Von vorOrt.news

Defizite und Qualitäten von Tutzing

Warum Leitziele für die Gemeinde? - Interview mit Uli Dillmann von der „Tutzinger Liste“

Der Bürgerverein Tutzinger Liste e.V. hat im Mai im Gemeinderat einen Antrag auf Erstellung eines Handlungskonzepts für Tutzing gestellt. Der für die Gemeinde tätige Städteplaner Martin Büscher wurde im Juli vom Gemeinderat beauftragt, aus bereits vorhandenen Material eine Übersicht zusammenzustellen. Eine Diskussion darüber ist in der Gemeinderatssitzung am 6. Oktober vorgesehen. Im Interview verweist Uli Dillmann, der zweite Vorsitzende der Tutzinger Liste, auf eine Äußerung von Büscher: „Wir kennen die Defizite und Qualitäten von Tutzing und können das auch benennen.“ Damit scheine eine gute Grundlage für eine „Ist-Aufnahme“ vorhanden zu sein, sagt Dillmann. Er bedauert aber, dass für die Sitzung am 6. Oktober kein externer Moderator bestimmt worden sei. Denn eine externe Moderation wäre seiner Meinung nach von großem Nutzen. Der Sitzung des Gemeinderats am 6. Oktober sehe man mit großer Spannung entgegen.

Das folgende das Interview hat Lucie Vorlíčková von der Tutzinger Liste mit Uli Dillmann geführt und vorOrt.news zur Verfügung gestellt:

Wo Tutzing 2030 stehen soll

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Uli Dillmann sieht einige "ortsbauliche Defizite"

Herr Dillmann, worum geht es bei dem Antrag „Leitziele Tutzing 2030“ und „ISEK“ genau?

Uli Dillmann: Wir wollen die sprichwörtlichen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: unter den Bürger*innen einen tragfähigen sowie innerhalb des Gemeinderats einen parteiübergreifenden Konsens über ein klares Ziel definieren, nämlich wo Tutzing 2030 stehen soll und darauf aufbauend dann unsere Gemeindekasse durch Fördergelder von Bund und Land füllen, um einige unserer ortsbaulichen Defizite zu beheben. Um dies zu erzielen, empfehlen wir dem Gemeinderat jeweils unter Beteiligung der Bürgerschaft in einem ersten Schritt einen verbindlichen Handlungsrahmen („Leitziele“) für die Ortsentwicklung Tutzings festzulegen und darauf aufbauend in einem zweiten Schritt die Erstellung eines Integrierten Stadtentwicklungskonzepts, kurz ISEK. Dieses städtebauliche Entwicklungskonzept ist nämlich zwingende Voraussetzung für die Erlangung von staatlichen Fördergeldern.

Wenn Sie von der Behebung von ortsbaulichen Defiziten sprechen, woran denken Sie da konkret?

Uli Dillmann: Da fällt mir als erstes unser Ortskern ein. Der verdient jedenfalls eine Verschönerung, aber dringend auch Vitalisierung. Wir sehen als Folge des Strukturwandels im Einzelhandel und wohl auch der Pandemie die ersten geschlossenen Geschäfte. Diese sichtbaren Anfänge eines Rückgangs betrachten wir mit großer Sorge. Sowohl die Bürgerschaft als auch das dort angesiedelte Gewerbe benötigen aber einen intakten Ortskern. Darüber hinaus fallen mir unsere Fußwege ein. Die fehlen zum Teil ganz - siehe Bräuhausstraße - oder sie befinden sich in desolatem Zustand und bedürfen dringend der Sanierung. Ebenso die Unterführung der Bahnlinie in Höhe Beringerweg/Heinrich-Vogl-Straße ist für Fußgänger eine unzumutbare Gefahrenquelle. Und auch der Bahnhof und sein Umfeld sind in einem denkbar unwürdigen Zustand. Finanziell ist die Sanierung der Mittelschule bis heute nicht gesichert. Dies nur, um ein paar Beispiele zu nennen.

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Tutzinger Leerstände: (oben v.li.) Edeka und das Gebäude neben der VR-Bank, (unten v.li.) Andechser Hof und die frühere Tutzinger Modeboutique

Es geht um konkrete Zielsetzungen

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Fehlende oder mangelhafte Gehwege gehören zu den Kritikpunkten der Tutzinger Liste

Im Rahmen Ihrer Podiumsdiskussion im März unter dem Titel „Ortsentwicklung bei knapper Gemeindekasse - wie schaffen wir das?“ hat Josef Steigenberger, damals noch Bürgermeister von Bernried, das „Zukunftsbild Bernried 2030“ vorgestellt. Warum haben Sie den Begriff „Leitziele“ gewählt?

