Kommentar
11.8.2024
Von Michael Ehgartner

Das Einheimischenmodell – eine Lösung für Tutzing?

Baugrundstücke für Einfamilienhäuser sind in Tutzing teuer. Das liegt zum einen an den hohen Grundstückspreisen, die sich auch nach der Zinswende scheinbar nicht reduziert haben (siehe aktuelle Bodenrichtwertkarte des Landkreises Starnberg), und zum anderen an der Mindestgrundstücksgröße von 600 m², die in der Tutzinger Ortsbausatzung geregelt ist. Bei einem Bodenrichtwert von zuletzt nicht unter 1.350 € im Hauptort und einem minimalen Grundstück von 600 m² ergibt sich alleine schon ein Baulandpreis von über 800.000 €. Mit der entsprechenden Bebauung (egal ob nun Neubau oder Bestand) ist es kaum mehr möglich, ein Einfamilienhaus für weniger als 1 Million € zu erwerben.

Es gibt viele Menschen in Tutzing, die sich bei diesen Preisen den Traum vom Einfamilienhaus nicht erfüllen können. Immer wieder kommt daher aus der Bevölkerung und auch aus dem Gemeinderat die Forderung nach einem Einheimischenmodell. Der Name klingt gut, das Konzept bringt die Gemeinschaft aber nicht weiter. Im Gegenteil: Meines Erachtens schädigt dieser „Wiedergänger“ unter den wohnungspolitischen Forderungen sogar die Gemeinschaft. Weil in der kommunalpolitischen Debatte dafür in der Regel keine Zeit bleibt, würde ich hier auf Vor-Ort-News das Einheimischenmodell und seine Folgen gerne einmal ausführlicher diskutieren und bin gespannt auf die Kommentare.

In der klassischen Form funktioniert das Einheimischenmodell so, dass die Gemeinde Bauland entwickelt und es an Personen, die bestimmte, vorab festgelegte Kriterien erfüllen unter dem Marktwert abgibt. Weil diese Vorgehensweise auch europarechtlichen Anforderungen genügen muss, sind Personen, die die genannten Kriterien erfüllen in der Regel nicht ausschließlich „Einheimische“. Es müsste also eher als „Personen, die die Kriterien erfüllen“-Modell bezeichnet werden, die europarechtliche Thematik soll aber im Folgenden komplett ausgeblendet werden.

Tutzing ist mit seiner exklusiven Lage zwischen See und Landschaftsschutzgebiet nicht gerade mit Entwicklungsflächen gesegnet. Aktuell verfügt die Gemeinde über keine Grundstücke, auf denen in größerem Umfang Wohnbauland entwickelt werden kann. Gehen wir aber mal davon aus, dass die Gemeinde Tutzing bei der Erstellung des geforderten Einheimischenmodells richtig erfolgreich ist und angenommene 10 Bauparzellen so entwickelt, dass die Gemeinde sie für jeweils 100.000 € unter dem Marktwert ausschließlich an Einheimische anbieten kann.

Was wäre der Effekt bei der begünstigten einheimischen Bevölkerung?
Es gäbe also 10 Familien in Tutzing, die für ihr Einfamilienhaus statt der oben genannten 1 Million nur 900.000 € zahlen müssten. Der profitierende Teil der Bevölkerung wären also Familien, die ohnehin schon einen hohen Teil des Marktpreises aufbringen können, ja vielleicht auch schon in der Lage wären, zum vollen Kaufpreis zu erwerben. Das Einheimischenmodell bringt also nicht das Einfamilienhaus für alle, es hilft im Idealfall den Familien, die es sich knapp nicht leisten können über die Schwelle und führt im ungünstigeren Fall zu bloßen Mitnahmeeffekten von Familien, die auch ohne Einheimischenmodell ein Einfamilienhaus gekauft hätten.

Weil es um eine wesentliche Ersparnis geht (hier im Beispiel 100.000 €, eine nur unwesentliche Ersparnis würde ja wahrscheinlich ausschließlich zu Mitnahmeeffekten führen und wäre daher auch von den Einheimischenmodell-Befürwortern gänzlich abzulehnen), ist zu erwarten, dass mehr Familien Baugrundstücke haben wollen, als von der Gemeinde angeboten werden können. In der Regel wird diesem Problem mit einem Losverfahren begegnet, weil das noch am fairsten bzw. transparentesten erscheint. Unzufriedenheit bis hin zu Klagen von Seiten der nicht berücksichtigten Familien ist allerdings vorprogrammiert.

