Kino
9.3.2024
Von Lorenz Goslich

5000 Euro Spende, vier „Kinoengel“ und vier Kinositze à 666 Euro

Erster Informationsabend für die Neubelebung des Tutzinger Kinos bringt einen großen Schritt weiter

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Andrang wie zu besten Kinozeiten: Der Infoabend zur Zukunft des Tutzinger Kurtheaters lockte gestern Abend viele Menschen an © L.G.

Lucie Vorlíčková wirkte erschöpft, aber glücklich und zufrieden, als sie gestern Abend 124 sichtlich interessierten Menschen im Tutzinger Kino ihre Pläne für dessen Neubelebung vorstellte. Die Wirtschaftsprüferin, die seit ein paar Jahren in Tutzing lebt, hat sich in den vergangenen vier Monaten intensiv in dieses Projekt eingearbeitet, das ihr sichtlich ans Herz gewachsen ist. Mit ihrer Begeisterung für das Projekt hat sie schon etliche Unterstützer gefunden. Unter ihnen sind der Schauspieler Alexander Netschajew, der Videokünstler und Bühnenbildner Patrik Tircher und die Grafikdesignerin Daniela Laußer sowie die Eigentümer des Kinos, Robert und Maximilian Harthauser.

Die Initiatorin hofft, dass noch viel mehr Helfer hinzukommen werden. Ihr Interesse an der Mitgliedschaft in einem kurz vor der Gründung stehenden gemeinnützigen Verein „Kulturtheater Tutzing e.V.“ können alle, die dazu beitragen wollen, bekunden: Sie können eine Muster-Beitrittserklärung ausfüllen, die in den in Tutzing verteilten Flyern enthalten oder online auf der Webseite https://www.kurtheater-tutzing.com/ zu finden ist. Für die Erklärung stehen „Kamera-Briefkästen“ vor dem Kino, in der Postagentur (Sudhaus, neben Aldi) und in der Gemeindebücherei bereit. Gern gesehen sind Online-Erklärungen. https://www.kurtheater-tutzing.com/teilensiebitte Der jährliche Mitgliedsbeitrag ist individuell wählbar – von 30 Euro über 120 Euro bis 600 Euro. Auch Spenden sind gern gesehen.

Im Mai soll der Verein gegründet werden. Bei der Vorbereitung der Satzung hat Lucie Vorlíčková fachkundige Unterstützung durch den Juristen und Tutzinger Gemeinderat Dr. Ernst Lindl erhalten. Für die Vorstandsämter stehen Mitglieder des Vorbereitungsteams bereit, doch auch alle anderen, die als Vorstände, Schatzmeister, Schriftführer oder in weiteren Funktionen Verantwortung übernehmen möchten, sind den Initiatoren willkommen: Im September oder Oktober dieses Jahres hoffen sie mit dem neuen Tutzinger „Kulturtheater“ starten zu können.

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Wie im Film: Der "Stab" in der Präsentation © Präsentation "Tutzing macht Kino!"
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Ein gewinnorientiertes Unternehmen wird das Kino nicht sein

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Der Kinosaal bleibt seit Wochen leer - aber gestern Abend blieben nur wenige Plätze frei © L.G.

Möglichst viel Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erhoffen sich die Initiatoren unter anderem durch die drei Informationsveranstaltungen. Bei der ersten von ihnen gestern Abend war der Saal fast voll besetzt – wie zu besten Kinozeiten, als ein neuer James-Bond- oder Eberhofer-Film Premiere hatte. Lucie Vorlíčková freute sich sehr über den Zuspruch, der darin deutlich wurde. Viele hätten die Schließung des Kinos bedauert, sagte sie. Mit ihren Versuchen, eine Neubelebung zu erreichen, habe sie „ein offenes Haus eingerannt“.

