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Gute Kita - gutes Geld

Auffallende Unterschiede bei den Gebühren - Tutzing streicht Sozialstaffelung

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So unterschiedlich wie die Kinder ...

Berlin hat die Kita-Gebühren komplett abgeschafft. Tutzing streicht bisher von der Gemeinde gewährte Zuschüsse für sozial schwächere Familien zu den Kindergartengebühren, die die Eltern im Gegensatz zu Berlin nach wie vor zahlen müssen. Ein recht auffallender Unterschied. Was steckt dahinter?

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird eine flächendeckende Gebührenfreiheit gefordert. Davon ist Deutschland allerdings noch weit entfernt. Nach einem so genannten „Gute-Kita-Gesetz“ erhalten die Länder bis 2022 etwa 5,5 Milliarden Euro vom Bund zur Unterstützung und Weiterentwicklung der Kinderbetreuung.

Damit gehen die Länder aber sehr unterschiedlich um - und die Gebühren sind alles andere als einheitlich. Wie das Beispiel Berlin zeigt, werden zwar die Anfänge auf dem Weg zur kompletten Gebührenfreiheit gemacht. In Niedersachsen und in Hessen werden für Mädchen und Jungen ab drei Jahren keine Gebühren mehr fällig.

Der Wohnort ist maßgeblich für die finanzielle Belastung der Eltern

Doch in den meisten Regionen Deutschlands müssen Eltern immer noch gutes Geld für gute Kitas bezahlen - nämlich monatlich zwischen 30 Euro und fast 400 Euro, wie eine Bertelsmann-Studie ergeben hat. In vielen Ländern sind die Beiträge nach Einkommen der Eltern gestaffelt oder werden bei Bedarf von der Jugendhilfe übernommen.

Derzeit haben 17 Prozent der Eltern Haushaltseinkommen unterhalb der Armutsrisikogrenze, wie in der Bertelsmann-Studie berichtet wird. Zwei Drittel von ihnen zahlen Kita-Beiträge, obwohl diese immer noch vielfach sozial gestaffelt sind. Die Autoren der Bertelsmann-Studie kritisieren, dass der Wohnort maßgeblich über die finanzielle Belastung der Eltern entscheide: "Fairer wäre es, die Kita-Beiträge bundesweit einheitlich zu bemessen – etwa prozentual am Äquivalenzeinkommen." Das bedeute, dass nur der Teil des Einkommens in die Berechnung mit einfließen würde, der oberhalb der Armutsrisikogrenze liegt. Die Empfehlung der Bertelsmann-Autoren: "Armutsgefährdete Eltern sollten vollständig sowohl von den Kita-Beiträgen als auch den Zusatzgebühren befreit werden."

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Bayern hält Qualität für wichtiger als kostenlose Kitas

Bayern hält - wie auch Baden-Württemberg und Sachsen - an den Gebühren fest. Zum 1. September 2018 hatte Bayern ein Familiengeld eingeführt. Je Kind zwischen ein und drei Jahren gibt es 250 Euro monatlich, vom dritten Kind an 300 Euro monatlich. Außerdem bezuschusst Bayern die Elternbeiträge bei den Kindergartengebühren seit dem 1. April dieses Jahres mit 100 Euro je Kind bis zur Einschulung. Ab 2020 sollen auch Eltern ein- und zweijähriger Kinder den Zuschuss erhalten.

Der Mehrheit der bayerischen Eltern sei Qualität wichtiger als kostenlose Kitas, argumentiert das Sozialministerium. Zudem gebe es keine Anzeichen dafür, dass sich Eltern zurzeit keine Kinderbetreuung leisten könnten. Im Gegenteil sei die Betreuungsquote hoch. Tatsächlich wären die meisten Eltern bereit, für eine bessere Qualität noch höhere Kita-Beiträge zu bezahlen, wie die Bertelsmann-Studie belegt: 59 Prozent der Eltern oberhalb, aber auch 53 Prozent der Eltern unterhalb der Armutsrisikogrenze würden für mehr Personal und bessere Ausstattung auch höhere Beiträge akzeptieren. In Berlin sei die Qualität der Krippengruppen, gemessen am Personalschlüssel, deutlich schlechter als im Bundesdurchschnitt, bemerken die Autoren der Bertelsmann-Studie.

