauting gelebt. Seine einzige Tochter Johanna Olde wohnt bis heute im Haus ihrer Eltern. Sie kam eigens zur Vernissage nach Tutzing, ebenso wie Hans Oldes Urenkel Bernhard von Oppersdorff. Auf Reisen hat Hans Olde eine ganz besondere Vorliebe für Kathedralen gezeigt, die er in Ausschnitten mit „locker skizzenhafter Handschrift“ gemalt hat, wie Ingrid van der Dollen schreibt.
Die Aquarelle, die im Tutzinger Ortsmuseum zu sehen sind, zeigen Kathedralen zum Beispiel aus Murcia in Südostspanien, Saint Gilles in Südfrankreich oder aus Gent in Belgien. Ebenso dabei sind der Kaiserdom zu Mainz, die Liebfrauenkathedrale in Antwerpen, das Straßburger Münster, das Ulmer Münster, der Kaiserdom in Speyer, die Münchner Frauenkirche und etliche andere Kirchenbauten.
Bei der aktuellen Ausstellung handelt es sich bereits um die dritte von Hierling im Ortsmuseum nach Werken von Walter Becker (2011) und Paul Kleinschmidt (2012). Oldes Kathedralen-Bilder waren unverkäuflich, sagte er: „Das zeigt, wie wichtig sie Olde waren.“ Aber dabei hat der Maler auch immer wieder mal Ausnahmen gemacht, ergänzte seine Tochter. Ihre Mutter Anita Olde hat ihren Vater gemanagt, erzählte sie am Rande. Zu den einzelnen Werken äußerte sich Hierling nicht detailliert. „Bilder müssen aus sich selbst heraus sprechen, nicht durch Interpretation“, sagte er, und weiter: „Jedes Kunstwerk trägt seinen unschätzbaren Wert in sich – das kann man nicht erklären.“
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