Kommentar
21.6.2022
Von Lucie Vorlíčková, Stefanie Knittl

„Albers für alle“: Das unwürdige Petitionsverfahren

KOMMENTAR: Ein Präzedenzfall intransparenter und zynischer MachtpolitikDie Autorinnen leben in Tutzing. Sie sind Initiatorinnen der Petition "Albers für alle"

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Gleich vorweg: Es geht hier nicht um das Ergebnis! Dieses lautet: „Die Petition ist abgelehnt“. Es geht um die Umsetzung des Petitionsverfahrens. Das negative Ergebnis der Petition ist, wenn auch mit großem Bedauern, hinzunehmen. Das diesem im Bayerischen Landtag vorangegangene intransparente und zynische Petitionsverfahren dagegen nicht!

Grundrecht auf Beschwerde, ja - aber kein Anspruch auf ein würdiges Petitionsverfahren

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Beschwerde gegen "Staatsbedarf“ für ein wertvolles Anwesen am Westufer des Starnberger Sees vom Landtag nicht ernst genommen? Eine Luftaufnahme aus der Zeit, als der Schauspieler Hans Albers dort wohnte

Das Grundgesetz (Art. 17) gibt jedermann das Recht, sich mit Beschwerden und Bitten an seine Volksvertreter zu wenden. Dieses Grundrecht auf Eingaben und Beschwerden ist in Art. 115 der Bayerischen Verfassung verankert, die Regeln dafür in einem eigenen Bayerischen Petitionsgesetz. Damit sind Petitionen für „Bürgerinnen und Bürger ein äußerst wirkungsvolles Instrument zur politischen Mitwirkung“ – so sieht es jedenfalls der Bayerische Landtag.

Aber wie schaut es mit der praktischen Umsetzung von Beschwerdeverfahren aus? Ein Kalauer unter Anwälten lautet: „Petitionen sind form-, frist- und fruchtlos“. Sicher nicht nur, weil rund 70 Prozent der Petitionen in Bayern tatsächlich „fruchtlos“ enden. Petenten hierzulande bleiben im Gegensatz zu anderen Staaten nämlich immer nur Bittsteller (ein Verfahren „auf Augenhöhe“ gibt es zum Beispiel in Österreich). Aber auch wenn diesem - immerhin verfassungsmäßigen - Bittgesuch keine einklagbaren Pflichten der Volksvertreter auf ein wirksames Verfahren gegenüberstehen, müssten dann nicht trotzdem gewisse rechtsstaatliche Grundsätze bei der Verfahrensdurchführung eingehalten werden? Darf der Bayerische Landtag eine anerkannt sachlich fundierte Beschwerde gegen einen angemeldeten „Staatsbedarf“ an einem wertvollen Anwesen am Westufer des Starnberger Sees für etwa 20 Studierende tatsächlich - wie bei „Albers für alle“ geschehen - einfach nicht ernst nehmen? Die Petition also sang und klanglos verhungern lassen? Die Petentinnen dabei sogar einschüchtern, was sie vor den Volksvertretern laut sagen dürfen und was nicht? Sie entgegen des Grundrechts auf Meinungsfreiheit darum bitten, ihre vorbereitete Rede nicht vorzulesen? Und das mit der diffamierend ausgedrückten Begründung, sie sei „populistisch“?

Das ganze Petitionsverfahren auf Landtagsebene war schlichtweg unwürdig. Dabei handelt es sich immerhin um das Kontrollorgan der Staatsregierung. Auch bei lediglich Bittstellern sollte das Verfahren durch rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze und integres Handeln der Akteure geprägt sein. Das Petitionsverfahren HA.0240.18 müsste sich Landtagspräsidentin Aigner also mal genauer anschauen. Und das nicht nur, weil die Wahrung der Würde des Landtags zu ihren Aufgaben zählt, sondern auch, weil sie in der Causa Albers-Anwesen persönlich von der Staatsregierung gefoppt wurde (zum Beispiel in dem an sie gerichteten Schreiben des damaligen Wissenschaftsministers Bernd Sibler).

