Das schöne Wetter war wie gemacht für die Tutzinger Kulturnacht. Die halbe hiesige Bevölkerung schien sich am Freitag aufgemacht zu haben, um einen Eindruck von den vielen ideenreichen Angeboten an neun verschiedenen Standorten in ganz Tutzing zu erhaschen.
Schon vor der quasi offiziellen Eröffnung im Roncallihaus ging es in der Benedictus-Realschule los. Da gaben sich Schneewittchen und die sieben Zwerge in einer ganz individuellen Theaterfassung die Ehre, bevor andere junge Leute nebenan gleich eine ganze Reihe von Ukulelen mit einem bemerkenswerten Sound erklingen ließen. Ein Chor und eine Band folgten ihnen auf imposante Weise. Viel Zeit, Kraft und Energie haben die Mitglieder all dieser Gruppen neben dem Unterricht dafür aufgebracht, bemerkte die selbst von all dem und der erkennbaren Begeisterung der Mitwirkenden sichtlich beeindruckte Direktorin Angela Richter.

„Gehen Sie herum, tauchen Sie ein"
Dass es der Nachwuchs aus der Unterstufe des Gymnasiums genauso drauf hat, wurde kurz darauf bei der Eröffnungsfeier im Roncallihaus deutlich: Da brillierten junge Instrumentalisten mit Streichinstrumenten so belebend, dass Bürgermeister Ludwig Horn anschließend regelrecht ins Schwärmen geriet über diesen erfrischenden Auftakt der Kulturnacht. „Die Kultur ist ein Wert, der nicht in Zahlen zu fassen ist“: So umriss Horn den Grundgedanken dieser für eine Gemeinde wie Tutzing recht gewaltigen Veranstaltung: Man spüre es, habe Freude, könne den Alltag ein wenig beiseite lassen und genießen: „Das ist es, was das Leben lebenswert macht.“ Und er fordertes alle auf: „Gehen Sie herum, tauchen Sie ein, auch wenn Sie bei den einzelnen Vorführungen nur kurz bleiben können.“
Ein prächtiges Beispiel dafür, was Tutzing kulturell so alles zu bieten hat, folgte gleich anschließend im Roncallihaus. Nach der Eröffnung brachten junge Tänzerinnen und Tänzer hochelegant einen wahren „Zauber des Tanzes“ auf die Bühne. Es war der erste Auftritt des Tanzstudios Tutzing bei einer Kulturnacht, bemerkte dessen Leiterin Flora Almeida.

Der Flötenclub liefert eine breite musikalische Palette
Im voll besetzten Rathaussitzungssaal feierte der kürzlich gegründete Flötenclub eine erfolgreiche Premiere. Elisabeth Dörrenberg, die 2. Bürgermeisterin, begrüßte die Zuschauer und forderte die Stehenden auf, sich auf die an die Seite geschobenen Ratstische zu setzen. "Die halten das aus", fügte sie schmunzelnd hinzu. Der musikalische Leiter des neuen Flötenclubs, Utum Yang, selbst hervorragender Flötist, hatte eine bunte Mischung aus jungen und älteren Spielern zusammengestellt. Fünf Grundschüler brachten erfreuliche erste Ansätze auf dem Instrument zu Gehör. In Begleitung von Erwachsenen klang es schon anspruchsvoller. Von den Erwachsenen wurde eine breite Palette serviert, mit Stücken sowohl von Bizet, Debussy, Dvořák oder Mozart als auch aus Filmmusik oder Videospiel. Den Querflöten konnte man in besonders interessanter Weise lauschen: Weil sich die Interpreten nebeneinander aufgestellt hatten, lieferten sie klanglich perfekte Stereo-Qualität.

Von Lichtinstallationen über Shiatsu bis zum Donauwalzer
Immer mehr Menschen strömten zu dieser Zeit auch ins Gymnasium, wo gleich mehrere Darbietungen auf sie warteten. Neben dem Eingang hatten junge Leute aus der Oberstufe Lichtinstallationen aufgebaut. Nebendran lockte ein einladendes Schild in den „Kunstkeller“. Schon der Weg dorthin war ein Kunststück in Form einer langen Schlange, die zwei Klassen der Unterstufe zum japanischen Horoskop des Jahres 2025 gestaltet hatten. Unten gab es eine ganz besondere Mischung: "Kunst & Massage“. Die Lehrerin Ruth Baumann verband dort mit Jugendlichen aus der Unter- und Oberstufe die Präsentation ideenreicher Keramikobjekte mit der japanischen Massagekunst Shiatsu. In anderen Räumen gab es Theater und Filmvorführungen, während der Donauwalzer und andere mitreißende Stücke durchs ganze Bauwerk hallten, die die Big Band und das Orchester des Gymnasiums in der Aula spielten.

