Lärm durch Lautsprecher der Bahn nervt Tutzinger Bürger am Schönmoosweg. Einer verleiht seinem Frust nun auf künstlerische Weise Ausdruck. Gleichzeitig wird ein neuer Künstlertreff gegründet.
Seit der Tutzinger Bahnhof vor ein paar Jahren behindertengerecht umgebaut worden ist, geht das nun schon so: Bis nachts gegen 1 Uhr die letzten Züge aus München kommen, ertönen im Fall von Verspätungen und Zugausfällen laute Lautsprecher-Durchsagen. Und zwar oft unnötig lang, berichtet Walter Hoffmann, der am Schönmoosweg wohnt - mit lauter Details, wo der betreffende Zug hält und anderen Einzelheiten. Eingeleitet werden die lautstarken Durchsagen regelmäßig von einem lauten Gong, der die Anwohner direkt daneben aus dem Schlaf schreckt. Dafür, dass sie das alles auch wirklich hören, ist gesorgt: Sage und schreibe 56 Lautsprecher hat die Bahn nach Hoffmanns Angaben angebracht - und zwar keineswegs nur im Bahnhofsbereich selbst, sondern weit darüber hinaus nach Süden, entlang des Gleises - und auch des Schönmooswegs, an dem in diesem Bereich etliche Mehrfamilienhäuser stehen.
Bei der Bahn selbst etwas zu erreichen, hält Hoffmann für wenig wahrscheinlich. Deshalb hat er einen anderen Weg gesucht - und zwar einen künstlerischen Ansatz. Der begeisterte Fotograf hat Bilder von den Lautsprechern gemacht, die nun tatsächlich wie Kunstobjekte wirken, und die Durchsagen aufgenommen. Bei einer kleinen Ausstellung in seinem Garten direkt neben dem Bahndamm hat er das alles nun präsentiert.
"Take Five" heißt der neue Tutzinger Künstlertreff
Die Veranstaltung wurde gleichzeititg zum Auftakt eines Künstlertreffs. Walter Hoiffmann und Dieter de Harju, der ebenfalls in Tutzing wohnt, haben eine Initiative namens "Take Five" gegründet. Sie soll als bewusst kleiner Gesprächskreis für kunstinteressierte Menschen dienen - dafür steht die Fünf im Namen, denn fünf Teilnehmer halten die beiden für eine sinnvolle Zahl, damit auch wirklich tiefgehend diskutiert werden kann. Am 9. November um 19 Uhr haben sie ein erstes Treffen im "Tutzinger Keller" angesetzt. Das der Gemeinde Tutzing gehörende Gasthaus, das sich ebenfalls am Schönmoosweg befindet, passt als Standort schon deshalb recht gut, weil es nicht weit von den Bahn-Lautsprechern entfernt ist
Aktionskunst mit einem "Kreuz der Versuchung"
Auch Dieter de Harju war bei der kleinen Ausstellung am Bahndamm mit künstlerischen Arbeiten vertreten. Er stellte „Aktionskunst" vor - mit Spiegeln, Brettern, Leinwandphotos, Leinwand- und Spiegelmalereien.
Im Mittelpunkt stand „Das Kreuz der Versuchung“. Die 2,20 hohe und 1,40 Meter breite Installation sei aus tiefer persönlicher Betroffenheit entstanden, sagte de Harju, nämlich nach dem Tod seiner Frau im Jahr 2010. An dem Kreuz hat er rundherum Bilder angeordnet, die für den Weg von der Geburt bis zum "Heimgang der Seele“ stehen.
Rund um das Kreuz hatte er kleinere Arbeiten aufgehängt, außerdem eine Holz-Leinwand-Installation namens „911“ - eine Reaktion auf den Anschlag aufs World-Trade-Center. „Wer sich zeigt, läuft Gefahr, getroffen zu werden – wer sich versteckt, riskiert sein Leben...“ – so beschrieb er den Leitgedanken. Die Ausstellung begleitete er mit seiner Gitarre und „dadaistischen musikalischen Sprachemotionen“.
Dieter de Harju hat mit der Kunstszene gehadert
Dieter de Harju und Walter Hoffmann kennen sich erst seit ein paar Monaten. Künstlerisch sehen sie sich auf recht unterschiedlichen Ebenen. In ihren Arbeiten sah Hoffmann nur eine einzige Parallele: „Dieter hat das Kreuz der Versuchung - ich habe das Kreuz mit der Bahn.“
Offenbar reizen sie aber gerade auch die unterschiedlichen Ansätze. Für kritische Diskussionen dürfte bei "Take Five" gesorgt sein. „Ich habe mit der Kunstszene ziemlich gehadert“, bekannte Dieter de Harju. Er sprach von „sehr geschlossenen Zirkeln“ - er selbst habe eine andere Kunstvorstellung.“ Für ihn haben Künstler eine Aufgabe: "Nur Kunst und Musik können die Welt retten.“
Ob die Bürger vom Schönmoosweg mit Hilfe der Kunst nun wirklich vor dem Lautsprecher-Lärm gerettet werden? Das hält Hoffmann selbst für unwahrscheinlich. Dennoch ist ist ihm und anderen aufgefallen, dass während der kleinen Ausstellung nur wenig Durchsagen zu hören waren. Vielleicht war das doch schon ein erstes Signal für die Wirkungen von Kunst.
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Comments
Kopf in den Sand? Auch eine Kunstfigur! Kunnst aber mal schauen, wer noch mit der Bahn herumhadert. Die Tutzinger Liste hat Verbindungen zur Bahn http://www.tutzinger-liste.de/blog/bahnhofstoiletten-wir-bleiben-dran/ und anscheinend keine schlechten Erfahrungen mit der Bahn gemacht. Die Verwaltung hat scheinbar einen Draht zur Bahn, wenn auch die Oberleitung nicht ganz stimmig ist. Gilching hat Zugang zur Bahn, der dortige SPD-Gemeinderat ist erfahren im Umgang mit der Bahn. Wie's in die Bahn hineinschallt, so schallt es zurück. Bei den Gleisbauarbeiten nahm die Bahn Rücksicht auf Hinweise. Die Bahn ist ein kunstvoll strukturiertes Gebilde, vermutlich muss entsprechend die Schnittstelle dorthin aufgebaut werden. Wäre es nicht einen Versuch über og. Kontakte wert?
HF