Kommentar
11.12.2023
Von Michael Ehgartner

Schulungen für Mitglieder des Gemeinderates

Durch die Vorstandschaft der Tutzinger Liste - Weitere ThemenvorschlägeDer Autor ist Gemeinderatsmitglied der Grünen in Tutzing

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Ein Mitglied des Gemeinderates muss echt eine Menge wissen, um die Aufgabe ernsthaft ausfüllen zu können. Von den kommunalen Finanzen bis zum Bauplanungsrecht, von der Geschäftsordnung bis zur Friedhofssatzung. Ich bin kein Jurist und habe noch nicht einmal in einer anderen Disziplin promoviert. Deshalb bin ich in diesem Bereich auf Weiterbildung angewiesen. In der Regel hole ich mir mein Wissen von den kommunalen Spitzenverbänden, wie zuletzt im November 2023 bei einem dreitägigen Seminar des bayerischen Selbstverwaltungskollegs allein zum Thema Rechnungsprüfung. Ich weiß, dass nicht alle Ratsmitglieder auch noch die Zeit für mehrtägige Weiterbildungen aufbringen können, deshalb freut es mich sehr, dass es sich die Vorstandschaft der Tutzinger Liste in letzter Zeit zur Aufgabe gemacht hat, die aktiven Mitglieder des Gemeinderates auf vorOrt.news in kommunalrechtlichen Themen zu schulen.

Beim Ausschluss wegen persönlicher Beteiligung nach Art. 49 der bayerischen Gemeindeordnung hätte ich zunächst gedacht, dass das ein alter Hut ist, da dieses Thema ja zu den kommunalrechtlichen „Basics“ gehört und wahrscheinlich in jedem Einführungsseminar vorkommt. Der gestrige Tag hat mir aber gezeigt, dass es da doch noch Schulungsbedarf gibt. Denn während Frau Vorlíčková von der Tutzinger Liste online erklärt hat, wie sich ein befangenes Mitglied im Rat zu verhalten hat („Saal verlassen“), konnte man fast zeitgleich beobachten, wie sich das Gemeinderatsmitglied der Tutzinger Liste selbst in einem Fall der persönlichen Beteiligung tatsächlich verhält.

Tatsächlich ist es so, dass ein wegen persönlicher Beteiligung ausgeschlossenes Mitglied nach herrschender Meinung die gleiche Stellung hat, wie ein Zuhörer. In nichtöffentlicher Sitzung heißt das dann wirklich den Saal bzw. den Ortstermin zu verlassen, in öffentlicher Sitzung reicht es aber auch den Platz am Beratungstisch zu verlassen und im Zuhörerraum Platz zu nehmen.

Die anderen Mitglieder des Rates müssen wissen, dass ein Fall der persönlichen Beteiligung vorliegt

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Viel zu lesen für Mitglieder des Gemeinderates © Michael Ehgartner

Die Gefahr, die bei persönlicher Beteiligung besteht, ist ja eigentlich, dass ein Gemeinderatsmitglied zu seinen Gunsten Einfluss nehmen könnte. Diese Möglichkeit der Einflussnahme beschränkt sich natürlich nicht nur auf die Zeit der Beratung und Abstimmung. Die Mitglieder des Gemeinderates und der Verwaltung verbringen sehr viel Zeit miteinander, sodass automatisch zwischen diesen Personen über die Jahre auch persönliche Beziehungen entstehen, die ein Mitglied des Rates etwa auch nutzen könnte, um vorab zu seinen Gunsten Einfluss zu nehmen.

Um diese Gefahr einschätzen und bewerten zu können, müssen die anderen Mitglieder des Rates also wissen, dass ein Fall der persönlichen Beteiligung vorliegt. Nicht umsonst regelt die Gemeindeordnung in Art. 49 Abs. 3, dass der Gemeinderat als komplettes Organ (natürlich ohne das betroffene Mitglied) entscheidet, ob ein Fall der persönlichen Beteiligung vorliegt. Es handelt sich also nicht um einen inneren Monolog des gegebenenfalls auszuschließenden Mitglieds, sondern die Sache muss vor Eintritt in den Tagesordnungspunkt zur Sprache gebracht werden und dem Rat zur Kenntnis kommen. Deshalb mag es juristisch noch in Ordnung sein, reicht aber meines Erachtens moralisch nicht, wenn die beteiligte Person für den Tagesordnungspunkt auf die Toilette verschwindet.

Das Mitglied des Rates ist damit bei einem eigenen Bauantrag tatsächlich schlechter gestellt, als alle anderen Bürger. Letztere können ihre Bauanträge anonym stellen, während beim Ratsmitglied wegen des Ausschlusses wegen persönlicher Beteiligung sofort klar ist, dass es sich um einen eigenen Antrag oder um den einer angehörigen Person handelt. Vielleicht ein bisschen unfair, aber wegen der Transparenz nötig.

