Kommunikation
31.3.2023
Von vorOrt.news

Debatte um Gemeinde-Einfluss bei Mobilfunk

Diagnose Funk: "Kommunen müssen was tun" - Feldhütter: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht

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"Die Kommune hat Mitspracherechr", sagt Dr. Hans Schmidt © Diagnose Funk

Ist eine Kommune machtlos, wenn es um Mobilfunkanlagen geht? Als der bei Monatshausen geplante neue Mast des Vodafone-Konzerns für viel Aufregung sorgte, wirkte es gelegentlich so. Die Gemeinde Tutzing hat den Bauantrag von Vodafone abgelehnt, aber immer wieder darauf verwiesen, dass die Einflussmöglichkeiten einer Kommune bei diesem Thema begrenzt seien.

Offenbar habe der Bund Rechte geschaffen, die nur schwer umzudrehen seien, sagte Tutzings Bürgermeisterin Marlene Greinwald in einer Gemeinderatssitzung. Das Bundesgesetz unterstütze die Mobilfunkbetreiber in jeder Weise: „Unsere Rechte sind da ausgehebelt.“

Das hat Dr. Hans Schmidt von der Umwelt- und Verbraucherorganisation „Diagnose Funk“ jetzt bei einer Informationsveranstaltung in Monatshausen ganz anders dargestellt. Die meisten Gemeindeverwaltungen erweckten den Eindruck, sie könnten nichts machen, sagte er - und deshalb engagierten sie sich auch nicht. Sie hätten aber sehr wohl Möglichkeiten - und zwar nicht nur baurechtlich, sondern auch auf immissionsschutzrechtlicher Ebene. „Das ist aber den meisten Kommunen nicht bekannt“, sagte Schmidt. „Die immissionsschutzrechtliche Schiene wird meistens nicht erwähnt“, kritisierte er. Und das könne auch nicht durchs Baurecht „ausgehebelt“ werden.

Als besonders wichtige Regelung nannte Schmidt in diesem Zusammenhang den Paragrafen 7a der 26. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Dort steht unter dem Titel „Beteiligung der Kommunen“: „Die Kommune, in deren Gebiet die Hochfrequenzanlage errichtet werden soll, wird bei der Auswahl von Standorten für Hochfrequenzanlagen, die nach dem 22. August 2013 errichtet werden, durch die Betreiber gehört. Sie erhält rechtzeitig die Möglichkeit zur Stellungnahme und zur Erörterung der Baumaßnahme. Die Ergebnisse der Beteiligung sind zu berücksichtigen.“

Dann könne ein Grundbesitzer unterschreiben, „soviel er will“, sagte Schmidt: „Die Kommune hat das Hoheitsrecht über die Gemarkung - die Unterschrift ist nichts wert, wenn die Gemeinde entsprechend agiert.“ Ein bereits von einem Monatshauser Grundeigentümer unterschriebener Vertrag mit Vodafone war immer wieder als Argument angeführt worden.

"Mobilfunk - völlig ungefährlich?" Vortrag von Dr. Hans Schmidt, Diagnose Funk

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„Wir Ratsvertreter müssen sehen, wie wir unsere Bevölkerung schützen“

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Zur Informationsveranstaltung über Mobilfunk kamen etwa 30 Interessierte ins Feuerwehrhaus von Monatshausen © L.G.

Schmidt bedauerte sehr, dass kein Mobilfunk-Befürworter zu der Veranstaltung erschienen war, um die Gegenposition zu vertreten. Man habe sich bemüht, jemand dafür zu gewinnen, doch das sei nicht gelungen. So habe es Dr. Thomas Kurz vom Landesamt für Umwelt, einer zum bayerischen Umweltministerium gehörenden Behörde, abgelehnt, an der Diskussion teilzunehmen.

Vorsorge auf kommunaler Ebene sei dringend anzuraten, bekräftigte Schmidt, der selbst Stadtrat und Umweltreferent in Wolfratshausen ist. „Wir Ratsvertreter müssen sehen, wie wir unsere Bevölkerung schützen“, mahnte er. An die Tutzinger Gemeinderatsmitglieder wandte er sich mit diesen Worten: „Wenn Sie die Ängste der Bevölkerung aufnehmen wollen, sollten Sie was tun.“ Es gehe darum, die gesamte Strahlenbelastung zu senken, und es sei ein klarer Auftrag an die Kommunen, sich dafür einzusetzen.