Sie wies aber auch offen auf Probleme hin. Aufgrund ihrer Kenntnisse der Wirtschaft, die sie über Jahrzehnte mit einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Tschechien gesammelt hat, weiß sie nur allzu gut, dass auf dem Weg zum großen Ziel der Wiedereröffnung noch zahlreiche Hindernisse lauern. Wie besonders schwer es in der Kinobranche ist, hat ihr eine ausführliche Recherche bestätigt. Zwar mussten im Zuge der Corona-Pandemie längst nicht so viele Kinos schließen, wie befürchtet worden war. Aber immer wieder geben Betreiber von Filmtheatern auf. Beispielhaft erwähnte Lucie Vorlíčková das Aus des „Starlight“-Kinos in Weilheim. Manchmal sorgen Negativmeldungen über ganze Kinoketten für Aufsehen, so Ende 2022 über die Insolvenz der weltweit zweitgrößten Kinokette, der britischen Cineworld.

Lucie Vorlíčková sagte es offen: Als gewinnorientiertes Unternehmen wird man das Tutzinger Kino nicht betreiben können. Ganz im Gegenteil: „Wir werden langfristig defizitär sein.“ Dass ein professioneller Kinobetreiber gewonnen werden könne, sei auszuschließen. In Deutschland würden etwa 80 Kinos von den jeweiligen Kommunen betrieben, doch für Tutzing komme dies nicht in Frage.

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Großes Engagement fürs Tutzinger Kino: Lucie Vorlíčková und Alexander Netschajew in reger Diskussion mit dem Publikum

Viel Bedarf an kulturellen Nutzungen des Saals

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Viel mehr als ein Kino soll das bisherige Kurtheater künftig sein - als "Kulturtheater" © Präsentation "Tutzing macht Kino!"

Deshalb ist die Idee eines „Kulturtheaters“ entstanden. Das heißt: Ein Kino soll es bleiben, doch möglichst viele weitere kulturelle Aktivitäten sollen hinzukommen. Etliche Vorschläge dafür gibt es bereits. Lucie Vorlíčková berichtete über großen Bedarf für Nutzungen des Saals, so beispielsweise bei den Schulen, in Kindergärten oder im Hort. Auch konkrete Angebote liegen schon vor, so für eine Musikshow. Martin Baumann, der Geschäftsführer des Restaurants „Theodor“, war gestern dabei. Ihm schweben Kombinationen mit Leckerbissen aus seiner Küche vor, wie er am Rande durchblicken ließ.

Man sei für alle Ideen offen, bekräftigte Alexander Netschajew. Noch keine Entscheidung gibt es über die Betriebszeiten: Montags bis sonntags? Oder nur an bestimmten Tagen? Auch spezielle Angebote für bestimmte Interessenten gelten als wünschenswert. So soll es ein „Seniorenkino“ geben. „Vergesst die Jugend nicht“, rief ein Besucher aus. Bei der JM und beim Jugendbeirat habe man bereits nach Wünschen und Interesse gefragt, erwiderte Lucie Vorlíčková. Mit Hilfe der jungen Leute werde sich bestimmt etwas entwickeln. „Wir wissen, dass das Programm auch für die Jüngeren attraktiv sein muss“, sagte auch Netschajew.

Bei Matinéen am Sonntag könnten besondere Filme gezeigt werden. Besucher fragten nach Möglichkeiten für Konzerte und Theater. „Da sind wir komplett offen“, sagte Netschajew. Eine Bühne hinter der Leinwand gibt es allerdings nicht. „Ich glaube nicht, dass wir die 95. Bühne im Fünfseenland werden“, witzelte Netschajew, „aber wir haben den unglaublich tollen Saal.“ Festivals gelten ebenso als denkbar wie geschlossene Gesellschaften mit konkreten Gestaltungen und vielleicht ein „kleiner Filmclub“, sagte Teammitglied Patrik Tircher. Kleinkunst und Kabarett, Lesungen, Vorträge und Vieles mehr halten die Initiatoren für möglich.

Von der Kasse über den Filmstart bis zur Reinigung wartet viel Arbeit

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Eine detaillierte Finanzplanung hat Lucie Vorlíčková bereits entworfen (zum Vergrößern bitte anklicken) © Präsentation "Tutzing macht Kino!"

Eines aber steht für Lucie Vorlíčková fest: „Wir selbst als Bürger werden das Kino betreiben.“ Ein Theaterleiter soll für 20 Stunden wöchentlich angestellt werden. Zwei Interessenten gibt es schon, wie sie berichtete. Auch ein professioneller Programmmacher stehe zur Unterstützung bereit, und in Hinblick auf das Programm gebe es Unterstützung vom Lichtspielhaus Fürstenfeldbruck und vom Kino in Kochel.

