Der neue katholische Pfarrer Peter Seidel ist in der Pfarrei St. Joseph herzlich willkommen geheißen worden. „Wir wünschen Ihnen, lieber Herr Seidel, ein gutes Ankommen und Eingewöhnen in Tutzing und für Ihre neue Aufgabe viel Freude, Gottes Segen und ein wenig Gelassenheit bei den vielen unterschiedlichen Erwartungen, die vermutlich auf Sie einströmen werden“ - so die Mitarbeiter der Katholischen Kirchenstiftung in einem Anschreiben zum Kirchenanzeiger.
Im Gottesdienst hat Pfarrer Seidel am Sonntag ausführlich seinen eigenen Lebenslauf beschrieben und sich auch offen zur aktuellen Situation der Kirche geäußert. „Wir sind in einer schwierigen Lage“, sagte er offen. Das Christsein, die Taufe – das habe häufig nichts mit einer bewussten Entscheidung zu tun, sondern sei von der Entscheidung anderer, so der Eltern, beeinflusst. „Aber man kann es nachholen“, fügte er hinzu, „zum Beispiel mit Glaubensgesprächen, Exerzitien, Lesen der Heiligen Schrift, Vorträgen und Gebeten, in der Natur, indem man abends kurz inne hält und sich einen Rückblick auf den Tag gönnt.“
Wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht
Anlass für nachdenkliche Bemerkungen gab auch das Evangelium vom Tage nach Lukas. Danach sagte Jesus: „Wenn jemand zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern, ja sogar sein Leben gering achtet, dann kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein. Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen? Sonst könnte es geschehen, dass er das Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertigstellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn verspotten und sagen: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen. Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt? Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, solange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden. Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.“
Theologie? "Um Gottes Willen!"
Das seien harte Worte des Evangeliums, sagte Pfarrer Seidel. Man müsse sich fragen, ob man begreifen könne, was Jesus will, wenn er nicht jedem die Möglichkeit zugestehe, sein Jünger zu sein: „Dann sind wir wohl alle raus.“ Niemand könne auf seinen ganzen Besitz verzichten. Doch Jesus gehe es darum, dass man die Tragweite einer Unternehmung abschätze, bevor man sie anpacke – und dass man sich selbst prüfen solle, ob man bereit sei, ihm zu folgen. „Ich bin oft bei Familien eingeladen“, sagte er. Meist werde vor dem Essen nicht mehr gebetet: „Ich wünsche mir, dass wir uns für Gott und Jesus Zeit nehmen.“
Seidel machte kein Geheimnis daraus, dass es für ihn nicht leicht gewesen sei, den Priesterberuf zu wählen. Bei seinem Abitur 1991, erzählte er, haben ihn Freunde und Angehörige gefragt, was er vorhabe. Als er aufs geplante Theologiestudium verwiesen habe, sei die Reaktion oft so gewesen: „Um Gottes Willen!“ Seine Mutter habe sich über seine Entscheidung gefreut, sein Vater jedoch hätte es lieber gehabt, wenn er Ingenieur geworden wäre. „Es war nicht einfach, diesen Weg einzuschlagen“, folgerte er.
Nachdenklich äußerte er sich auch darüber, welche jungen Menschen heute diesen Beruf wählen. Oft seien es leider keine gesunden Menschen, manche von ihnen seien psychisch angeschlagen. Gleichzeitig gibt ihm der Priestermangel zu denken. „Wir waren 120 junge Leute“, sagte er über den Beginn seines Theologiestudiums, „heute sind es vielleicht acht.“ Im Bistum Augsburg seien gerade 15 Stellen besetzt worden, und derzeit stünden nur noch drei deutsche Pfarrer zur Verfügung, der Rest sei aus anderen Regionen, von Indien bis Afrika. Das seien oft gute Leute, aber von einer ganz anderen Kultur geprägt.
Vorübergehend "Asyl" in einer Wohnung der Pfarrei
Der 51 Jahre alte Peter Seidel, der in Oberstdorf (Allgäu) geboren und aufgewachsen ist, war von 2012 bis 2014 Stadtpfarrer von Günzburg („Eine sehr schöne Erfahrung“) und von 2014 bis 2021 Leiter der Pfarreiengemeinschaft Habach mit Antdorf, Sindelsdorf und Obersöchering sowie Prodekan des Dekanats Benediktbeuern. Anschließend wurde er zum Personalreferenen für die Priester im Bistum Augsburg berufen, beendete diese Aufgabe aber schon nach kurzer Zeit wieder. Es sei keine leichte Aufgabe gewesen, die mit vielen Schwierigkeiten und Ärger verbunden gewesen sei, sagte er. Deshalb habe er wieder in die Seelsorge zurückkehren wollen. Als er erfuhr, dass der bisherige Tutzinger Pfarrer Peter Brummer seine Tätigkeit beenden wollte, bewarb er sich für diese Stelle. In der vorigen Woche ist er angereist, wie er im Gottesdienst berichtete. Das Pfarrhaus könne er wegen Renovierungsarbeiten nicht sofort beziehen. Vorübergehend habe er in einer Wohnung der Pfarrei „Asyl gefunden“, die auch schon fürs Kirchenasyl genutzt worden ist.
