Von vorOrt.news

„Wer liest das immer?“

Kontroverse Diskussion auf vorOrt.news über das Informationsverhalten in Tutzing

Wie wollen wir in Zukunft in Tutzing leben? Wofür soll Tutzing stehen? Die von der „Tutzinger Liste“ angestoßene Diskussion zu diesen Themen hat sich in Kommentaren auf vorOrt.news zu einem kontroversen Meinungsaustausch über das generelle Informationsverhalten entwickelt. Stopp für die Leitziele Tutzing 2030 Wir haben hier die Auszüge aus den bisherigen Kommentierungen zum Informationsgeschehen zusammengefasst. Über weitere Meinungsäußerungen zu dieser wichtigen Thematik würden wir uns freuen, zumal sie auch für uns bei vorOrt.news und für den gesamten Journalismus von erheblicher Bedeutung ist.

Der Ausgangspunkt: „Stopp für die Leitziele Tutzing 2030“

Ausgangspunkt war ein Kommentar von Lucie Vorlíčková. Unter dem Titel „Stopp für die Leitziele Tutzing 2030“ kritisierte sie, dass sich der Gemeinderat jetzt doch dagegen entschieden habe, einen unter Beteiligung der Bürgerschaft strategisch festgelegten Entwicklungsprozess für die Gemeinde Tutzing anzustoßen. Zwar habe sich der Gemeinderat im November 2021 mit nur zwei Gegenstimmen für die Durchführung sowohl eines gesamtgemeindlichen (GEK/Leitziele 2030) als auch gebietsbezogenen (ISEK) Entwicklungskonzeptes für Tutzing ausgesprochen. Doch knapp ein Jahr später habe er fast geschlossen und ohne Begründung Leitziele für Tutzing abgelehnt. Lediglich an dem von der Tutzinger Liste ebenfalls beantragten gebietsbezogenen Entwicklungskonzept ISEK wolle der Gemeinderat festhalten. „Das ISEK ist zwar ein guter Teilerfolg - für Tutzings nachhaltige Zukunftsgestaltung aber zu wenig“, folgerte Vorlíčková.

Die Erwiderung: "Die Entwicklung der Leitziele für Tutzing ist nicht gestoppt"

Bernd Pfitzner, Gemeinderat der Grünen, widersprach: „Die Entwicklung der Leitziele für Tutzing ist nicht gestoppt, sondern sie wird in ein städtebauliches Entwicklungskonzept integriert. Die diesen Prozess entwickelten Leitziele landen dann nicht in der Schublade (wie leider so viele Studien in der Vergangenheit in Tutzing), sondern haben die Chance auf Realisierung da die Gemeinde durch das ISEK die Möglichkeit hat, an umfangreiche Mittel der Städtebauförderung zu kommen. Die hier erarbeiteten Ideen können sicher mit einfließen.“

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Wenig Informationsbedarf? Drei von zwölf Schaukästen in der Greinwaldstraße sind leer
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Widerspruch

Dazu kommentierte Lucie Vorlíčková: „Aus den zwei in öffentlicher Sitzung des Gemeinderats gefassten Beschlüssen zum Thema "kommunale Entwicklungskonzepte" für Tutzing kann ich Ihre klare Aussage, dass die Leitziele 2030 in das städtebauliche ISEK integriert werden, leider nicht entnehmen. Wie lautet bitte der Beschluss, auf den Sie sich beziehen?“

„In Gemeinderatsklausur ausführlich über dieses Thema diskutiert"

Pfitzner erwiderte: „In der darauffolgenden Gemeinderatsklausur ist dann noch mal ausführlich über dieses Thema diskutiert worden. Dabei wurde geklärt, dass so ein ‚Leitlinienprozes‘ im ISEK integriert ist, wir aber zuerst das ISEK (mit Festlegung des Sanierungsgebietes ‚Ortsmitte‘) auf den Weg bringen müssen, um dann auch die nötigen Förderungen zu erhalten. Das wurde auch in der nachfolgenden Gemeinderatssitzung noch einmal so erläutert. Allen Gemeinderätinnen, die an der Klausur teilgenommen haben, ist diese zugegeben bei der Beantragung von Fördermaßen häufig befremdliche Vorgehensweise klar. Sie haben deshalb in der nachfolgenden Gemeinderatssitzung für die Beauftragung des ISEK gestimmt, in dem Bewusstsein, dass hier ein Leitlinienprozess für Tutzing integriert ist, der nicht nur den Ortskern betrifft, sondern auch auf alle Gebiete Tutzing ausstrahlt. Deshalb kam auch keine Mehrheit für den Antrag zustande, einen zusätzlichen Leitbildprozess zu starten. Diesem Antrag haben nur Mitglieder des Gremiums zugestimmt, die nicht an der Klausur teilgenommen hatten. In der Sitzung des Gemeinderates konnten diesen anscheinend ausreichend klar gemacht werden, dass ein zusätzlicher Prozess (mit zusätzlichen Kosten und zusätzlich benötigtem personellem Einsatz von Verwaltung, Fachleuten und Bürgerinnen) nicht mehr nötig sei.

