„Der Hof ist mein Rückzugsort“, sagt Marlene Greinwald. Gleichzeitig ist ihr völlig klar: „Bürgermeister ist ein Fulltime-Job.“ Wie wird das werden mit der Liebe zum Bäuerlichen, wenn es klappt mit dem Sprung an die Rathausspitze? Da gibt sich die Tutzinger Vizebürgermeisterin und Kandidatin der Freien Wähler recht gelassen. Als Frau, sagt sie, sei man viel flexibler als ein Mann. Von ihrer Familie fühlt sie sich gut unterstützt, und auch sonst gebe es gute Mitarbeiter auf dem Hof. Für den Haushalt aber wird sie jemanden brauchen, das ist ihr klar.
Flexibilität, Offenheit für Neues, nicht an alten Zöpfen festhängen: So beschreibt die 56-Jährige auch ihre Leitlinien in der Kommunalpolitik. Ein Bürgermeister ist für sie kein Entwickler, sondern jemand, der moderiert, der neue Ideen zulässt, der Fachwissen einbezieht. Mit dieser Linie will sie das Amt führen, wenn sie gewählt werden sollte. So beispielsweise bei der umstrittenen Frage, ob es an der Einmündung der Lindemannstraße in die Hauptstraße einen Kreisverkehr geben soll: „Einiges spricht für einen Kreisel, einiges für eine Einmündung - ich bin da offen, ich will die sicherste Möglichkeit.“
"Man muss sehen, was möglich ist"
Neue - zumindest bisher in Tutzing nicht oder wenig eingeschlagene - Wege könnten nach ihrer Überzeugung bei so manchen schwierigen Themen weiterhelfen. Etwa, wenn es um die Versuche geht, trotz der enormen Immobilienpreise bezahlbaren Wohnraum auch für weniger betuchte Menschen und junge Familien zu schaffen, damit sie überhaupt in Tutzing wohnen können. Da könnte Genossenschafts-Wohnbau nach ihrer Meinung interessante Potenziale eröffnen. Wie das beispielsweise in Wien vorgemacht wird, beeindruckt sie offenkundig. In Genossenschaftsmodellen sieht sie für viele Menschen eine Möglichkeit, die nicht in eine Einheimischenmodell wollen.
Kein Dogma bilden für Marlene Greinwald auch die 600 Quadratmeter Mindestgröße für Baugrundstücke, die die Tutzinger Ortsbausatzung vorgibt. Häuser auf kleineren Grundstücken will sie nicht generell ausschließen, vor allem, wenn es auf diese Weise in Tutzing zu günstigeren Wohnungen kommen kann. Auf keinen Fall aber will sie immer nur der Gewinnmaximierung durch Bauträger Vorschub leisten.
Eine gewisse Offenheit sollte es nach Auffassung von Marlene Greinwald auch bei Wohngebieten geben: Nicht störendes Gewerbe, meint sie, könnte man durchaus zulassen. Einer Umwandlung von Wohngebieten in Mischgebiete, um dies zu ermöglichen, stünde sie positiv gegenüber: „Man muss sehen, was möglich ist.“ Ein wenig mehr Flexibilität würde sich offenkundig auch von manchen Immobilieneigentümern wünschen. „Die bauen in Tutzing in bester Lage und lassen die Räume dann leer stehen“, sagt sie eher verständnislos mit einem Seitenblick zum Beispiel auf den Gewerbekomplex „Foursite“ in Bahnhofsnähe. Anscheinend seien die Räume zu teuer. Dabei sei die Lage optimal zu den öffentlichen Verkehrsmitteln, auch die Büros seien sehr schön. Vielleicht könnte eine Leerstandssatzung helfen, die bei allzu lange ungenutzten Räumen Bußgelder nach sich zieht? Ausschließen will sie so etwas nicht, wenn es wohl auch nicht ganz einfach ist.
Plädoyer für Offenheit
Gewerbe jedenfalls hält Marlene Greinwald für erforderlich: „Wir wollen ja kein Schlafort sein.“ Arbeits- und Ausbildungsplätze seien erforderlich, Handwerksbetriebe seien wichtig für den Ort, und die Gemeinde benötige Gewerbesteuer. Gewerbebetriebe bräuchten aber Grundstücke, die sie erwerben können. Die seien aber inzwischen so teuer, dass es sich viele nicht mehr leisten können. Folgen: „Wir werden nicht drum herum kommen, im Außenbereich Gewerbe anzusiedeln.“ Auch in dieser Hinsicht also ein gewisses Plädoyer für Offenheit. Für potenzielle Gewerbegebiete gebe es viele Gespräche. Möglichkeiten sieht sie in Traubing und in Kampberg. Gewerbe müsse aber zum Ort passen.
Offen sein will Marlene Greinwald auch gegenüber Wünschen der Bürger, wie sie bekräftigt. Bei wichtigen Projekten für Tutzing kann sie sich gut eine „Bürgerwerkstatt“ vorstellen, wie es sie zum Beispiel in Feldafing bei den Vorbereitungen zur Konversion des Bundeswehrgeländes gibt. In Tutzing wäre die absehbare Überplanung des Bahnhofs-Areals für sie so ein Projekt.
Auch bei der Sanierung der Hauptstraße, die durch Bürgerforen begleitet wird, sieht sie die Notwendigkeit, verschiedene Aspekte einzubeziehen - von den Bemühungen um Aufenthaltsqualität bis zur Erreichbarkeit der Geschäfte. So etwa, was die Parkplätze betrifft: Einige von ihnen würden wegfallen, aber längst nicht alle, versichert sie. Die meisten sollten ihrer Meinung nach erhalten bleiben.
"Sonntagmorgens gehe ich in den Stall, wie andere zum Joggen gehen"
Für die kommunalpolitische Arbeit gibt es nicht nur in der Tutzinger Familie Greinwald Vorbilder. Vater und Großvater von Marlene Greinwald waren Gemeinderäte in der damaligen Gemeinde Birten, die heute ein Teil von Xanten ist. Bauernhof und Kommunalpolitik - diese Kombination wird sie zweifellos auch begleiten, wenn sie Bürgermeisterin wird. „Sonntagmorgens gehe ich in den Stall, so wie andere zum Joggen gehen“, sagt sie. In so einer Umgebung ist sie in Birten aufgewachsen, 30 Kilometer von der holländischen Grenze entfernt. Ihr Onkel Siegfried Kuhlendahl war einer der Gründungsväter beim Anbauverband Bioland. „Ich war immer schon infiziert vom biologischen Landbau“, erzählt sie.
Nach dem Abitur absolvierte sie eine landwirtschaftliche Lehre, dann wollte sie Bayern, Kanada und Neuseeland kennenlernen. In Dietlhofen bekam sie eine Stelle auf dem damaligen Biohof von Fred Wenig. Im Sommersemester der Landwirtschaftsschule in Weilheim lernte sie auf einem Hof in Bernried Martin Greinwald kennen, ihren heutigen Mann. Im Jahr ihrer Heirat wurde der Greinwaldhof in einen Bioland-Hof umgewandelt, von der Milchviehhaltung wurde dann 1992 auf Pferdehaltung umgestellt - „alles biologisch“, betont sie. Flexibilität hat sie halt schon immer begleitet - auch in der Landwirtschaft.
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