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Comments
(Diese ausdrückliche Klarstellung ist mir wichtig; denn sofern ich mich diesbezüglich missverständlich ausgedrückt habe, tut mir das leid und bitte um Nachsicht.)
Mich irritiert aber nach wie vor diese herausgegriffene Bibelstelle.
Bleiben wir mal bei einer engen Auslegung:
-> Ein König zieht zu Felde... < -> bedeutet wohl, dass primär der Aggressor im Zentrum steht.
-> Putin und sein Gefolge haben dann wohl nach Auflistung aller Truppen und des Kriegsmaterials messerscharf festgestellt: Oh ja, wir sind die Größeren! (Die mit den 20.000 Soldaten oder eher noch mehr.)
Und jetzt?
-> Die Lösung aus dem Bibelzitat - auf jeglichen Besitzanspruch zu beiden Seiten der Grenze zu verzichten - ist unrealistisch oder besser gesagt "un-menschlich". So sind wir Menschen leider nicht; zumindest noch sehr lange nicht.
-> Die Menschheit selbst, jedenfalls ein großer, nicht unerheblicher Teil unserer zivilen Gesellschaften, hatte da einen aus menschlicher Perspektive realistischeren Weg eingeschlagen mit einer breitgefächerten Friedenspolitik: Aussöhnung der ehemaligen Kriegsgegner, Anerkennung aller Grenzen, Rüstungskontrollen & Abrüstung, Aufbau enger wirtschaftlicher & gesellschaftlicher Verflechtungen, usw. Damit sind wir lange gut & weit vorangekommen. Doch Putin & Co haben das zugegebenermaßen weder verstanden noch hinreichend wertgeschätzt. Eine Tragödie und eine Katastrophe mit weltweiten Folgen!
An der russisch/ukrainischen Grenze sind mal wieder biblische wie auch menschliche Friedensstrategien offensichtlich gescheitert.
Beides muss sich vor der aktuellen Situation kritisch hinterfragen. Allein um Fehler vor der nächsten Bewährungsprobe nicht zu wiederholen; denn dann werden wieder ungezählte Menschenleben und allergrößte Umweltschäden auf dem Spiel stehen!
Zurück zu Pfarrer Seidel: Auch ich will ihm persönlich hier nicht die Last der Welt auf seine Schultern laden.
Aber dieses Bibelzitat, in diesem Zeiten, halte ich immer noch für unpassend.
Gewiss findet sich auch ein passende Bibelstelle, die unabhängig von scheinbar rationalen Waffen- und Soldatenzählungen, sowie von Gewinn- & Verlustkalkulationen, den Frieden als absolutes Ziel in den Vordergrund rückt? Für mich, wäre das die richtige Botschaft, an alle Aggressoren; egal ob am nationalen Grenzzaun oder am lokalen Grundstückszaun.
Liebe & Frieden!
Ganz säkular gesprochen hat mir schon mein alter Haumeister eingebläut: „Lieber fünf Minuten feig, als ein Leben lang tot.“
Und unser neuer Pfarrer hat das auch entsprechend ausgeführt. (Natürlich ohne die Lebensweisheit meines Lehrherrn)
Aber ganz offen angesprochen ... dieses Bibelzitat:
"Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt? Kann er es nicht, dann schickt er eine Gesandtschaft, solange der andere noch weit weg ist, und bittet um Frieden. Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet."
Da hat die Bibel viele "Bücher", ungezählte Kapitel & Verse auf weit über tausend eng bedruckten Seiten; und dann wählt man ausgerechnet dieses Zitat und stellt es mehr oder weniger unkommentiert in den Raum?
Bitte, wie soll man das in Zeiten des bereits 2. russischen Überfalls auf die Ukraine binnen weniger Jahre verstehen?
Wie sollen das die ukrainischen Flüchtlinge verstehen, die derzeit bei uns Zuflucht gefunden haben?
-> Heisst das, dass die Ukraine daran selbst Schuld wäre, weil sie zuvor ihren militärisch übermächtigen Nachbarn nicht oft und unterwürfig genug um Frieden gebeten hat? Weil die Ukrainer für ihre eigene Zukunft einen anderen Weg wählten, als es der große Nachbar wollte?
-> Sollen sich die Ukrainer daher jetzt besser dem russischen Aggressoren unterwerfen, statt sich zu verteidigen? Dann könnten sie wenigstens - gnädigerweise unter einem russisch/putinschen Joch - weiterleben? So wie damals unter Stalin?
-> Wie soll das Ukrainer hier oder in ihrer Heimat trösten, die durch Bomben, Granten, Terror und Vertreibung gerade alles verlieren - Haus & Existenz genauso wie Arme oder Beine sowie Freunde & Familienmitglieder?