Mitmachtanz und faszinierender Sound
Im Roncallihaus studierten unterdessen Könner der Tutzinger Gilde mit zahlreichen Interessierten die „Münchner Française“ ein, bei der sich die Herren vor ihren Damen gleich zu Beginn erst einmal grüßend verbeugen. Im weiteren Verlauf des Abends befeuerte das in Tutzing beliebte Akkordeonorchester „Diskanto“ von Brigitte Vockinger mit seinem faszinierenden Sound die Stimmung, und dann folgte noch ein Gitarrenduo aus dem Kollegium der Musikschule – Sonja Gruber und Christian Rosa Rodriguez – mit klassischer und puertoricanischer Musik.

Der Elan der tanzenden Menschen regt zur Fortsetzung an
Auch Führungen durch die derzeit laufende Ausstellung zum Jubiläum des vor 100 Jahren eingeweihten Tutzinger Rathauses fanden viel Interesse. Auf der Tenne ganz oben im selben Gebäude zeigten derweil Schülerinnen und Schüler aus der Privatschule „Create Schools“ beeindruckendes musikalisches Können. Etwas später probierten an gleicher Stelle Besucher beim Linedance Bewegungsabläufe und Rhythmus-Varianten. Henny Stange vom Tanzsportclub Tutzing war die Vortänzerin und spornte die Neulinge an, sich in Reih und Glied bei Musik wie „Let’s twist again“ ins Zeug zu legen. Danach war sie so erfreut vom Elan der Tanzwütigen, dass sie überlegte, mittwochs etwas zur Fortsetzung anzubieten.

Krimis, Kunst aus Abfall und Suche nach NS-Raubkunst in Tutzing
Im evangelischen Gemeindehaus las die Krimiautorin Dr. Rosemarie Benke-Bursian aus ihrem Buch „15 Tage“. Um das Schlepper-Problem ging es, als sie aus ihrem Krimi „Jenseits aller Grenzen“ über in einem Lastwagen versteckte syrische Flüchtlinge zitierte. In ihrem „Atelier du lac“ erklärte Danielle Vochims ihre sehenswerten „Upcyling“-Arbeiten: Kunst aus Abfall. Und in der Evangelischen Akademie gab die Kunsthistorikerin Dr. Kerstin Holme spannende Einblicke in ihre Suche nach NS-Raubkunst genau dort, im Tutzinger Schloss – eine kulturelle Arbeit mit sehr ernstem Hintergrund.

Oldtimer, Maibaum-Vorbereitungen und der Sound der amerikanischen Südstaaten
Im Rathaussitzungssaal zeigte die Fotogruppe Traubing unter anderem fantastische Bilder des nächtlich leuchtenden Mondes. Im Gegensatz dazu lieferte sie eine Diashow mit wunderschön anzuschauenden Oldtimer-Autos aus der Zeit vor 1930 und eine Geschichte über das Vorbereiten des Traubinger Maibaums von 2022.
Sauwohl im amerikanischen Soundbereich, vor allem in dem der Südstaaten fühlt sich offenbar die Band „Backporch“, die zwei Stunden lang die Rathaustenne elektrisierte. Mit verschiedenen Gitarren, Banjo und Schlagzeug interpretierte sie Hits von Gordon Lightfoot, Tracy Chapman, Amos Lee, den Coasters oder das herzerwärmende Lied „Grandma’s Hands“ von Bill Withers und mehr.
Ganz Tutzing wurde zum kulturellen und kommunikativen Treffpunkt
Ein so vielfältiges Angebot in Tutzing an einem einzigen Abend, das war schon etwas ganz Besonderes. Viele nutzten die Möglichkeit, in das umfassende Angebot einzutauchen, wie es Bürgermeister Horn formuliert hatte, und Eindrücke von der ganzen kulturellen Fülle zu erhaschen.
So kam es zu einem beschwingten Kommen und Gehen quer durch Tutzing. Immer wieder traf man die Leute, als sie auf dem Weg von der einen zur anderen Veranstaltung waren, man wechselte ein paar Worte, gab Tipps, wo es noch lohnte, vorbeizuschauen, berichtete von diesen und jenen Auftritten. So war diese Kulturnacht nicht nur ein Genuss der ganzen kulturellen Pracht von Tutzing, sondern gleichzeitig auch ein kommunikativer Treff – ein schöner kultureller Aspekt für sich.
Texte: Ferdinand Goslich, Lorenz Goslich
Bilder: Elisabeth Kiermeir, Ferdinand Goslich, Lorenz Goslich
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Kommentare
Ich selbst habe 4 Veranstaltungen im Gymnasium, im Schloss und im Rathaus besucht ... Wow !!
Großes, großes Danke an Alle, die zu diesem Gesamtkunstwerk beigetragen haben.
Bis hin zum perfekten "Wettermanagement". ;-)