Kultur
23.7.2021
Von vorOrt.news

Ein 300 Jahre altes Instrument auf Reise

Ostufer, Gymnasium, Ilkahöhe, Ortsmuseum: Die „Schleich-Orgel“ hat eine Odyssee hinter sich

Schleich-Orgel3-Gemeinde.jpeg
Die Schleich-Orgel an ihrem derzeitigen Standort im Ortsmuseum © Gemeinde Tutzing

Geburtstagsfeier im Tutzinger Ortsmuseum: Am Mittwoch erklang aus dem Gebäude am Thomaplatz heraus die aus dem Jahr 1720 stammende „Schleich-Orgel“, Tutzings älteste Orgel, die dort steht. Kirchenmusikerin Helene von Rechenberg holte das im vorigen Jahr wegen Corona ausgefallene Jubiläumskonzert anlässlich des 300. Geburtstags nach.

Die von Philipp Franz Schleich (um 1686 bis 1723) gebaute Orgel befindet sich seit drei Jahren im Tutzinger Ortsmuseum. Eine wahre Odyssee hat sie hinter sich, und ob sie letztlich an diesem Standort bleiben wird, ist immer noch ungewiss.

Schon länger ist sie auf einer Reise. Vor vielen Jahren hat sie sich am Ostufer des Starnberger Sees befunden. Dann erhielt sie Johann Salomon, der frühere Direktor des heutigen Tutzinger Gymnasiums, als Geschenk. Zu einer Unterbringung in einem Musikraum der Schule kam es nicht. Die Orgel landete im Dachstuhl der zum Gymnasium gehörenden Kalle-Villa und geriet über längere Zeit in Vergessenheit.

Dort entdeckte sie vor etwa 30 Jahren der Hausmeister des Gymnasiums, Kurt Lorenz - allerdings zerlegt in Einzelteile. Lorenz informierte den damaligen Bürgermeister Dr. Alfred Leclaire. Der musikalisch sehr interessierte Rathauschef zog den Iffeldorfer Orgelbauer Dieter Schingnitz zu Rate. Der erkannte den wertvollen Fund und brachte das Instrument aufwändig wieder in Schuss, indem er wichtige Teile - so die über die Jahre arg in Mitleidenschaft gezogenen Metallpedale - ersetzte.

Die nächste Station für die Schleich-Orgel war das kleine Nikolaus-Kircherl auf der Ilkahöhe. Vor drei Jahren stand dann ihr nächster Umzug an: ins Ortsmuseum. Schingnitz zeigte sich davon bei einem Besuch in Tutzing weniger angetan - er hielt eine Kirche für den passenderen Standort. Das Ortsmuseum galt auch als Übergangslösung. Es schien so, als werde die alte Orgel nach einer gewissen Pause ihre Reise fortsetzen.

Zum Umzug nach Kelheim kam es bisher nicht

Schleich-Orgel5.jpg
Zunächst stand das alte Instrument in einem anderem Raum des Museums - hier bei einer Vernissage © L.G.

Einen seiner Meinung nach passenden Zielort brachte Schingnitz ins Gespräch: das Orgelmuseum in Kelheim, dem das Instrument möglicherweise als Dauerleihgabe überlassen werden könne. Das fand er sinnvoller als einen vielleicht zu billigen Verkauf, denn einen Erlös für den wahren Wert des Instruments werde man wohl nicht erzielen können. Doch aus der Weiterreise nach Kelheim ist jedenfalls bisher nichts geworden. Das gute Stück ist nach wie vor in Tutzing, wenn es auch innerhalb des kleinen Museums schon wieder in einen anderen Raum umgezogen ist.

Nicht wenige Einheimische hätten offenkundig gern, dass die von Schleich zur Lebenszeit von Johann Sebastian Bach erbaute historische Kostbarkeit in Tutzing bleibt. Es handelt sich um eine von zwei, vielleicht auch drei „Schleich-Orgeln“, die es gibt. Für die heutige musikalische Praxis ist sie zwar mit ihren sechs Registern nur eingeschränkt nutzbar. Ihre so genannte „mitteltönige“ Stimmung lassen gewisse Tonarten ziemlich schräg erklingen. Eingeschränkt wird die Auswahl der spielbaren Stücke auf dieser Orgel zudem durch eine „kurze Oktave“, eine damals gängige Praxis im Orgelbau des süddeutschen Raums, in der untersten Oktave ein paar Töne auszulassen. Werden aber Stücke auf dieser Orgel gespielt, die im 17. und 18. Jahrhundert für diese Art von Orgeln geschrieben wurden, dann klingen sie ausgesprochen reizvoll und farbig.

Orgelbauer Schingnitz hat bei seinem Besuch in Tutzing vor Jahren hervorgehoben, man könne gerade auf diesem Instrument alte Werke originalgetreu interpretieren. Auch Helene von Rechenberg, die das am Mittwoch bewiesen hat, ist stolz, so ein historisches Instrument im Ort zu haben. An seinem derzeitigen, räumlich beengten Standort kann ein Konzert zwar nur unter recht besonderen Umständen stattfinden, nämlich mit Publikum im Garten, ohne Blick auf die Orgel. Die akustische Wirkung aber ist bei geöffneten Fenstern recht eindrucksvoll. Und wer weiß - vielleicht findet sich ja in Tutzing irgendwann ein Platz, an dem Musikliebhaber das alte Instrument nicht nur hören, sondern auch sehen können.

(Mit Informationen von Helene von Rechenberg)

Anzeige
Stellenanzeige-April-2024-B.png
ID: 4141
Über den Autor

vorOrt.news

Kommentar hinzufügen

Anmelden , um einen Kommentar zu hinterlassen.
Feedback / Fehler melden