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Zahnloser Tiger beim Pferdehof

Tutzinger Bauausschuss stimmt gegen Anlage in Obertraubing - aber die Entscheidung treffen Behörden

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"Die heutige Pferdehaltung ist von der einstigen Form der Anbindehaltung in Einzelständen weit entfernt", schreibt die Schweizer Agrarmedien AG, die das Gütesiegel "Der gute Stall" für beispielhafte Haltungsformen vergibt © Schweizer Agrarmedien AG, „Der gute Stall“ https://www.dergutestall.ch/

In Obertraubing ist eine Anlage für Seniorenpferde geplant. Der Bau- und Ortsplanungsausschuss des Tutzinger Gemeinderats hat diesem Projekt am Dienstag aber mit knapper Mehrheit von 4:5 Stimmen das gemeindliche Einvernehmen verweigert.

Dennoch kann die so genannte Pensionspferdehaltung an diesem Standort – Kustermannstraße 65 – möglicherweise errichtet werden. Der Gemeinderat muss zwar nach dem Gesetz einen Beschluss dazu abgeben - doch auf seine Zustimmung oder Ablehnung kommt es überhaupt nicht an. Ausschlaggebend ist, ob für das Vorhaben eine "landwirtschaftliche Privilegierung“ nach Paragraf 35 Absatz 1 Nummer 1 des Baugesetzbuchs genehmigt wird – und darüber entscheiden die dafür zuständigen Behörden, nämlich das Landratsamt Starnberg unter Einbeziehung des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie der Umweltbehörden. Die Privilegierung sei eine Sonderregelung, sagte Tutzings Bauamtleiter Christian Wolfert, die nicht unter die Oberhoheit der Gemeinde falle.

Der für die Anlage vorgesehene Standort befindet sich im planungsrechtlichen Außenbereich und im Landschaftsschutzgebiet. Im Flächennutzungsplan sind die betreffenden Flurstücke als „Flächen für die Landwirtschaft“ ausgewiesen.

Hallen mit 30 Metern und über 40 Metern Länge

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Tourismus soll mit der Pferdepension nicht verbunden sein, aber zusätzlicher Fahrverkehr auf der Kustermannstraße wird erwartet © L.G.

Bisher handelt es sich um einen Vorbescheidantrag für mehrere Gebäude und Freiflächen. Neben dem Umbau und der Modernisierung eines bestehenden landwirtschaftlichen Anwesens, in dem sich zurzeit zwei Wohnungen befinden, sind mehrere große Gebäude vorgesehen, die von der Kustermannstraße aus als „sehr massiv“ wahrgenommen werden dürften, wie Wolfert sagte: eine „Bergehalle“ mit 30 Metern Länge, 15 Metern Breite und 8,90 Metern Firsthöhe, eine „Bewegungshalle“ mit 41,10 Metern Länge, 21 Metern Breite und 7,11 Metern Firsthöhe sowie ein Wirtschaftsgebäude mit 20 Pferdeboxen, Futterkammer, Sattelkammer und Aufenthaltsraum. Hinzu kommen sollen ein Nebengebäude für drei Fahrzeuge und Außenbereichsflächen für die Bewegung der Pferde während der Vegetationspausen und Sperrzeit der Weiden mit insgesamt 1200 Quadratmetern. Drei bestehende Schuppen sollen beseitigt werden.

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"Städtebauliche Situation Obertraubings würde sich deutlich ändern"

Wenn eine Privilegierung abgelehnt werden sollte, dann könnte das Vorhaben nur mit einem Bebauungsplan realisiert werden, erklärte das Tutzinger Bauamt. Die Aufstellung eines Bebauungsplans im Landschaftsschutzgebiet mit einer erforderlichen Herausnahme der Flächen sei aber „äußerst schwierig“. Das Tutzinger Bauamt brachte zudem Bedenken in Hinblick auf die Bebauung in der Nachbarschaft vor: Ein Vorhaben dieser Größenordnung könne Probleme in Hinblick auf die „Verfestigung der Splittersiedlung“ aufwerfen. Die städtebauliche Situation Obertraubings werde sich durch dieses große Vorhaben auf jeden Fall deutlich ändern.

Als klärungsbedürftig gelten im Tutzinger Bauamt zudem der Artenschutz und die Umweltbelange, zusätzlicher Straßenverkehr auf der nicht sehr breiten Kustermannstraße, das für einen Pferdehof wichtige Trinkwasser, die Abwasserbeseitigung und die Regenwasserbeseitigung. In der Kustermannstraße liegt kein Kanal, bei vielen Häusern in Obertraubing gibt es noch Versitzgruben. Das Landratsamt hatte in den vergangenen Jahren mehrere Umbauanträge für bestehende Gebäude in und um Obertraubing abgelehnt.

