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Tutzing wird Fair-Trade-Gemeinde

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Vorreiter in Sachen Fair-Trade: der Tutzinger Weltladen © L.G.

Vor der Bürgermeister-Wahl am Sonntag hat am Dienstag noch einmal der Gemeinderat eine Sitzung abgehalten. Dabei gab es gewissermaßen ein Signal mit Vorgaben für die Zukunft: Tutzing wird eine „Fair-Trade-Gemeinde“. Entgegen einer ursprünglichen Planung wurde dies beschlossen. Eigentlich hatte die amtierende Bürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg (CSU) anfangs gesagt, dass die Thematik lediglich erläutert werden solle. Die Entscheidung sei nicht zwingend erforderlich, es sei fairer, sie dem neuen Bürgermeister zu überlassen. Nach einer Aussprache wurde dann aber doch abgestimmt.

Das Zertifikat Fair-Trade-Stadt oder -Gemeinde – ursprünglich „Fair-Trade-Town“ – wird von einer anerkannten Fair-Trade-Zertifizierungsstelle mit dem Ziel vergeben, entsprechend zertifizierte Waren im Rahmen des so genannten fairen Handels zu fördern. Die Klimaschutzmanagerin des Landkreises, Josefine Anderer-Hirt, war bei dieser Gelegenheit erstmals in ihrer bisher vierjährigen Tätigkeit in den Tutzinger Gemeinderat eingeladen worden, wie sie sagte. Nach ihren Worten werden immer mehr Kommunen im Landkreis Starnberg zu Fair-Trade-Gemeinden oder streben dies zumindest an. Ebenfalls in den Gemeinderat gekommen war Claudia Wiefel. Sie ist „Regionalpromotorin“ im „Eine Welt Netzwerk Bayern e.V.“, das sich für globale Gerechtigkeit und zukunftsfähige Lebensweise einsetzt.

Dem Beschluss sind jahrelange Vorstöße vorausgegangen

Bereits seit Jahren hatte es Vorstöße gegeben, Tutzing zur Fair-Trade-Gemeinde zu machen. Es hatte sogar Vermutungen gegeben, dies sei längst beschlossen worden, sagte Bernd Pfitzner von den Grünen, die nun den Antrag gestellt haben. Doch kein Beschluss zur Fair-Trade-Gemeinde Marlene Greinwald (Freie Wähler) verwies darauf, dass es der verstorbene Bürgermeister Rudolf Krug dieses Thema zur Chefsache erklärt habe. Er habe es wegen seiner Krankheit nicht weiter verfolgen können, man habe sich aber in der Hoffnung auf seine Genesung an seinen Wunsch gehalten.

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Fair-Trade-Hoffnungen werden auch mit dem Tutzinger Handel verbunden © L.G.

Marchner empfindet "einen gewissen Zwang zum Gutmenschentum"

Für ein gewisses Aufsehen sorgte im Gemeinderat dessen ältestes Mitglied Wolfgang Marchner (Bürger für Tutzing). „Vielleicht bin ich der einzige in diesem Rat“, sagte er, „der das alles skeptisch sieht.“ Er empfinde „einen gewissen Zwang zum Gutmenschentum“. Ihm fehlten zudem konkrete Informationen beispielsweise darüber, wer das alles kontrolliere und wohin die Gewinne gingen. „Wir haben so etwas wie Ökoterror in der Gesellschaft“, fügte er hinzu, „vom Feinstaub bis zum Auswechseln der Kachelöfen“. Für ihn nehme das alles überhand.

Nimbach: "Es geht nicht um Gutmenschen, sondern um Gerechtigkeit"

Mit diesen Äußerungen blieb Marchner allein. Mehrere andere Gemeinderäte hielten teils energisch dagegen. „Ich bin gern ein Gutmensch in diesem Bereich“, sagte Brigitte Grande (CSU). Thomas Parstorfer (CSU) sprach von einer „guten Sache für Tutzing“. Es gehe nicht um Gutmenschen, sondern um Gerechtigkeit, sagte Christine Nimbach (Grüne), dass die Menschen auf der Welt gerechten Lohn für die Arbeit bekämen, dass keine Gifte auf den Äckern versprüht würden, dann die Menschen nicht früh an Krankheiten sterben müssten. „So wie ich lebe, das wünsche ich mir auch für andere Menschen“, sagte sie. Dr. Thomas von Mitschke-Collande (CSU) widersprach Marchner „fundamental“. Fairtrade sei eine „tolle Sache“: „Wir sollten Zeichen setzen.“

Regionalpromotorin Wiefel: Man sollte wissen, was hinter den Produkten steht

Claudia Wiefel, die selbst ein Jahr für die Bundesregierung in Tansania war, berichtete davon, dass in dem afrikanischen Land Kinder auf Kaffeeplantagen arbeiten müssten. „Wir alle tragen Verantwortung“, sagte sie, „das hat für mich nichts mit Gutmenschentum zu tun.“ Nach ihrer Meinung sollte man wissen, „was hinter den Produkten steht, die man konsumiert“. Dennoch bezeichnete sie kritische Stimmen als gut. Es gehe um eine gerechtere Welt, im Welthandel gebe es ein Ungleichgewicht. Nicht nur „irgendwelche Produkte und Kriterien“ spielten eine Rolle, sondern die Kinder sollten auf die Zukunft vorbereitet werden, „wenn wir nicht mehr da sind“. Sie sei manchmal schockiert darüber, dass auch Lehrkräfte wenig über dieses Thema wüssten. Zu den Fair-Trade-Kriterien zählen nach ihren Angaben unter anderem auch Fair-Trade-Produkte in Supermärkten, Gastronomiebetrieben und öffentllichen Einrichtungen einer Gemeinde wie Tutzing. Beispielsweise sollte auch bei Gemeinderatssitzungen "fairer Kaffee" angeboten werden.

Um eine einzige Änderung bat Dr. Heinrich Reiter (Freie Wähler): Die Formulierung „Fair-Trade-Town“ in den Unterlagen gefiel ihm nicht, „Fair-Trade-Gemeinde“ ist ihm lieber. Das soll geändert werden - und für die Fair-Trade-Gemeinde gab es nach der Diskussion dann doch einen einstimmigen Beschluss. Er stimme „aus Solidaritätsgründen“ dafür, sagte Marchner.

Quelle Titelbild: L.G.
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