Ein schönes Beispiel, was da bei einem Einheimischenmodell so alles passieren kann ist das Projekt Wiesengrund in der Stadt Starnberg.

Wie wirkt sich das Einheimischenmodell auf Seite der Gemeinde aus?
Die Gemeinde könnte die 10 Parzellen in obigem Beispiel grundsätzlich jeweils zu 100.000 € mehr verkaufen. Sie subventioniert den Eigentumserwerb der begünstigten Personen also mit 1 Million €. Geld das die Gemeinde natürlich nicht hat.

Ein zweiter Effekt ist aber, dass die Gemeinde auf jeder Fläche nur eine Entwicklung realisieren kann. Alle Flächen, die für ein Einheimischenmodell verwandt werden sind für andere dringende Bedarfe wie Erweiterungsflächen für ansässige Gewerbebetriebe oder bezahlbaren Wohnraum verloren.

Was ist der langfristige wohnungspolitische Effekt?
Wenn das geförderte Grundstück einmal nicht mehr von der ursprünglichen Familie genutzt wird (Umzug, Trennung, Todesfall, … die Gründe können vielfältig sein) wird es in der Regel zum Marktpreis veräußert. Beispiele finden sich regelmäßig auf den einschlägigen Immobilienportalen. Die Förderung ist damit vollständig im Vermögen der ursprünglich geförderten Familie aufgegangen. Für die nachfolgende Person in der Nutzung ist es damit völlig egal, ob eine Immobilie erworben wird, die Bestandteil eines Einheimischenmodells war oder eine andere private Immobilie. Der Preis ist der gleiche.

Darin unterscheidet sich das Einheimischenmodell von anderen wohnungspolitischen Fördermaßnahmen. Ein Grundstück, das etwa dem Verband Wohnen oder einer Genossenschaft zur Verfügung gestellt wurde, schafft dauerhaft vergünstigten Wohnraum, auch wenn die Benutzer wechseln.

Wenn sich die Gemeinde Tutzing wieder wohnungspolitische Fördermaßnahmen leisten kann, sollte sie meines Erachtens Varianten wählen, in denen der Bestand gefördert wird und nicht die Bewohner. Das hat nichts mit Neid zu tun. Günstiger Wohnraum bleibt in Tutzing, wohingegen die Förderung von Personen mit dem Wegzug verschwindet.

Insgesamt handelt es sich beim Einheimischenmodell zugespitzt also um eine Lotterie zugunsten des Vermögensaufbaus eines nur bedingt einheimischen und ohnehin schon privilegierten Teils der Bevölkerung und zulasten der Steuerzahlenden ohne bleibenden Effekt für den heimischen Grundstücksmarkt. Da fallen mir bessere Sachen ein, die die Gemeinde Tutzing mit ihren nicht vorhandenen finanziellen Mitteln realisieren kann.

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Quelle Titelbild: pixabay
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Kommentare

Obwohl ich mich nicht der grünen Ecke zuordne muss ich der Darstellung von Herrn Ehgartner uneingeschränkt zustimmen.
Allerdings möchte ich mich zur Mindestgrundstücksgröße äußern. Man könnte herauslesen, wäre die Mindestgrundstücksgröße kleiner als 600 m², wären die Bauplätze billiger. Das wär sicher nicht der Fall, denn in entsprechendem Maße würden die Quadratmeterpreis steigen. Den Preis regelt die Nachfrage und bei diesem Zuzugsdruck nach Tutzing kann man sie überhaupt nicht befriedigen. Dies würde nur zu einer übermäßig dichten Bebauung führen, die zu Tutzing nicht passt aber keinen weiteren Effekt hätte.
Vorweg Herr Ehgartner, Ihr Link bzgl. Hans Jochen Vogel funktionierte leider nicht ("Fehler 404 - Nanu, die gesuchte Seite konnten wir leider nicht finden"). Ist auch nicht so wichtig, da ich mich an einen TV Beitrag erinnere, in dem der legendäre Sozialdemokrat noch zu Lebzeiten seinen Ansatz selbst erläuterte. Allerdings schon damals wie auch heute weit ab von realen politischen Mehrheiten innerhalb & außerhalb deutscher Parlamente.