„Erschreckend, bei aller Sympathie für die landwirtschaftlichen Belange“

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Bestehende Schuppen auf dem Areal sollen beseitigt werden: Blick auf einen kleinen Teil der für die Anlage vorgesehenen relativ großen Fläche © L.G.

Mehreren Mitgliedern des Bauausschusses war das Vorhaben für diesen Standort zu groß. In diesem Gebiet sei dies „ein absoluter Ausreißer“, sagte Christine Nimbach (fraktionslos), die viel damit verbundenen Flächenverbrauch in „vollkommen unberührter Natur“ und eine sehr große Versiegelung kritisierte. Sinnvoller wäre es ihrer Meinung nach, so eine Anlage anderswo hin zu bauen: „Es gibt so viele aufgelassene Höfe und Pferdestallungen.“

Dr. Ernst Lindl (CSU) schloss sich dieser Argumentation an. Von der B2 bis zum Wald hinunter sei die Bebauung in Obertraubing durch meist kleinere Einzelhäuser geprägt. Die Pferdeanlage sei eine komplett andere, enorm auffällige“ Bebauung. „Dass wir es nicht verhindern können, habe ich zur Kenntnis genommen“, fügte Lindl hinzu: „Aber wollen wir das?“

Stefan Feldhütter (Freie Wähler) fand die Planung nicht nur unpassend, sondern auch „erschreckend, bei aller Sympathie für die landwirtschaftlichen Belange“. Der Bevölkerung von Obertraubing werde damit „ein Bärendienst“ erwiesen. Zudem könne auf die Gemeinde Tutzing später ein Kostenrisiko zukommen, wenn sich die Splittersiedlung verfestigen und ein Abwassersystem erforderlich werden sollte.

Vizebürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg (CSU) mahnte trotz der Einschränkungen: „Wir sollten unseren Planungswillen zum Ausdruck bringen und sagen: Das gefällt und da an der Stelle nicht.“ Die Kustermannstraße sei in einem „erbärmlichen Zustand“, doch zur Anlage werde es einigen Verkehr geben.

"Privilegierung für die Landwirte das wichtigste Gut“

Andere Ausschussmitglieder hielten das Projekt trotz der vorgebrachten Bedenken für akzeptabel. Barbara Doll, selbst Landwirtin in Traubing, bezeichnete die vorgesehene Anlage zwar als nicht optimal an der betreffenden Stelle. Sie sehe dies auch nicht als Fall einer Privilegierung, für sie sei das eher ein Gewerbebetrieb und kein typischer landwirtschaftlicher Betrieb. Aber das Landwirtschaftsamt werde dies bestimmt genau prüfen: „Und wenn eine Privilegierung erteilt wird, dann kann man da mitgehen.“ Nachdrücklich fügte sie hinzu, die Privilegierung sei für die Landwirte „das wichtigste Gut“.

Dr. Joachim Weber-Guskar (FDP) verwies darauf, dass im Flächennutzungsplan an diesem Standort ein landwirtschaftlicher Bereich ausgewiesen sei: „Ich würde es der Prüfung überlassen - wenn eine Privilegierung vorliegt, haben wir wenig Einfluss.“

Das gemeindliche Einvernehmen mit dem Vorbescheidantrag wurde schließlich mit 4:5 Stimmen abgelehnt. Immer wieder stellte sich in der Sitzung aber der Eindruck ein, dass die Gemeinde mit diesem Beschluss eher ein zahnloser Tiger ist. Bürgermeister Ludwig Horn formulierte das lakonisch so: „Wir sind beteiligt, aber nicht entscheidend.“ Immerhin meinte Horn, der Beschluss könne eine „indirekte“ Wirkung haben. Bauamtleiter Wolfert zeigte sich da wenig zuversichtlich: Die Gemeinde werde in diesem Fall keinen großen Einfluss haben. Ob die Gemeinde ihr Einvernehmen erteile, das sei im Außenbereich „weniger wert“.

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Kommentare

Wozu erklärt man eine Fläche zum Landschaftsschutzgebiet wenn es dann einfach revidiert wird sobald jemand bauen möchte und mit Geldscheinen winkt.
Was ist außerdem aus der Aussage geworden wir dürfen nicht noch mehr Fläche versiegeln.
Zudem dürfte jedem klar sein das die Kustermannstr. nicht noch mehr Verkehr aushält. Kleine Erinnerung war das nicht ein riesen Thema während der Hauptstraßen Sanierung im Norden.
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