Es ist der Bebauungsplan Nummer 92 in Tutzing: „Gröschlstraße Südost“. Am kommenden Dienstag, dem 16. Oktober, steht er wieder beim Bau- und Ortsplanungsausschuss des Tutzinger Gemeinderats auf der Tagesordnung. Kurz vor den Sommerferien hatte der Ausschuss ihn gebilligt. Er sieht eine maßvolle Verdichtung der dortigen Bebauung vor. Der Bebauungsplan ist dann nochmals „beschleunigt“ ausgelegt worden. Diesmal geht es im Ausschuss um die Behandlung der eingegangenen Stellungnahmen.
Oft sind es sehr langwierige Verfahren, die sich lange hinziehen. Intensiv mit ihrer Bearbeitung befasst ist die Arbeitsgemeinschaft Burgstaller/Büscher der Architekten Prof. Florian Burgstaller und Martin Büscher. Doch sie kommen kaum noch hinterher, denn es werden immer mehr Bebauungspläne.
„Wir sind knapp vor den 100“, sagte Büscher jetzt im Gemeinderat, als er Details erläuterte. Mittlerweile sei die Nummer 98 erreicht worden. Der betrifft das Klostergelände zwischen Gröberweg, Hauptstraße und Bahnhofstraße - ein möglicherweise vor einer interessanten Weiterentwicklung stehender Teil von Tutzing, direkt im Anschluss an die Neubebauung auf dem früheren Gelände von Boehringer Mannheim und Roche. Die Nummer 97 trägt der Bebauungsplan „Oskar-Schüler-Straße / Traubinger Straße“ - ebenfalls ein Gebiet im Ortszentrum, das vor einer Neubebauung steht.
Stellungnahmen der "Träger öffentlicher Belange" sind oft Belehrungen
Das „Jubiläum“ ist also abzusehen: Tutzings Bebauungsplan Nr. 100. Weil die Bebauung sonst allzu sehr wild ins Kraut zu schießen scheint, sind die Rufe nach immer neuen Bebauungsplänen in den vergangenen Jahren immer lauter geworden. Nun aber sind es so viele geworden, dass die Gemeinde die Geister, die sie gerufen hat, schier nicht mehr los zu werden scheint.
Bebauungspläne seien mittlerweile zu sehr komplexen Verfahren geworden, sagte Büscher. So ziehen sich notgedrungen lange hin. Das liegt nach Büschers Worten auch daran, dass immer neue Fragen einbezogen werden müssen. Ein Dauerbrenner in Tutzing ist beispielsweise ein Thema, das früher so gut wie keine Rolle gespielt hat: die Versickerung. Und wenn mal ein Bebauungsplan endlich mühevoll bearbeitet und einigermaßen fertiggestellt ist, dann geht es erst so richtig los: Dann wird er öffentlich ausgelegt - und dann haben andere das Wort: die Bürger und die so genannten „Träger der öffentlichen Belange“.
Da gehen dann alle möglichen Anmerkungen ein. Behörden, aber auch Organisationen und Unternehmen aus allen Richtungen geben Hinweise, machen Bedenken geltend. Oft kann man sich darüber nur wundern, was da so alles ellenlang zu Papier gebracht wird. Denn vielfach wird lediglich auf Aspekte aufmerksam gemacht, die sowieso in Gesetzen und sonstigen Regelwerken stehen. Da beschränken sich die Bemerkungen so mancher Behörde tatsächlich auf die Belehrung, dass die betreffenden Regelungen zu beachten seien - als wenn das nicht selbstverständlich wäre.
"Bewohner haben wenig Verständnis für die langwierigen Verfahren"
Aber den Verantwortlichen, also der Bauverwaltung im Tutzinger Rathaus, den Planern und den Gemeinderäten, macht das alles enorm viel Arbeit. Sie müssen jede einzelne dieser Anmerkungen - ob wirklich erforderlich oder vollkommen überflüssig - überprüfen, dazu eventuell Stellung nehmen, im Gemeinderat oder einem seiner Ausschüsse darüber sprechen und entscheiden, wie sie damit umgehen. Die Arbeitsgemeinschaft Burgstaller/Büscher hat kürzlich sogar eigens eine Broschüre für die Bauleitplanung erarbeitet, die sie den Gemeinderäten für ihre künftigen Tätigkeiten zur Verfügung gestellt hat.