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Bayern „Vorreiter“ für öffentliche Behandlungen – Warum dann „Albers für alle“ nicht?

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Albers-Villa von nah: Solche Bilder des Anwesens sind selten, denn die Allgemeinheit hat keinen Zutritt zu dem Gelände

Wie bringt es der Freistaat mit seiner von ihm propagierten „Vorreiterrolle“ in Einklang, Petitionen als einziges Bundesland „grundsätzlich öffentlich“ zu behandeln, „Albers für alle“ dann aber hinter verschlossenen Türen zu beschließen? Dabei stellt er selbst zuvor fest, es bestehe „außerordentliches öffentliches und mediales Interesse“. Durch die nicht-öffentliche Behandlung gerade dieser Petition verwehrt der Landtag den beiden Petentinnen, der Öffentlichkeit und sogar der Presse, den zentralen Meinungs- und Willensbildungsprozess der 22 Landtagsabgeordneten zu verfolgen, der zur Ablehnung der Bürger-Petition führte.

So bleibt es mehr als fraglich, ob und in welcher Tiefe überhaupt eine Auseinandersetzung mit der zehnseitigen Petition stattgefunden hat. Allein die Dauer der nicht-öffentlichen Sitzung und deren volle Agenda lässt daraus schließen, dass dies wohl nicht mehr als die sogenannte „akademische Viertelstunde“ gedauert haben konnte – dabei umfasst die Petitionsakte rund 70 Seiten.

Auch die den Petentinnen nachgesendete Stellungnahme des Wissenschaftsministeriums sorgt weder für Klarheit noch für Transparenz und schon gar nicht für eine kritische Berichtserstattung der vierten Gewalt über dieses Petitionsverfahren. Denn Papier ist ja bekanntlich geduldig und kann keine mündliche Debatte und die dort naturgemäß authentischeren Wortmeldungen ersetzen.

Macht das Bayerische Petitionsgesetz den Bock zum Gärtner?

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Initiatorinnen der Petition "Albers für alle" und Autorinnen dieses Beitrags: Lucie Vorlíčková (links) und Stefanie Knittl © Fotos: Burkhard Mücke unter CC BY-SA 4.0 / privat

Dass Bayern aber das einzige Bundesland ist, das Petitionen nicht stets in einem eigenen Petitionsausschuss behandelt, versteckt der Freistaat dagegen geschickt im Amtsdeutsch der Petitionsbroschüre: Es gilt das Fachausschussprinzip und nur wenn kein Fachausschuss für eine Petition zuständig ist, wird die Petition im Petitionsausschuss behandelt. Das Grundgesetz (Art. 45c Abs. 1) hat dem Bundestag auferlegt, einen eigenen Petitionsausschuss zu bestellen. Alle anderen Bundesländer haben dies in ihren Länderparlamenten ebenfalls umgesetzt. Warum geht Bayern einen Sonderweg über die Fachausschüsse? „Albers für alle“ gibt dafür eine mögliche Antwort: Dann wird die Beschwerde gegen den getroffenen Beschluss von denselben Abgeordneten bearbeitet, die zuvor den bestrittenen Beschluss gefasst haben – praktisch, nicht wahr? Dabei ist das „Vier-Augen-Prinzip“ allgemein anerkannter Goldstandard.