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Alt und neu - wofür soll Tutzing stehen? "Meinungsverändernde Erkenntnisse"

"Erkenntnisse aus der Klausur sollten zeitnah der Bürgerschaft mitgeteilt werden"

Dazu schriebe Bernd Rekus: „Es ist wirklich aller Ehren wert, wenn unsere ehrenamtlichen Gemeinderäte extra in Klausur gehen; und es ist natürlich absolut OK, wenn sie dabei bei einzelnen Themen zu neuen Erkenntnissen gelangen, die ihre Haltung dazu verändern. Aber danach sollten diese meinungsverändernden Erkenntnisse eben auch zeitnah der gesamten Bürgerschaft ausgiebig mitgeteilt und in allen wichtigen Details erläutert werden. Das beugt Missverständnissen, Unverständnis und gesellschaftlicher Spaltung vor. Demokratie im besten Sinne eben.

"Informations-Aufwand sollte im Verhältnis zum Nutzen stehen"

Pfitzner antwortete darauf: „Information ist wichtig, aber der Aufwand muss immer in einem gewissen Verhältnis zum Nutzen stehen. Die Gemeinde könnte bestimmt Unmengen von Informationen auf der Homepage verbreiten, aber ich gebe zu bedenken: a) Wer liest das immer? b) Welcher Mitarbeitende der Verwaltung soll die Aufarbeitung zusätzlich zu seiner Arbeit noch bewältigen?“

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Was wird aus der Kustermannvilla (links), was aus dem Seehof-Grundstück (rechts)? "Proaktive Information der Bürger über die sachlichen Hintergründe von Entscheidungen oder Meinungsumschwüngen ist eine der zentralen Grundsäulen der Demokratie"

"Information ist der niedrigste Grad der Bürgerbeteiligung"

Dazu erwiderte Lucie Vorlíčková: „Bürgerbeteiligung ist die Essenz eines kommunalen Entwicklungskonzepts! Um den niedrigsten Grad der Beteiligung, die bloße Information, dürften wir schon bitten.“

"Kommunikativ einiges nachzuholen"

Rekus antwortete Pfitzner so: „Allein dass Sie sich hier einer öffentlichen Information und Diskussion stellen, hebt Sie bereits kommunikativ aus dem breiten Durchschnitt in der Tutzinger Kommunalpolitik heraus! Da haben Sie meinen Respekt. Dennoch: Die Resonanz hier, bei der kürzlichen Veranstaltung im Lobstergebäude, und auch im allgemeinen ‚Dorftratsch‘ zeigt doch, dass da kommunikativ einiges nachzuholen ist. Und Arbeitsüberlastung in der Verwaltung (oder Unterbesetzung?) kann doch ebenso wenig eine Rechtfertigung für Lücken in der Kommunikation mit den Bürgern sein, wie die - zumindest mir zu steile - These: Information? Wer liest das immer? Da sparen wir uns besser gleich den Aufwand? Proaktive Information der Bürger über die sachlichen Hintergründe von Entscheidungen oder Meinungsumschwüngen ist doch eine der zentralen Grundsäulen der Demokratie, oder nicht? Love & Peace!“

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Braucht Tutzing einen Minigolfplatz, ein Hallenbad, den Andechser Hof als Gasthaus? "Grundsätzlich ist immer zu wenig Geld da, um alle Wünsche zu erfüllen"

"Über was soll die Verwaltung alles informieren?"