Da die Arbeit mit den Bebauungsplänen nur noch schwer zu bewältigen ist, beauftragt die Gemeinde Tutzing inzwischen mehrere Planungsbüros mit der Bearbeitung von Bebauungsplänen. So ist die Gemeinde Mitglied im Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München geworden, um auch von ihm Bebauungspläne ausarbeiten zu lassen. Speziell für die Tutzinger Ortsteile soll außerdem das Schongauer Planungsbüro Hörner zuständig sein.
Ob das alles zu Beschleunigungen führt, ist bisher schwer zu erkennen. Äußerungen von Gemeinderäten lassen daran eher zweifeln. In der jüngeren Vergangenheit haben mehrere von ihnen - darunter auch solche, die gern noch mehr Bebauungspläne fordern - immer wieder die langwierigen Verfahrensdauern beklagt und sich über Rückstaus beschwert. Kein Wunder: Von betroffenen Bauherren, die die langen Verzögerungen und wohl auch mit ihnen verbundene Kostensteigerungen in Kauf nehmen müssen, werden sie wahrscheinlich oft auf die Problematik angesprochen, und dazu müssen sie dann irgendetwas sagen. „Die Bewohner haben, wie wir feststellen, wenig Verständnis dafür, dass die Verfahren so komplex und langwierig sind“, bestätigte im Gemeinderat auch Büscher. Ortsplanungsreferent Wolfgang Marchner, einer der besonders kritischen Begleiter des Baugeschehens, kleidete das Dilemma vor einiger Zeit fast schon sarkastisch in folgende Worte: „Die Bauherren wollen ja noch zu ihren Lebzeiten bauen.“
Bebauungspläne für bereits bebaute Gebiete gelten als besonders schwierig
Aber wo ist die Lösung? Bebauungspläne würden zunehmend als Mittel der Gemeinde erkannt, die städtebauliche Entwicklung zu steuern, sagte Büscher im Gemeinderat. Ansonsten sei es nur möglich, Baurecht über den Paragrafen 34 des Baugesetzbuchs zu definieren, sich bei Neubauten also an der bisherigen Bebauung in der Umgebung zu orientieren. Und das bringe sehr unterschiedliche Ergebnisse mit sich, „die im Gemeinderat oft zu Erstaunen führen“.
So kommt es trotz aller Probleme regelmäßig zu Forderungen nach noch mehr Bebauungsplänen. Büscher gab sich aber in dieser Hinsicht deutlich zurückhaltend. Die Steuerung der Gestaltung über Bebauungspläne, sagte er, werde seit fünf Jahren stark eingeschränkt. Als besonders schwierig bezeichnete er es, Bebauungspläne für bereits bebaute Gebiete zu erarbeiten. Dann müsse man nämlich „erst mal alles aufnehmen, was da ist“. Gerade bei gewachsenen Gebieten empfahl er den Gemeinderäten deshalb, genau zu prüfen, „ob der Bebauungsplan der richtige Weg ist“.
Auffallend sind in Tutzing übrigens viele Befreiungsanträge, also Versuche von Bauwerbern, doch anders zu bauen, als es nach einem Bebauungsplan erlaubt ist. Tatsächlich befürworten auch die Tutzinger Gemeinderäte immer wieder mal derartige Befreiungsanträge - was ja nichts anderes bedeutet, als dass doch nicht alle Bürger gleich behandelt werden. Auch in dieser Hinsicht aber wird alles strenger. Die Regelwerke ließen kaum noch Abweichungen von den Bebauungsplänen zu, sagte Büscher: „Sonst stellt man letztlich den Bebauungsplan in Frage.“
Alle Bürger können in Bebauungspläne Einsicht nehmen
In Bebauungspläne kann jedermann Einsicht nehmen. Darauf weist das Landratsamt Starnberg ausdrücklich hin. Ein sogenanntes berechtigtes Interesse müsse nicht nachgewiesen werden. Grundsätzlich kann und soll nach Angaben des Landratsamts jeder Bebauungsplan bei der jeweiligen Gemeinde eingesehen werden, da die aufstellende Gemeinde zum einen rechtlich verpflichtet ist Auskünfte (ist ein Bebauungsplan vorhanden?, welcher Inhalt?) zu erteilen, zum anderen an dieser Stelle Informationen aus erster Hand gegeben werden können.
Nähere Informationen:
https://www.lk-starnberg.de/B%C3%BCrgerservice/Bauen-und-Wohnen/Bauwesen/Einsichtnahme-in-Bebauungspl%C3%A4ne
Die Tutzinger Bebauungspläne findet man im "Geographischen Landkreis Informationssystem Starnberg" (GeoLIS):
https://geolis.lk-starnberg.de/GeoLISmapapps/resources/apps/Bebauungsplaene/index.html?lang=de
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