Warum aber hat man den Petentinnen nicht die Bitte erfüllt, ihre Petition freiwillig (!) an den Petitionsausschuss zu leiten, anstatt sie im Haushaltsausschuss zu behandeln, der zwar für Liegenschaften zuständig ist, aber das Nutzungskonzept für die Technische Universität München (TUM) im Sommer 2021 selbst beschlossen hat? Dass Ausnahmen vom Fachausschussprinzip die Regel sind, bestätigte den Petentinnen ein „Insider“ aus dem Landtag und beweisbar ist es auch: Die gemeinsame Petition des Kulturvereins Garatshausen e.V. und des Ersten Bürgermeisters der Gemeinde Feldafing vom 11. Dezember 2019 mit ähnlichem Inhalt (Öffnung des Albers-Anwesens für die Allgemeinheit) wurde nicht im Haushaltsausschuss, sondern im Wissenschaftsausschuss beraten und beschlossen. Warum? Weil dessen Mitglied die Landtagsabgeordnete und Feldafinger Gemeinderätin Frau Dr. Eiling-Hütig ist? Es spricht vieles dafür: Sie selbst war Berichterstatterin der Regierungsfraktion für diese Petition und auch das Ergebnis der Petition spricht dafür. Denn der Zuschlag des Albers-Anwesens für die TUM wurde insbesondere durch die „uneingeschränkte Befürwortung“ der „Petenten“ begründet. Diese Befürwortung haben der Erste Bürgermeister und der Vorstand des Kulturvereins aber bekanntlich ohne Beschlüsse ihrer jeweiligen Basis (Gemeinderat bzw. Mitgliederversammlung) gegenüber dem Landtag und der TUM – und besonders irritierend - entgegen ihrem Petitionsziel, ausgesprochen. Und ist es wirklich in Ordnung, dass eine Landtagsabgeordnete die Petition eines ortsansässigen Kulturvereins als Berichterstatterin der Regierungspartei vertritt, wenn sie doch nach eigenen Angaben selbst Mitglied dieses Vereins ist? Zur Erinnerung: Dieser Verein hat sich selbst mittels dieser Petition um das Albers-Anwesen beworben.

Warum wurde die Albers-Petition nicht wenigstens ebenfalls im Wissenschaftsausschuss behandelt? Die „Albers für alle“-Beschwerde gegen die Errichtung einer universitären Seminarstätte fällt jedenfalls in das Aufgabengebiet des Wissenschaftsausschusses im Landtag, des Kontrollorgans des Wissenschaftsministeriums. Warum also hier eine Abweichung vom Fachausschussprinzip und dazu eine Ungleichbehandlung zur Bürgermeister-Kulturverein-Petition? Auch das sollte die Landtagspräsidentin interessieren.

Fazit: Haben die Bürger tatsächlich durch ihr Petitionsrecht „ein äußerst wirkungsvolles Instrument zur politischen Mitwirkung“ an der Hand? Das Petitionsverfahren HA.0240.18 widerlegt diese Aussage für die Causa Albers-Anwesen. Die Petition wurde im Bayerischen Landtag nicht ernst genommen, völlig intransparent behandelt, als Proforma-Sache wohl binnen Minuten abgelehnt und offenbarte zu guter Letzt auf zynische Weise reine Machtpolitik.

Mehr zum Thema:
Bewusst unbefugt
"Wir prüfen Rechtsmittel"
Albers-Petition abgelehnt

Petition "Albers für alle":
https://www.albersfueralle.de/

ID: 4976
Über den Autor

Lucie Vorlíčková, Stefanie Knittl

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Kommentare

Man muss unseren beiden Tutzinger Petitentinnen (und ihrem Unterstützern im Hintergrund) für ihr Engagement insgesamt dankbar sein... und zwar über die konkrete Petition hinaus:
-> Sie haben mitgeholfen eine jahrzehntealte Brache an der Gemeindegrenze zwischen Tutzing & Feldafing wieder in unser Blickfeld zu rücken.
-> Sie haben sehr entschlossen und in jeder Beziehung rechtsstaatlich/fair für einen zusätzlichen, freien Seezugang stellvertretend für uns Alle gekämpft.
-> Und sie haben uns einen sehr offenen & umfangreichen Einblick in das Entscheidungssystem und die handelnden Personen an den jeweiligen Stationen gewährt. Dabei haben sie auch Roß & Reiter benannt und dennoch im Interesse der Sachlichkeit erkennbar ihre eigenen Emotionen nicht in den Vordergrund gestellt.

Wählerinnen & Wähler können sich - wenn sie mögen - ihre eigenen Gedanken über die beschriebenen Verfahren, sowie über die beteiligten politischen Gruppierungen & Personen machen und dann mit Blick auf die Zukunft entscheiden, ob das in ihrem Sinne genau so weiterlaufen soll, oder ob sich daran vielleicht etwas ändern sollte?