Als Beleg für die erfolgreiche Vorgehensweise einer Kommune nannte er das Beispiel der Gemeinde Münsing. Sie habe ein so genanntes Mobilfunk-Leitkonzept erstellen lassen, das eine Kommune für 5000 oder 10 000 Euro bekommen könne. Auf diese Weise habe Münsing akzeptable Standorte ausgewiesen – und einen von denen habe der Mobilfunkbetreiber akzeptieren müssen. „Da hat die Kommune Mitspracherecht“, hob Schmidt nachdrücklich hervor. Jedes Gericht werde es ablehnen, einem Betreiber recht zu geben, wenn er sich nicht an die Verordnung gehalten habe.

Bei der Versammlung in Monatshausen waren auch Vertreter der Tutzinger Gemeindeverwaltung und des Tutzinger Gemeinderats anwesend. Unter ihnen war Stefan Feldhütter von den Freien Wählern – und ihm gefiel das nicht so recht, was Schmidt da sagte. Da sei der Eindruck erweckt worden, die Gemeinde habe „gepennt“. Seine Folgerung: „Das finde ich ziemlich schräg - es ist unzutreffend und unfair.'" Er betonte: „Wir haben als Gemeinde unsere Hausaufgaben gemacht.“ Andere im Publikum empfanden die Aussagen von Schmidt nicht so stark gegen die Gemeinde Tutzing gerichtet.

Feldhütter verwies auch auf ein für die Gemeinde Tutzing schon vor Jahren erstelltes Mobilfunk-Konzept. Zu dem von Schmidt erwähnten Mobilfunk-Leitkonzept sagte er: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir so ein Konzept für 10 000 Euro kriegen.“ Das gelte vielleicht für eine Vorstudie, es sei aber bestimmt nicht der Endpreis.

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"Da sind Welten dazwischen": 10 Millionen Mikrowatt hier - 100 Mikrowatt dort

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Dr. Hans Schmidt hat sein Haus verkabelt. "Das geht genauso", sagt er. © Vortrag Dr. Hans Schmidt

Sehr kritisch äußerte sich Schmidt über die Grenzwerte beim Mobilfunk. Sie seien viel zu hoch und nicht mehr auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand – und sie seien „extrem höher“ als die, die die europäischen Umweltmediziner empfohlen hätten. "Da sind Welten dazwischen", sagte Schmidt. Die Grenzwerte betrügen bis zu 10 Millionen Mikrowatt pro Quadratmeter (μW/m²), während die Umweltmediziner eine Beschränkung auf 100 μW/m² forderten - ein Wert, den Schmidt in allen Wohngebieten für ratsam hält. An vielen Stellen des Körpers gebe es bei den Menschen hohe Strahlenbelastungen, sagte er: „Uhren für die Fitness an der Hand: 900, Handy in der Hosentasche: 1000.“ Er sprach von „wahnsinnigen Werten“ und starken Überschreitungen.

In wissenschaftlichen Studien würden erhebliche gesundheitsschädigende Folgen nachgewiesen, so für die Entwicklung von Krebszellen, sagte Schmidt. Dabei legte er Grafiken mit Statistiken über Schädigungen aus mehreren Ländern vor. Die „Mär, dass man es an der Krebsstatistik noch nicht sieht“, stimme nicht.“ Zwar tue sich inzwischen auch in Deutschland etwas: „Aber die Obrigkeitshörigkeit ist sehr stark ausgeprägt.“ Stark getrieben sei dies durch die Digitalisierung, die „in aller Munde“ sei.

Alle, die gegen hohe Mobilfunkstrahlung protestierten, hätten selbst gern guten Mobilfunkempfang, wird häufig entgegengehalten. Zu diesem Argument sagte Schmidt, die Handys benötigten viel weniger Strahlung. Es gehe überhaupt nicht darum, dass die Handys funktionierten - sondern andere Punkte seien ausschlaggebend. Und dann erlaubte er noch einen Blick in seine eigene Vorgehensweise: „Wir haben unser ganzes Haus verkabelt - das geht genauso.“

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