Das Vogelsche Konzept hat eben auch dunkle Schattenseiten...
-> Die Möglichkeit zum privaten Immobilienbesitz motiviert viele Bürger zur Leistung und zur Lebensplanung über den Tag & sogar über die eigene Lebensspanne hinaus.
-> Immobilieneigentum ist ein wichtiger Teil der privaten Altersvorsorge ... wurde uns immer gepredigt, und das stimmt ja auch.
-> Außerdem mißbraucht längst nicht jeder sein Immobilieneigentum.
-> Die Allermeisten gehen sogar außergewöhnlich verantwortungsvoll damit um (zumeist verantwortungsvoller, als mit Immobilien, die einem nicht selbst gehören), und behalten auch das Gemeinwohl stets mit im Auge.

Am Ende läuft das auf eine Form der Verstaatlichung von Grund & Boden hinaus; das gab's doch bereits oft genug in der Geschichte. In der Theorie klang das immer sooo toll, aber hat es auch mal in der neueren Geschichte real funktioniert und das Leben der Menschen in der Breite nachhaltig besser gemacht?
Oder wurden bei vergleichbaren Groß-Experimenten dann doch immer die großen Vermögen mit Ausnahmetatbeständen bevorzugt und vor allem die Kleineren gnadenlos durch die Prinzipenmühle gedreht? Wer dann über diesen verstaatlichten Grund & Boden im kleinen Klüngel verfügte, war selten gegen die Verlockungen von Machtmißbrauch, Korruption & Vetternwirtschaft immun.

Angesichts der Tutzinger Haushaltslage sind Einheimischen Modelle & Co. zur Zeit wohl auch nicht unsere drängendsten Probleme.
Angesichts der Wohnungsnot bzw. der extremen Immopreise für Kauf oder Miete, sollte Tutzing vielleicht eher darüber nachdenken & breit diskutieren wieder mehr Bauhöhe freizugeben wie einst in der Kellerwiese.
Das hilft dann nebenbei gesagt auch gegen Zersiedelung und zunehmende Flächenversiegelung.
(Bearbeitet)
Bei der Schaffung eines neuen Einheimischenmodells würden wir große Ressourcen (Flächen und Kapital) binden, um wenige Familien fördern zu können. Weil ich die Ressourcen gerne besser einsetzen würde, lehne ich das Modell ab. Trotzdem kommen immer wieder diese Forderungen und ich will verstehen, was die Fordernden da bewegt. Und auch wenn auf vorOrt news die Debatte üblicherweise endet, nachdem die Haupt(beruflichen)kommentatoren sich umfänglich eingebracht haben, würde ich sie gerne offen halten, insbesondere auch für die Personen, die sich ein Einheimischenmodell wünschen.

Für mich ist eine Person, die mehrere Hunderttausend Euro in eine Immobilienfinanzierung einbringen kann nicht per se unredlich. Auch dann nicht, wenn das Geld von den Großeltern kommt. Dann waren es halt die, die als „durchschnittliche Bürger“ und „ohne Vitamin B mit Fleiß“ und Weitsicht am Vermögensaufbau der Enkel gearbeitet haben. Eine Person mit über 100.000 € Eigenkapital ist zwar im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich vermögend, insbesondere in unserer Gemeinde aber nicht sonderlich elitär. Die Frage, warum manche Menschen das nötige Eigenkapital aufbringen können und andere nicht, ist eine verteilungspolitische Frage. Über Verteilungspolitik werden wir hier auf vorOrt news keine Einigkeit erzielen, aber vielleicht darüber, dass wir diese Aufgabe nicht auch noch unserem Grund und Boden übertragen sollten. Als es noch den großen Gewerbesteuerzahler gab und Tutzing so viele Einheimischenmodell-Grundstücke hatte, dass die Chance für Bewerber groß war, mag das noch anders gewesen sein. Aber im Hinblick auf die Kassenlage der Kommune und unter Berücksichtigung des beschränkten Angebots an Grundstücken halte ich es heute nicht mehr für sinnvoll, dass auf kommunaler Ebene über die Wohnungspolitik die Vermögensbildung der (wenigen, zufällig ausgewählten) Bürger gefördert wird. Da habe ich ein Gerechtigkeitsproblem.