Uli Dillmann: Uns war es wichtig, bereits im Begriff selbst zum Ausdruck zu bringen, worum es bei diesem Prozess im Kern geht. Nämlich konkrete Zielsetzungen, die durch Prozesse und Handlungen in die Realität umgesetzt werden. Ein Leitbild oder Zukunftsbild dagegen ist nur ein Idealbild der Gemeinschaft und daher nicht mit Leitzielen zu verwechseln. Wir wollen, dass der Gemeinderat die gemeinsam vereinbarten Ziele durch effizientes Handeln erreicht. Die Zielerreichung ist dann auch objektiv messbar.

Die Tutzinger Liste verfügt lediglich über einen Sitz im Gemeinderat. Wie wollen Sie die „Leitziele Tutzing 2030“ und das ISEK durchsetzen?

Uli Dillmann: Ich gebe zu, dass uns der Auftakt zunächst irritiert hat, als die 1. Bürgermeisterin den Antrag auf Erstellung der „Leitziele Tutzing 2030“ und ISEK vom 6.5.2020 vom Gemeinderatsmitglied der Tutzinger Liste nicht auf die Tagesordnung der öffentlichen Sitzung gesetzt hat. Nach Intervention von unserem Gemeinderat Dr. Behrens-Ramberg wurde der Antrag dann aber doch noch am 28.7.20 in den öffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung aufgenommen. Bereits in der März-Ausgabe der „Tutzinger Nachrichten“ wird die Bürgermeisterin damit zitiert, dass sie „gerne zeitnah und in Zusammenarbeit mit den Bürgern an einem Zukunftskonzept für Tutzing arbeiten“ würde. Jetzt ist es Herbst. Wir sind überzeugt, dass die 1. Bürgermeisterin und der Gemeinderat die Notwendigkeit der Beseitigung ortsbaulicher Defizite und die Bedürftigkeit unserer Gemeindekasse (er)kennen und parteiübergreifend zum Wohle Tutzings dem Antrag entsprechen werden. Durch unsere Initiative wird einmal mehr die Bedeutung unseres Vereins deutlich, nämlich dass wir über unseren Sitz im Gemeinderat wichtige Anliegen unserer Bürger*innen zeitnah im Gemeinderat platzieren können.

Bürgerschaftliches Engagement ist von zentraler Bedeutung

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Uli Dillman plädiert für Verschönerung und Vitalisierung des Tutzinger Ortskerns © Fotos: Tutzinger Liste / L.G.

Wie ist der Bearbeitungsstand im Gemeinderat?

Uli Dillmann: Wichtig ist die Entscheidung, in den Prozess einzutreten, der über die Erarbeitung der „Leitziele Tutzing 2030“ zur Entwicklung des ISEK führt. Diese Entscheidung wurde noch nicht getroffen. Der gemeindliche Städteplaner Martin Büscher wurde in der Sitzung vom 28.7. beauftragt, aus dem vorhandenen Material eine Zusammenfassung aufzubereiten, die in der Sitzung am 6.10.2020 beraten werden soll. Herr Büscher äußerte sich bereits in der Sitzung so: „Wir kennen die Defizite und Qualitäten von Tutzing und können das auch benennen“. Das klingt vielversprechend. Da scheint eine gute Grundlage vorhanden zu sein, mittels der man die für das Konzept erforderliche Ist-Aufnahme schnell erstellen könnte. Schade nur, dass für die Sitzung am 6. Oktober kein externer Moderator bestimmt wurde. Eine externe Moderation wäre von großem Nutzen und ist im Rahmen von städtebaulichen Entwicklungskonzepten durchaus üblich. Wir empfehlen dies für die Zukunft sehr. Jedenfalls sehen wir der Sitzung des Gemeinderats am 6. Oktober mit großer Spannung entgegen.

Die Bürgerbeteiligung ist wesentliches Erfordernis für die Erlangung eines ISEK und der Fördergelder. Wie können sich die Bürger*innen einbringen?

Uli Dillmann: Bürgerschaftliches Engagement ist von zentraler Bedeutung für den Erfolg und gleichzeitig Förderbedingung. Wir haben daher dem Gemeinderat in unserem Antrag empfohlen, kurzfristig eine moderierte und „Corona-konforme“ Informationsveranstaltung einschließlich Befragungskatalog mit den Gemeindebürger*innen abzuhalten. Bis es soweit ist, berichten wir der Bürgerschaft regelmäßig über den aktuellen Bearbeitungsstand. Die Protokolle von Dr. Wolfgang Behrens-Ramberg aus den öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats und der Ausschüsse kann die Bürgerschaft in unserer Rubrik „Ortspolitik laufend frisch“ auf unserer Homepage oder im kostenlosen Abo per Email lesen. Wir freuen uns auch über Wortmeldungen/Kommentare auf unserer neuen digitalen Plattform https://www.tutzinger-liste.de (siehe Online-Kommunikation für den Ort An diesem virtuellen Ort können sich Engagierte treffen und fair miteinander diskutieren - auch gerne kontrovers.

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