Was wird aus Tutzing? Diese Frage scheint hinter einem recht umfassenden Ansatz zu stehen: Die Gemeinde will für ihren zentralen Ortsbereich ein „Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept“ (ISEK) erstellen lassen. Dabei geht es möglicherweise um viel Geld: Ein ISEK gilt als Grundlage für sämtliche Programme der Städtebauförderung.
Das Untersuchungsgebiet hat die Gemeinde folgendermaßen definiert: „Zentrum Tutzing im Verlauf der Hauptstraße vom Bahnhof zum See mit besonderem Hinblick auf Denkmalpflege“.
Bisher haben die Kommunen in sehr unterschiedlichem Umfang solche Konzepte erstellt, um Fördergelder für ihre Entwicklung in Anspruch zu nehmen. Als wesentlich gilt dabei die Mitwirkung der Bevölkerung, die Ideen und Vorschläge einbringen soll.
Wahre Wunder scheinen sich manche Kommunen von „ISEK“ zu versprechen. Auf Usingen im hessischen Hochtaunuskreis werde „in den nächsten zehn bis 15 Jahren ein Geldsegen des Landes niederprasseln - bis zu einer Million Euro im Jahr“, stand im Mai dieses Jahres im „Usinger Anzeiger“. Hintergrund sei das Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept. Bürgermeister Steffen Wernard wird so zitiert: „Das ist für uns wie ein Sechser im Lotto.“
Die Gemeinde will auf starke Veränderungen vorbereitet sein
Die Gemeinde Tutzing argumentiert demgegenüber in einer im Gemeinderat vorgelegten Darstellung sachlich: Sie will nach eigenen Angaben auf starke Veränderungen vorbereitet sein und angemessen reagieren können. Konkret genannt werden Veränderungen im Bereich Handel und Kaufverhalten, Mobilität und Freizeitverhalten, eine sich wandelnde Bevölkerungsstruktur sowie der steigende Investitions- und Wachstumsdruck im Großraum München. Das alles habe bereits Spuren hinterlassen.
"Ein zukunftsorientiertes Handlungskonzept"
Als konkreten Anlass dieser Planung nennt die Gemeinde auch die geplante Sanierung der Ortsdurchfahrt an der Staatsstraße St 2063, „die in Tutzing die historische Hauptstraße im Ortskern bildet“. Sie sehe zu diesem Zeitpunkt die Chance, so die Gemeinde, einen „fundierten Beitrag“ zur Neuregelung des innerörtlichen - insbesondere auch des nicht motorisierten - Verkehrs und zur „Vitalisierung und Ausgestaltung dieser wichtigen Lebensader“ leisten zu können.
Das ISEK soll nach den Angaben der Gemeinde ein zukunftsgerichtetes Handlungskonzept sein, das mittel- und langfristig den Kernort insgesamt, im besonderen jedoch die zentralen Flächen in ihrer Funktion sichert, „stärkt und die traditionelle Nutzungsmischung sinnvoll und nachhaltig weiter entwickelt“. Im Fokus stehen sollen dabei folgende Aspekte: Wirtschaft, Dienstleistungen, Wohnen, Kultur, Gastronomie, der Erhalt und die adäquate Nutzung der ortsbildprägenden, teilweise unter Denkmalschutz stehenden Strukturen sowie der historischen Gebäude.
Der Gemeinderat hat zunächst vorbereitende Untersuchungen beschlossen. Damit leitet die Gemeinde die Vorbereitung der Sanierung ein. Näher geregelt ist die Vorgehensweise im Baugesetzbuch (BauGB). Erforderlich ist auch die Zustimmung der Regierung von Oberbayern zum Untersuchungsgebiet. Nach Angaben der Gemeinde hat eine Abstimmung mit der Regierung in dieser Angelegenheit bereits stattgefunden.
Eigentümer und Mieter sind zur Auskunft verpflichtet
Der Beschluss enthält auch einen Hinweis auf die Auskunftspflicht nach Paragraf 138 des Baugesetzbuchs. Insbesondere danach sind Eigentümer, Mieter, Pächter und sonstige zum Besitz oder zur Nutzung des Grundstücks Berechtigte oder ihre Bauftragten verpflichtet, der Gemeinde Tutzing oder ihren Beauftragten umfassend Auskünfte über Tatsachen zu erteilen, deren Kenntnis zur Beurteilung der Sanierungsbedürftgkeit eines Gebiets, zur Vorbereitung oder Durchführung der Sanierung erforderlich ist.
Nach Angaben von Bürgermeisterin Marlene Greinwald wird die Gemeinde nun Planungsbüros anschreiben.
Grundlage für die Ausschreibung ist ein so genanntes Leistungsbild, das der Architekt Martin Büscher von der Arbeitsgemeinschaft Prof. Burgstaller/Büscher erstellt hat und das aus sieben „Leistungsbausteinen“ besteht:
Am Anfang steht eine Bestandsaufnahme
Leistungsbaustein 1: Bestandsaufnahme und Bestandsanalyse, Rahmenbedingungen, Einflussfaktoren und Entwicklungen
Leistungsbaustein 2: Stärken- und Schwächenanalyse
Leistungsbaustein 3: Leitlinien, Ziele und Handlungsfelder der Ortsentwicklung
Leistungsbaustein 4: Rahmenplan und Maßnahmenkonzepte für Einzelmaßnahmen
Leistungsbaustein 5: Durchführungskonzepte
Leistungsbaustein 6: Organisations- und Beteiligungsstrukturen
Leistungsbaustein 7: Kommunales Denkmalkonzept (KDK)
Gutachten, Planungen, Prognosen: Alle vorhandenen Informationen fließen ein
Im „Leistungsbaustein 1“ geht es um Bestandsaufnahme und –analyse, Rahmenbedingungen, Einflussfaktoren und Entwicklungen. Es gibt zahlreiche Unterlagen, die in diesem ersten Schritt gesichtet und zusammengefasst werden sollen: Erhebungen, Gutachten und Planungen aus der Regionalplanung, dem Flächennutzungsplan, aus Bürgerforen, aus Gutachten der Gesellschaft für Konsumforschung, Verkehrsgutachten, Verkehrsprognosen des Straßenbauamts, die bestehende Überplanung der Hauptstraße, bestehende Ortsplanungen sowie rechtsgültige oder im Verfahren befindliche Bebauungspläne.
Folgende inhaltliche Schwerpunkte werden für den Leistungsbaustein 1 genannt:
Historische, ortsbildprägende Bebauung, Bau- und Bodendenkmäler, Eigentumsverhältnisse (privat/öffentlich)
Verkehr:
Durchgangsverkehr, Ziel- und Quellverkehr, ruhender Verkehr, Rad- und Fußwegesystem, Schienenverkehr mit öffentlichem Personennahverkehr und Park-and-Ride, Barrierefreiheit
Ortsstruktur:
Öffentlicher Raum, Nutzungsverteilung, Baudenkmäler, Ensembles, Blickbeziehungen, Gemeinbedarf, Bildung
Grün- und Freiflächen: Grünflächen, Grünbestände, Landschaft auf Baugrundstücken
Wirtschaftsstruktur (Einzelhandel, Handwerk, Industrie) und Tourismus: Entwicklung
Demografische Entwicklung.
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