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Öffentlichkeit versus Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflicht

Wie ist nun also die Tutzinger Liste als Trägerin des Wissens um Artikel 49 GO gestern mit ihrer persönlichen Beteiligung umgegangen? Das Ratsmitglied ist etwa zwei Finger breit vom Ratstisch abgerückt und hat sich nicht zu dem Tagesordnungspunkt geäußert. Den meisten anderen Ratsmitgliedern dürfte die persönliche Beteiligung damit erst bekannt geworden sein, als sich das Mitglied am Ende bei der Abstimmung enthalten hat (das geht nämlich nur in diesem Fall). An der Zuhörerschaft ist der Akt wahrscheinlich völlig vorbei gegangen.

Hier bedarf es also meiner Ansicht nach noch viel an Aufklärungsarbeit, die hoffentlich nicht nur auf den Splitter im Auge des Bruders gerichtet ist, sondern auch den Balken im eigenen Auge nicht gänzlich übersieht. Und wenn die Vorstandschaft der Tutzinger Liste das mit der persönlichen Beteiligung dann allen Mitgliedern des Gemeinderates beigebracht hat, habe ich direkt einen Vorschlag für das nächste Thema in dieser Weiterbildungsreihe:

Der Vorstandschaft der Tutzinger Liste ist das Thema Transparenz sehr wichtig. Vielleicht sollten wir uns als nächstes mit Artikel 52 der Gemeindeordnung (Öffentlichkeit) befassen. Also was ist öffentlich zu behandeln und was nicht öffentlich. Dabei sollten wir aber unbedingt auch den Artikel 20 der Gemeindeordnung (Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflicht) bearbeiten. Hier sehe ich eigentlich den größten Schulungsbedarf.

Weitere Informationen zu diesem Thema

Der in diesem Beitrag erwähnte Kommentar befindet sich unter diesem Artikel:
Seewärme und Bürgersolarpark

Zu diesem Thema hat die Tutzinger Liste auf ihrer Webseite diesen Beitrag veröffentlicht:
https://www.tutzinger-liste.de/blog/befangenheit-wenn-ein-gemeinderat-schweigen-muss/

ID: 6408
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Kommentare

Ich halte Herrn Dr. Behrens-Ramberg für einen der integersten Menschen, die ich im Rahmen meiner Ratsarbeit kennen lernen durfte. Ich traue ihm weder zu, dass er sich durch sein Mandat persönliche Vorteile verschafft, noch kann ich mir vorstellen, dass er die Person ist oder zu den Personen gehört, die Informationen aus dem nicht öffentlichen Teil der Sitzung weitergeben.

Falls durch obigen Text dieser Eindruck entstanden ist, tut es mir aufrichtig leid. Das war nicht beabsichtigt und ich entschuldige mich dafür.

Ich freue mich, dass nunmehr in ausführlichen Gesprächen alle Missverständnisse zwischen Mitgliedern der Vorstandschaft der Tutzinger Liste und der Gemeinderatsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausgeräumt wurden und wie ich meine auf beiden Seiten echtes Verständnis entstanden ist. Mit der Planung zweier gemeinsamer Anträge (zum Umgang mit Situationen persönlicher Beteiligung und zur Transparenz bei der Beauftragung von Planungsleistungen) haben wir sehr konstruktiv wieder zur Sacharbeit zurückgefunden.

Auch wenn dadurch der Unterhaltungswert leiden mag, empfehle ich für alle hitzigen Debatten auf vorOrt.news spätestens nach der dritten Runde ein persönliches Treffen oder zumindest den Griff zum Telefon. Das Ergebnis wird deutlich besser.
Also wenn eine parteienunabhängige Gruppierung wie die Tutzinger Liste, deren Vorstand auch noch im Gemeinderat sitz, die Parteien für ein eigenes Anliegen schulen will, hat das schon ein „Geschmäckle“.
(Bearbeitet)
Wir hatten soeben ein konstruktives Telefonat mit Herrn Ehgartner. Er wird seinen Kommentar hier noch näher erörtern bzw. missverständliche Äußerungen betreffend Dr. Behrens-Ramberg klarstellen.
(Bearbeitet)
Danke, Herr Ehgartner!

Allerdings - wenn das nicht namentlich benannte Gemeinderatsmitglied sich bei der Abstimmung tatsächlich enthalten hat, hat es sich immer noch nicht richtig verhalten, und das hätte dem Gemeinderat als Gremium oder der Bürgermeisterin als Versammlungsleiterin auffallen dürfen. Mit einer Stimmenthaltung nimmt man an einer Abstimmung teil. Nach Art. 49 BayGO kann jedoch ein GR-Mitglied unter den dort genannten Bedingungen an Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen.
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