Aber noch viel weitere Hilfe wird benötigt – und da verbinden die Initiatoren große Hoffnungen mit so genannten „Kinoengeln“: Menschen, die an der Kasse stehen, Eintrittskarten verkaufen und auf den Knopf drücken, damit der Film läuft, anderen, die am Kiosk Popcorn verkaufen, die sich um den Wareneinkauf kümmern, Werbung akquirieren, Social Media bestücken, Flyer austragen, die Kuchen fürs Seniorenkino backen oder solchen, die am Wochenende den Saal putzen – „mit mir zusammen“, sagte Lucie Vorlíčková, „und ich werde Getränke mitbringen.“

Die Kino-Eigentümer Robert und Maximilian Harthauser erhielten viel Beifall für ihre Ankündigung, dass sie es bei der schon lange konstant gehaltenen Pacht von nur 650 Euro monatlich belassen wollen. Lucie Vorlíčková berichtete auch über positive Gespräche mit Banken. Unter anderem soll es, wie sie auf eine Frage bestätigte, ein „Crowdfunding“-Projekt mit der VR-Bank Starnberg-Herrsching-Landsberg über 5000 Euro geben, die in diesem Rahmen eingehende Spenden von 5 bis 100 Euro verdoppeln will. Auch andere Spenden sind schon zugesagt worden, so für die Einrichtung des Kassensystems „Cynetixx“. Ein Besucher regte zusätzlich die Einbindung von Sponsoren und Unternehmen an.

"Sowas von professionell, was ihr da leistet!"

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Ein Defizit des künftigen "Kulturtheaters" wird nicht vermeidbar sein. Ob es mit Mitgliedsbeiträgen, Spenden und auf andere Weise gedeckt werden kann, soll sich bis Ende April zeigen. © Präsentation "Tutzing macht Kino!"

Aber der notwendige finanzielle Aufwand wird nicht gerade gering sein. Allein die Fixkosten werden sich nach den Berechnungen von Lucie Vorlíčková auf rund 72 000 Euro im Jahr summieren. Sie hat eine Deckungslücke von 33 000 Euro jährlich errechnet. Das Team will versuchen, die Kosten soweit wie möglich zu drücken.

So gibt es die Hoffnung, die technische Ausstattung aus der Insolvenzmasse des Vorgängers ersteigern zu können, doch ob das gelingt, ist offen. Ansonsten hoffen die Initiatoren günstig an andere für den Kinobetrieb erforderliche Geräte wie Leinwand, Digitalprojektor, Verstärker, Licht, Mikro, Kameraüberwachung und weiteres Material kommen zu können.

Das Betriebskapital und die Anschaffungskosten setzt Lucie Vorlíčková mit jeweils 40 000 Euro an, zusammen also 80 000 Euro. Wie alles aufgebaut werden kann, wie der Betriebsablauf vorstellbar ist, das zeigte sie mit einer aufwändig gestalteten Präsentation, für die sie im Verlauf der Veranstaltung immer wieder viel Anerkennung erhielt und die auch im Internet abrufbar ist. https://www.kurtheater-tutzing.com/_files/ugd/e56133_5fd710f16ad7475abf84f1fc33feb887.pdf „Das ist keine Luftnummer“, sagte Nertschajew. „Ein wahnsinnig tolles Projekt“ kommentierte ein Besucher unter Beifall.

„Sowas von professionell, was ihr da leistet“, rief ein anderer Besucher aus, der selbst über langjährige unternehmerische Erfahrung verfügt, Lucie Vorlíčková und ihren Mitstreitern zu: „Was ihr da macht, ist super.“ Sie setze sich „wahnsinnig“ für dieses Projekt ein, sagte Tutzings Kulturreferentin, Vizebürgermeisterin Elisabeth Dörrenberg, zur Arbeit von Lucie Vorlíčková beeindruckt. Sie gab sich überzeugt, dass das Kino in neuer Form nicht nur für Tutzing, sondern für den ganzen Landkreis Starnberg eine Bereicherung sein wird – als Ort des Zusammentreffens für Ältere und Jüngere, als Ort der Gemeinschaft. „Das ist Lebensqualität“, betonte Lucie Vorlíčková und fügte schwärmerisch hinzu: „Die leuchtende Zukunft hat eine Basis.“

Die drei Säulen: Mitglieder, ehrenamtliche Helfer und Startkapital

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Die Initiatoren hoffen auf viele Beitrittserklärungen - nur dann wollen sie den geplanten Verein zur Neubelebung des Tutzinger Kinos gründen © Präsentation "Tutzing macht Kino!"