Es gab in den bisherigen Beiträgen einige Vorschläge, wie verhindert werden könnte, dass der Effekt des Einheimischenmodells auf die lange Sicht verpufft (z.B. Vorteil zurückzahlen lassen, Ausgestaltung als Erbbaurecht). Am weitesten geht da der Vorschlag von Hans-Jochen Vogel (Mehr Gerechtigkeit!: https://www.herder.de/geschichte-politik/shop/p4/78882-mehr-gerechtigkeit-kartonierte-ausgabe/), der den Boden vereinfacht gesagt grundsätzlich in ein öffentliches Eigentum und eine vorübergehende private Nutzungsmöglichkeit aufspalten will. Das Erbbaurecht kommt dem schon sehr nahe. Wie so oft fallen Theorie und Wirklichkeit da aber auseinander. Tutzing hatte wohl mal einen sehr progressiven Gemeinderat, der für das damalige Einheimischenmodell Top-Erbbaurechtsverträge ausgestaltet hatte, mit allem was man sich aus Sicht der Gemeinde nur wünschen kann (und heute europarechtlich wahrscheinlich gar nicht mehr möglich wäre). Raten Sie mal, was passiert ist? In der Folge wurde von einem wahrscheinlich weniger progressiven Gemeinderat ein großer Teil der Erbbaurechtsgrundstücke an die Erbbauberechtigten verkauft. Erbbaurechtsgrundstück und Erbbaurecht sind wieder zusammengefallen und wir waren wieder beim Volleigentum. Die angesprochenen „Stellschrauben“ fürs Einheimischenmodell müssen vollzogen und durchgehalten werden. Da habe ich meine Zweifel. Wer kann garantieren, dass sich der Gemeinderat zur Finanzierung des kommunalen Haushalts (etwa zur Sanierung einer Schule) zu einem späteren Zeitpunkt nicht gezwungen sieht, die beschränkenden Stellschrauben zu veräußern?
Herr Wagner führt Stichpunkte an, die zeigen sollen, dass es im Einheimischenmodell genügend Stellschrauben gibt, um "einen bestimmten" Wohnpolitischen Effekt zu erzielen. Es wird nicht ganz deutlich, was er damit meint. Deutlich wird jedoch, dass seine Ausführungen faktische Evidenz vermissen lassen. Um das nachvollziehbar werden zu lassen, muss ins Detail gegangen werden:

Einkommensobergrenze und Eigentumsverbot:

Herr Wagner erwähnt, dass Bewerber eine Einkommensobergrenze einhalten und kein Wohneigentum besitzen dürfen. Dies klingt zunächst plausibel, doch sind die Immobilienpreise in Tutzing so hoch, dass sich nur Erben oder sehr wohlhabende Personen ein Haus leisten können. Die Vermögenssituation wird jedoch im Einheimischenmodell nicht berücksichtigt, obwohl sie entscheidend ist. Dies ignoriert Herr Wagners Argument vollständig, womit er mit seinen Ausführungen Herrn Ehgartners Kritik in der Sache verfehlt.

Rückkaufsrecht der Gemeinde:

Herr Wagner führt an, dass die Gemeinde ein Rückkaufsrecht für 20 Jahre hat. Die kirchenmausarme Tutzinger Gemeinde wäre aber finanziell nicht in der Lage, diese Grundstücke zurückzukaufen, insbesondere angesichts steigender Immobilienwerte. Um sie dann, was wiederum teuer wird, erneut unter Marktpreis in ein Einheimischenmodell zu überführen. Dies macht das Rückkaufsrecht praktisch irrelevant und natürlich komplett unwirtschaftlich - was der Punkt von Herrn Ehgartner war. Auf den Herr Wagner also gar nicht eingeht.

