So etwas gab es noch nie: Der Gemeinderat tourt mit seinen Sitzungen gewissermaßen durch Tutzing. Seine nächste Sitzung am kommenden Dienstag hält er im Auditorium der Akademie für politische Bildung ab. Für die ersten zwei Sitzungen seiner neuen Amtsperiode, die Anfang Mai dieses Jahres begonnen hat, hatte die Rathausverwaltung den Saal des Roncallihauses genutzt. Er bietet mehr Platz für den wegen Corona gebotenen Abstand als der Sitzungssaal des Rathauses.
Der Umzug ins Roncallihaus hat auch für eine komplett veränderte Sitzordnung gesorgt. Im Rathaussaal sitzen sich Gemeinderäte, Bürgermeister und Verwaltungsmitarbeiter normalerweise an Tischen, die zu einem Quadrat zusammengestellt sind, gegenüber. Damit können sie sich bei den Diskussionen anschauen. Für Zuhörer und Pressevertreter ist das zwar oft nicht einfach, weil mehrere Gemeinderäte ihnen den Rücken zukehren und in die andere Richtung sprechen. Akustisch sind die Beiträge von hinten deshalb häufig nur schwer zu verstehen, zumal manche Kommunalpolitiker eher leise reden. Für die Gemeinderäte selbst bietet die Sitzordnung im Rathaussaal aber Vorteile, weil die Blickkontakte eine persönliche Ansprache ermöglichen und der Anonymität entgegenwirken.
Im Roncallihaus ist dieser Effekt weggefallen. In dessen Saal saßen immer fünf Gemeinderäte an einzelnen Tischen hintereinander. Vier solche Tischreihen waren - mit Abstand - nebeneinander aufgebaut. Die Gemeinderäte blickten nach vorn zur Bühne, auf der erhöht Bürgermeisterin Marlene Greinwald und Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung saßen. Das erinnerte an ein Klassenzimmer und schien die Diskussion eher zu erschweren.
Hinzu kommt zurzeit ein gewisser Gewöhnungsprozess. Neun der 20 Gemeinderäte sind neu. Unter den Mitgliedern des Gremiums gibt es ohnehin deutliche Unterschiede in Sachen Eloquzenz. Die einen reden gern lang, manche wollen gar nicht mehr aufhören. Die anderen sprechen kurz und bündig, und einige melden sich nur sehr selten zu Wort. Bei den aktuellen Sitzungen kommt nun hinzu, dass sich die meisten der neuen Gemeinderäte ganz offensichtlich erst einmal in diese für sie ungewohnte Aufgabe hineinfinden müssen. Abläufe, Vorgehensweise und auch manche Tricks in den Sitzungen sind ihnen noch nicht vertraut.
Das erklärt wohl, weshalb sich einige von ihnen bisher mit Diskussionsbeiträgen noch erstaunlich zurückgehalten haben. Das scheint sich nach und nach zu ändern - die Gespräche erhalten auch von der Seite der „Neuen“ zunehmend Input. Doch einige erfahrene Gemeinderäte, die die Prozeduren, Strukturen und Schachzüge schon seit Jahren, manchmal Jahrzehnten kennen, haben sich in den ersten Sitzungen deutlich mehr zur Geltung gebracht, manchmal sogar die Diskussionen beherrscht. Wer seine Eloquenz geschickt einsetzt, kann, wie sich oft gezeigt hat, durchaus Entscheidungen beeinflussen. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich das große Auditorium der Akademie auf das Verhalten der Gemeinderäte auswirkt.
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