Tutzing war im Landkreis eine von zwei Gemeinden mit Sozialstaffelung

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... sind auch die Gebühren: Bilder an der BRK-Kinderkrippe neben dem Bahnhof in Tutzings Nachbargemeinde Feldafing © L.G.

In Tutzing gab es bisher eine so genannte Sozialstaffelung. Solche Gebührenermäßigungen bei Kindergartengebühren aus sozialen Gründen werden nun gestrichen, wie der Gemeinderat beschlossen hat. Es war eine freiwillige Maßnahme. Die neuen bayerischen Zuschussregeln haben bei der Entscheidung eine wichtige Rolle gespielt. Auch der Rechnungsprüfungsausschuss des Gemeinderats hatte diese Zuschüsse bereits kritisch unter die Lupe genommen. Er hatte darauf hingewiesen, dass es außer in Tutzing nur in einer einzigen anderen Gemeinde des Landkreises Starnberg eine solche Sozialstaffelung gebe.

Mehr als 100 Familien haben in Tutzing im Kindergartenjahr 2018/19 den kommunalen Zuschuss erhalten. Das machte zusammen rund 87 000 Euro aus. Bei den Sozialstaffelungen für Kinderkrippe- und Hortkinder sowie bei Geschwisterermäßigungen soll es zunächst bleiben. Dabei tritt der Landeszuschuss an die Stelle der kommunalen Förderung. Kindergarten-Referentin Stefanie von Winning (CSU) wies auf die Möglichkeit hin, dass bedürftige Eltern beim Landratsamt Starnberg entsprechende Anträge stellen können.

Bürgermeisterin: "Das Geld sollte für die pädagogische Arbeit verwendet werden"

Dr. Thomas von Mitschke-Collande (CSU) argwöhnte bereits, die Kindergärten würden nun aufgrund der Maßnahme der Staatsregierung vielleicht anfangen, die Gebühren zu erhöhen.

Bürgermeisterin Marlene Greinwald (Freie Wähler) zeigte sich mit den bayerischen Regelungen nicht einverstanden. Ihrer Meinung nach sollte das Geld für die pädagogische Arbeit verwendet werden: „Aber die Eltern bekommen es - es wird von den Kindergartengebühren abgezogen.“ Der Kindergarten bekomme es aufs Konto, er müsse es aber an die Eltern weiterreichen. Das sei politisch so gewollt, sagte die Bürgermeisterin: „Es ist praktisch ein Kindergeld.“

Ärmere Familien durch Kita-Beiträge höher belastet als wohlhabendere Eltern

Trotz vielerorts noch gültiger Sozialstaffeln ist die finanzielle Belastung durch Kita-Beiträge nach Darstellung der Bertelsmann-Stiftung ungerecht verteilt. Haushalte unterhalb der Armutsrisikogrenze müssen danach einen fast doppelt so großen Anteil ihres Einkommens für die Kita-Beiträge ihrer Kinder zahlen wie wohlhabendere Eltern.

Konkret bezahlen laut Bertelsmann Eltern, die über weniger als 60 Prozent eines durchschnittlichen Einkommens verfügen, monatlich durchschnittlich 118 Euro und damit zehn Prozent ihres Einkommens für den Kita-Besuch ihres Kindes. Bei Eltern oberhalb der Armutsrisikogrenze sind es dagegen nur rund fünf Prozent des Einkommens, im Durchschnitt 178 Euro.

Außerdem belasten Zusatzkosten wie für Ausflüge, Verpflegung oder Bastelmaterialen ärmere Haushalte mehr als doppelt so stark wie wohlhabendere Haushalte: Sie zahlen dafür nach den Berechnungen der Stiftung 3,3 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens, wohlhabendere Familien dagegen nur 1,4 Prozent. Bei diesen Zusatzgebühren - monatlich rund 45 Euro - spiele die finanzielle Lage der Familie bisher keine Rolle.

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