Nachtrag I:
Mir fällt da wieder ein BR24-Radiointerview aus den vergangenen 4 Wochen ein. Darin berichtet eine hochrangige Vertreterin der Technischen Universität München, dass die TUM nicht mal die notwendigen Mittel habe für die Sanierungen ihrer bereits bestehenden Forschungseinrichtungen!
Mich würde es daher nicht überraschen, wenn es bald wieder ruhiger wird um das ehemalige Albers/Burg-Anwesen. Sehr ruhig ... und sehr lange ... Zzzrrrrr ... Zzzrrrr...

Nachtrag II:
Oder es findet sich ein Investor, der anbietet die TUM von dieser Last zu befreien?
Vielleicht ein *******Luxury-Lake-Ressort?
Vielleicht eine Münchhausen-Lakeside-Living-Residence?
;-)) So viele ungenutzte Potentiale...
(Bearbeitet)
Wenn es nicht um die Errichtung eines Gewerbegebiets auf der grünen Wiese, wie in Wieling geht, kann man von Bürgermeister Sontheim offensichtlich nicht viel erwarten. Mit einer Öffnung des Albers Anwesens für die Allgemeinheit lässt sich eben nichts verdienen.
(Bearbeitet)
Mit „hinnehmen“ wollen wir zum Ausdruck bringen, dass wir Bürger derzeit keinen Rechtsweg beschreiten können.

Wer die Sache aber noch drehen kann, ist der Feldafinger Gemeinderat! Er könnte in der öffetlichen Sitzung morgen einfach mehrheitlich seine Meinung (Resolution) zum Ausdruck bringen, dass er gegen die institutionelle Hauptnutzung des Anwesens ist, da diese nicht von der Mehrheit der Bürger erwünscht ist. Damit wäre das Hauptargument der Staatsregierung, dass die Gemeinde Feldafing das TUM-Nutzungskonzept „uneingeschränkt befürwortet“ widerlegt!

Das würde immens helfen! Zur Erinnerung: Bürgermeister Sontheim und der Vorstand des Kulturvereins Garatshausen e.V. haben doch in ihrer gemeinsamen Petition (11.12.2019) die Öffnung von “Villa und Park“ für die Allgemeinheit gefordert - dies ua begründet mit dem Bürgerwunsch nach Öffnung! Diese Petition wurde am 6.5.2020 im Landtag tatsächlich “als Material für die Staatsregierung” positiv entschieden!!! Was aber verschwiegen wurde: Die Petenten Sontheim und Vorstand Kulturverein sind dann aber von ihrem erklärten Petitionsziel nach Öffnung von „Villa und Parkfür die Allgemeinheit“ abgerückt und haben plötzlich - und zwar jeweils im Alleingang ohne ihre jeweilige Basis - im Namen der Gemeinde bzw. der Vereinsmitglieder die institutionelle Hauptnutzung durch die TUM ggü. der Staatsregierung und dem Landtag „uneingeschränkt befürwortet“. Diese Änderung des Petititionsziels, von einer den Bürgern avisierten öffentlichen (gemeinützigen) Nutzung in eine institutionelle Hauptnutzung, war nicht rechtens! Und darum könnten wir an dieser Stelle - dann rechtlich - ansetzen.

Im Klartext: Um für die Öffnung des Albers-Anwesens weiter kämpfen zu können, bedarf es morgen eines mehrheitlich resoluten Gemeinderats: Befürwortet der Feldafinger Gemeinde mehrheitlich eine institutionelle Hauptnutzung des Albers-Anwesens ? Wir hoffen auf ein mehrheitliches NEIN!


Lucie Vorlíčková/Stefanie Knittl
Es fällt schwer das Ergebnis dieser Petition zu akzeptieren, wenn man weiß, auf welch schäbige Art es im Zusammenspiel von CSU und TUM erlangt wurde. Ich kann dem einleitenden Absatz dieses Artikel nicht ganz zustimmen. Ansonsten größter Respekt für die beiden Petentinnen. Kein Respekt für die Institutionen. Rücksichtslosigkeit verdient keinen Respekt.
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