Besonders lobte die Vizebürgermeisterin das ehrenamtliche Engagement, mit dem in Tutzing auch schon in vieler anderer Hinsicht eine Menge erreicht worden ist, vom Ökumenischen Unterstützerverein über die Sportvereine, den Minigolfplatz und die JM bis zur Tafel „Tischlein deck dich“. Dies sei vielleicht der Weg in die Zukunft, denn die Gemeinde habe „fast gar kein Geld“. Weil die Finanzen in den Kommunen überall knapp seien, werde es immer mehr darauf ankommen, „dass Bürger mithelfen und sich einbringen“. Den vielen Interessierten im Kino rief sie zu: „Seien Sie aktiv dabei, das Tutzinger Kino zu retten!“

Dafür werden drei Säulen benötigt, wie die Initiatoren bekräftigten: Mitglieder, ehrenamtliche Helfer und Startkapital. Ende April dieses Jahres will das Team Bilanz ziehen: Werden sich bis dahin genug Mitglieder für den neuen Verein gefunden haben? „Sprechen Sie Ihre Freunde, Arbeits- und Vereinskollegen an“, bat Lucie Vorlíčková die Anwesenden. Wird genug Geld für den Start zusammenkommen? Wird es eine ausreichende Zahl von Unterstützern geben, die mithelfen werden? Ein „Kinobarometer“ beim Kurtheater soll den jeweils aktuellen Stand anzeigen. Wenn die Ziele Ende April nicht erreicht sein sollten, dann ist das Ende des Tutzinger Kinos besiegelt, daraus machte Lucie Vorlíčková kein Geheimnis: „Der wundervolle Saal muss dann nach 70 Jahren schließen – es wird eine Lagerhalle.“

Dass es nicht soweit kommen muss, hat aber schon der erste Informationsabend gestern gezeigt: Er hat die Bemühungen um eine Neubelebung des Kinos einen großen Schritt weiter gebracht. Es gab eine spontane Spendenzusage über 5000 Euro, und vier potenzielle „Kinoengel“ haben ihre Mitwirkung angekündigt, unter ihnen eine erfahrene Frau, die lange als Filmvorführerin in Starnberg tätig war. Eine Besucherin war so begeistert, dass sie ausrief: „Ich wäre gern schon bei der Planung dabei gewesen.“

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666 Euro für einen Kinositz: Das ist eine der Spendenmöglichkeiten - und vier Mal sind dafür bereits Zusagen eingegangen
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Ein "Kinobarometer" zeigt laufend den aktuellen Stand an © https://www.kurtheater-tutzing.com/
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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Kommentare

Trotz allen Engagement bedauern wir sehr, daß Herr Teubig mangels Besucherinteresse den Fiilmbetrieb ausschließlich aus Kostengründen einstellen mußte. Wünschen dem neuen Projekt deshalb viel Erfolg.
Ja, der Abend war ein “Traumstart”! Wir hatten zwar für die Auftaktveranstaltung mit einem vollen Saal gerechnet. Aber die dann im Saal spürbar wohlwollende Energie, die in vielen Wortmeldungen ehrlich und berührend geäußerte Anerkennung für Konzept und ehrenamtliche Arbeit der inzwischen 11 Initiatoren und dann auch noch die spontan gemachten großzügigen Spendenzusagen und Angebote als Kinoengel mitzuwirken, waren dann doch eine große freudige Überraschung und auch Erleichterung.

Dafür ein ganz HERZLICHES DANKESCHÖN an alle Teilnehmer der Auftaktveranstaltung.

Lassen Sie uns jetzt zusammen tief träumen und wach handeln!!


Ihr Team der Bürgerinitiative
TUTZING MACHT KINO!
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