Daraufhin schrieb Pfitzner Folgendes: „Ich bin auch nicht immer ganz glücklich mit der Informationspolitik des Rathauses, aber eines mache ich mir immer bewusst: Zu informieren kostet Zeit und Geld. Mich nur meinen freien Sonntag, die Gemeinde Geld und Personal. Dabei immer wieder die Frage, was kann und was soll geleistet werden. Personal zu bekommen ist insbesondere im öffentlichen Dienst sehr schwierig. In der Verwaltung in Tutzing und in den Verwaltungen der Landkreisgemeinden sowie des Landeskreises sind viele Stellen unbesetzt, weil wenige Menschen davon überzeugt werden können, sich in den Dienst der Öffentlichkeit zu stellen. Was mich nicht gerade wundert, da der öffentliche Arbeitgeber nicht unbedingt im Ruf steht, gut zu bezahlen. Die Lebenshaltungskosten hier am Starnberger See tun ihr übriges. Darüber hinaus geht die ‚Kundschaft‘, also wir Bürgerinnen und Bürger nicht immer respektvoll mit diesen Menschen um. Was mir schon zu Ohren kommen ist, was sich Mitarbeitende des Rathauses so anhören mussten, obwohl sie ‚nur‘ für die Umsetzung der Regeln sorgen sollen, die sie nicht zu verantworten haben, die aber unerlässlich sind, um ein geordnetes Zusammenleben hier in Tutzing zu gewährleisten. Da würde ich mir viel mehr Love & Peace wünschen. In der Vergangenheit habe ich auch schon häufiger gehört, dass sich Bürgerinnen und Bürger mehr Information wünschten, diese im konkreten Fall aber auch problemlos bei einem Blick auf der Homepage zu bekommen waren. Über was soll die Verwaltung alles informieren? Wo ist der Anfang, wo das Ende? Und wo und wen soll sie informieren? Reicht es auf der Homepage? Sollten wieder Briefe versendet werden? Wie viele Mitarbeiter bräuchten wir um die Menschen adäquat zu informieren? Wenn wir eine zusätzliche Stelle schaffen, müssten wir auf etwas anderes verzichten. Was ist notwendiger? Der Mensch vom Bauhof, der täglich die Mülleimer leert oder der Mensch, der Informationen verteilt? Sollen wir die Feuerwehr gut ausstatten oder fehlt dann das Geld an dieser Stelle? Wir gehen als Gemeinderat mit Steuergeldern um und sind angehalten, sorgsam mit diesen umzugehen. Grundsätzlich ist immer zu wenig Geld da, um alle Wünsche zu erfüllen. Verwaltung, Bürgermeisterin und Gemeinderat stehen immer vor dem Problem, dass sie nicht allen Wünschen gerecht werden können, aber das Anspruchsdenken steigt. Es stehen die Haushaltberatungen für das nächste Jahr an. Der Gemeinderat wird sehen müssen, was sich die Gemeinde in 2023 leisten kann, nachdem das Geld für die Pflichtaufgaben der Gemeinde verteilt ist. Danach geht es darum, was dringend nötig sein wird um z. B.
... die Liegenschaften der Gemeinde zu sanieren (um z. B. Energiekosten zu sparen),
... was für unsere Hauptstraße angeschafft wird, um sie nach der Sanierung schön gestalten zu können,
... was Vereine für eine gute Arbeit benötigen,
... wie unterstützen wir Gewerbetreibende, Tourismus, Kultur, Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen?
... was müssen wir für die Katastrophenvorsorge anschaffen,
... welche Mittel geben wir für Hochwasserschutz und Klimaanpassung aus?
....
Wenn ich die Fülle der notwendigen und sinnvollen Ausgaben sehe, kann ich mir nicht vorstellen, dass der Gemeinderat eine zusätzliche Pressestelle genehmigen wird. Da Verwaltungsmitarbeitende auch ein Recht auf geregelte Arbeitszeiten haben, sehe ich momentan niemanden, der das zusätzlich übernehmen kann.“

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Kommentare

Für die klassische Lokalpresse war das kleine Tutzing hinter der Kreisstadt und einigen größeren Gemeinden immer schon nur eine Randnotiz.

Immerhin haben wir hiermit auch unsere "eigene" Plattform ausschließlich für Tutzing! Das könnten wir alle miteinander noch breiter und intensiver nutzen.

Auf der Ebene der lokalen Parteien muss man bzgl. Information der Bürger die Tutzinger Liste und die Arbeit der kleinen 1 Mann Fraktion sowie des Teams dahinter ausdrücklich loben. Webseite und Newsletter sind vorbildlich!
(Bearbeitet)
Gerne greife ich Ihre Einladung zur Diskussion auf, Herr Dr. Goslich.

– – – –

In Deinem letzten Kommentar, lieber Bernd, drückt sich eine beklemmende, den äußeren Rahmenbedingungen zugeschriebene Handlungsunfähigkeit aus. Du schreibst, dass die politischen Akteure angesichts des Geldmangels, dem überbordende Wählerwünsche und allerlei Sachzwänge entgegenstehen, am Rande ihrer Möglichkeiten angekommen seien. Informationen zur Verfügung zu stellen, das sei eine weitere Aufgabe, die unter diesen Rahmenbedingungen eine Überlastung darstelle. Für mich spricht daraus eine strukturelle Erschöpfung, der nun erst recht und dringend mit politischem Handeln begegnet werden müsste. So könnten zusätzliche Ressourcen durch die Mobilisierung zivilgesellschaftlichen Engagements gewonnen werden, siehe „Tutzing Klimaneutral 2035“, der Energiewendeverein, das Engagement des ADFC uam. gewonnen werden. Das GEK dürfte dafür eine Initialzündung sein, denn es steht für eine Einladung zur Mitgestaltung, die ihre Wirkung bei den Bürgern nicht verfehlt. Apropos Engagement und Information: Die Tutzinger Liste übernimmt einen nicht ganz unwesentlichen Teil des Informationsdienstes der Bürger schon heute in Bezug auf die Gemeinderatssitzungen. In ihrem Blog wird schon kurze Zeit nach jeder Veranstaltung ein ausführliches Protokoll veröffentlicht.
(Bearbeitet)
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