Verkauf innerhalb der ersten 20 Jahre:

Herr Wagner betont, dass das Haus in den ersten 20 Jahren nur an Personen verkauft werden darf, die die Kriterien des Einheimischenmodells erfüllen. Es ist jedoch so, dass Eigentumshäuser in so einer Lage selten so schnell wieder veräußert werden. Familien ziehen ein, Eltern werden dort alt und vermachen die Immobilie einige Jahrzehnte nach dem Einzug an ihre Kinder. Damit hat Herr Wagners Argument in der Praxis wenig Bedeutung.

Größe der Grundstücke und Art der Bebauung:

Herr Wagner erwähnt, dass es nur Doppelhäuser oder Mehrspänner mit kleineren Grundstücken gibt. Herr Ehgartner kritisiert jedoch das gesamte Konzept des Einheimischenmodells, unabhängig von der genauen Grundstücksgröße, da es nur einer begrenzten Anzahl von Familien hilft und keine langfristige Lösung für den Wohnraummangel bietet.

Architektonische Vorgaben:

Herr Wagner weist auf die architektonischen Vorgaben hin, die durch einen Bebauungsplan geregelt sind. Dies mag zwar zutreffen, ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Kritik von Herrn Ehgartner, dass das Einheimischenmodell nur kurzfristige Vorteile für wenige Familien bietet und keinen nachhaltigen Effekt auf den Wohnungsmarkt hat.

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Insgesamt zeigt sich, dass Herr Wagner zwar einige technische Details des Einheimischenmodells aufgreift, aber die wesentlichen Argumente von Ehgartner nicht direkt adressiert. Und damit wäre wir beim politischen Aspekt, der ebenfalls von Herrn Wagner zur Sprache gebracht wird, indem er Herrn Ehgartner der "Grünen Ecke" zuordnet.

Haarscharf am eigentlich Punkt vorbeizuargumentieren, das ist ein rhetorischer Kniff. Man muss den nicht einmal der rechten Ecke zuordnen, von der diese Kunst in allen Zeiten bis zur Perfektion verfeinert wurde. Auf der Suche nach den Ursprüngen reist man in der Geschichte stattdessen ein wenig zurück und stößt alsbald auf Schopenhauer. Der beschrieb dieses rhetorische Muster in seinem Werk "Eristische Dialektik" oder "Die Kunst, Recht zu behalten". Er nannte es "Kunstgriff 2" und bezeichnete es als "Die Homonymie" oder "Äquivokation".

Dieser Kunstgriff besteht darin, den Standpunkt des Gegners zu erweitern oder in einem anderen Sinne zu nehmen, als er gemeint ist, um ihn dann (in verfälschter Form) leichter widerlegen zu können. Man argumentiert also nicht direkt gegen die eigentliche Aussage des Gegners, sondern gegen eine leicht veränderte oder erweiterte Version davon.

Kann man machen. Man sollte sich dabei halt nicht erwischen lassen ;-)
Einige mir bekannte Fakten zu den bisher in Tutzing realisierten Einheimischen-Modelle (z.B. Am Kallerbach, Am Schorn) gaben gezeigt, dass damit nicht dauerhaft günstiger Wohnraum geschaffen werden kann. Spätestens nach Ende der Bindungsfrist (20 Jahre sind ein sehr kleiner Zeitraum für Immobilien) fällt die Wertsteigerung denen zu die in der "Verlosung" der Grundstücke Glück gehabt haben. Diese Flächen stehen dem sozialverträglichen Wohnen nicht mehr zur Verfügung. Der Personenkreis, den Sie beschreiben, Herr Wagner hat außerdem noch ein anderes Problem: Die Finanzierung. Das Beispiel aus unserem Nachbarlandkreis zeigt das: https://www.merkur.de/lokales/weilheim/weilheim-ort29677/ist-das-klassische-einheimischenmodell-ein-auslaufmodell-91866721.html. Kurzum: Wer Generationenübergreifend und dauerhaft bezahlbaren Wohnraum für wirtschaftlich nicht ganz so gut gestellte Personen schaffen möchte, sollte nicht das Einheimischen-Modell wählen.
Im Folgenden einige mir aus der Vergangenheit bekannte Fakten zum Thema Einheimischenmodell in Tutzing:

- Für die Bewerber gilt eine Einkommensobergrenze
- Die Bewerber dürfen kein Wohneigentum besitzen
- Für mindestens 20 Jahre hat die Gemeinde ein Rückkaufsrecht auf das Grundstück (ggf. gibt es auch Erbpacht)
- In den ersten 20 Jahren darf das Haus nur an Personen verkauft werden, die die Kriterien des Einheimische-Modells erfüllen.
- Man muss schon eine bestimmte Zeit in Tutzing gelebt haben
- Es gibt nur Doppelhäuser oder Mehrspänner mit deutlich kleineren Grundstücken als die im Artikel erwähnten 900 qm pro Haus
- Die maximale zulässige Wohnfläche ist begrenzt
- Die Architektur ist durch einen Bebauungsplan vorgegeben

Wie obige Liste zeigt, gibt es bei einem Einheimischemodell genügend Stellschrauben um einen bestimmten wohnpolitischen Effekt zu erzielen.

Es kann ja gerne über verschieden Formen zur Wohnungsförderung von Familien in Tutzing diskutiert werden. Jede hat Vor- und Nachteile. Wichtig ist es den Bedürfnissen der einheimischen Bevölkerung gerecht zu werden. Ich finde es aber unredlich, wie in diesem Artikel geschehen, wichtige Fakten zu unterschlagen und das Einheimischenmodell generell so negativ darzustellen als ob in der Vergangenheit beim Einheimischenmodell nur Menschen berücksichtigt wurden, die sich sowieso auf dem freien Markt ein Haus hätten leisten können. Dass diese Art der Darstellung aus der Grünen Ecke kommt wundert nicht.
(Bearbeitet)
Andererseits könnte in entsprechenden Verträgen schon vereinbart werden, dass Weiterverkäufe zeitlich ausgeschlossen sind und spätere "Zugewinne" wieder an die Gemeine zurückfließen müssen.
Die Vergabe von Erbbaurechten wäre u.U. auch überlegenswert.
Auch ich danke Herrn Ehgartner für seinen nachdenkenswerten Artikel inkl. Denkanstoß.
Nicht nur für finanziell knappe Kommunen machen Investitionen in dauerhaft sozialen Wohnraum sehr viel mehr Sinn, als in diverse Modelle, bei denen die Rolle der Kommune kaum über die eines Zwischenhändlers zu Lasten der Steuerzahler hinausreicht.

Kleine Einschränkung: Auch beim vergünstigten Einheimischen Modell bezahlt kaum jemand die Immobilie vom sprichwörtlichen Festgeldkonto, sondern muss zur Kreditabteilung. Insoweit können auch durchschnittliche Bürger profitieren; beispielsweise soziale Aufsteiger, die sich zuvor auch ohne Vitamin B mit Fleiß & Bildung eine sichere berufliche Existenz aufgebaut haben.

Falls es noch keine juristischen Möglichkeiten zur Einheimischen-Bindung ähnlich der Sozialbindung gibt (ob zeitlich begrenzt oder dauerhaft), müsste man eben entsprechende Regeln aufstelle; beispielsweise:
-> Wenn der Käufer nicht ebenfalls die voraussetzenden Subventionskriterien erfüllt, muss die Subvention rückerstattet werden?
-> Die Einheimischen-Subvention nicht als Verbilligung beim Erstkauf konstruieren (die schlimmstenfalls bereits im nächsten Moment verpufft sein kann), sondern als zinsfreien oder minimalverzinsten Sozialkredit, der später zurückgezahlt werden kann (um frei von Auflagen zu werden) oder zurückgefordert wird, sobald die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind?
(Bearbeitet)
Dieser Artikel sollte automatisch an die erste Position im vorOrt.news-Feed aufrücken, sobald in Tutzing eine politische Partei oder ein Gemeinderatsmitglied das Einheimischenmodell fordert. Innerhalb von drei Minuten Lesezeit werden die Leser umfassend darüber informiert, warum Einheimischenmodelle nicht die beste Methode sind, um das größtmögliche Gemeinwohl zu erreichen.
Da kann ich nur zustimmen.????
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