Als Marlene Greinwald 2018 Nachfolgerin des verstorbenen Rudolf Krug an der Rathausspitze wurde, war das nicht die erste Tutzinger Bürgermeisterwahl mitten in einer laufenden Amtsperiode des Gemeinderats. So etwas gab es vor Jahrzehnten schon einmal. Im Herbst 1970 trat in einer laufenden Amtsperiode Peter Dreer zurück, der seit 1958 an der Rathausspitze gestanden hatte und bei seiner dritten Kandidatur 1966 von einem breiten Bündnis aus CSU, SPD und FDP aufgestellt worden war.
Dreer war Rechtsanwalt und ehrenamtlicher Bürgermeister, bei Immobilienplänen im Kustermannpark waren ihm Interessenskollisionen unterstellt worden. Nach heftigen Vorwürfen gab er auf - unfreiwillig, wie er später betonte. So kam es 1970 zur Neuwahl eines Bürgermeisters.
Fünf Bewerber traten an. Sieger war der damals 35 Jahre alte CSU-Kandidat Dr. Alfred Leclaire. Die nächste Gemeinderatswahl stand erst 1972 an - und da kandidierte Leclaire erneut. Ein Vorbild für heute sieht er darin dennoch nicht.
„Das war von Haus aus klar, dass meine Wahl nur bis 1972 gelten würde“, erinnert er sich. Die Frage habe sich überhaupt nicht gestellt, ob er sechs Jahre im Amt bleiben würde. „Aber ich war am Anfang ehrenamtlicher Bürgermeister“, sagt er.
Auch wenn es Parallelen zur heutigen Situation gibt, sieht Leclaire dies als wesentlichen Unterschied. Denn aktuell geht es zwar wieder um eine Bürgermeisterwahl in der laufenden Amtsperiode des Gemeinderats, aber es geht um die Wahl eines hauptamtlichen, nicht eines ehrenamtlichen Bürgermeisters.
Für Leclaire steht fest: „Wenn ich 1970 für sechs Jahre zum hauptamtlichen Bürgermeister gewählt gewesen wäre, dann wäre ich nicht auf die Idee gekommen, nach zwei Jahren wieder neu zur Wahl anzutreten.“ Dann, davon zeigt er sich überzeugt, gäbe es die Trennung der Wahlen von Bürgermeister und Gemeinderat in Tutzing schon länger, es sei denn, bei einer späteren Wahl hätte es wieder eine Zusammenführung gegeben. Die heutige Tutzinger Bürgermeisterin Marlene Greinwald sei Beamtin auf Zeit, sagt Leclaire: „Als Ehrenamtler ist man nicht in der gleichen Situation.“
Er habe 1970 gar nicht gewusst, dass dies sein Lebensberuf werden würde, erzählt Leclaire. Damals war der gebürtige Aachener lokalpolitisch nicht bekannt. Nach dem ersten Jura-Examen und Promotion in Politologie war er 1965 auf Empfehlung von Bernhard Vogel Dozent an der Akademie für politische Bildung geworden. Die Wahl zum Bürgermeister empfand er „als Abenteuer“. So hat er auch den Wahlkampf in Erinnerung: „Wir sind mit einer Dixieland-Band durch den Ort gestreift, ich habe Klinken geputzt.“ Das sei ziemlich professionell gewesen: „Es hat funktioniert.“ Und das trotz einiger in Tutzing sehr bekannter Gegenkandidaten. An der Akademie wurde für ihn die Stelle eines Organisationsreferenten erfunden. Er blieb dort weiter tätig, bis er bei der Kommunalwahl 1978 hauptamtlicher Bürgermeister wurde.
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