Kino
1.4.2024
Von vorOrt.news

Kleinkunst, Kabarett, Kino

Viele Pläne für das künftige „Kulturtheater“ - Postive Entwicklung bei Mitglieder- und Spendenzusagen

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Die Bürgerinitiative "Tutzing macht Kino!" sieht viele Gründe für eine Neubelebung des bisherigen Kurtheaters © Konzeption zum Bürgerkino „Kulturtheater Tutzing e.V.“

„Es braucht einen Raum der Möglichkeiten“, sagt Tim Kramer. Der Schauspieler und künstlerische Direktor des Lehrbetriebs an der Theaterakademie August Everding in München ist einer von mehreren Profis, die sich für die Neubelebung des Tutzinger Kinos „Kurtheater“ engagieren. Unter ihnen sind der Schauspieler Alexander Netschajew, der Videokünstler und Bühnenbildner Patrik Tircher und die Grafikdesignerin Daniela Laußer.

Kramer, der im August neuer Intendant des Lernzerntrums „Square“ an der Universität St.Gallen wird, zog kürzlich beim zweiten Informationsabend der Bürgerinitiative „Tutzing macht Kino!“ einen Vergleich zu Partys: Die interessantesten Gespräche ergäben sich oft in der Küche. Das sei für ihn Kultur – und das künftige „Kulturtheater“ könne als Begegnungsraum so einer Art fungieren. Vom „Verbindenden der Kultur“ sprachen auch andere. Der gesamten Bevölkerung soll das künftige Kulturtheater zur Verfügung stehen und auf keinen Fall ein abgeschottetes Gefilde sein, betonte Lucie Vorlíčková, die treibende Kraft der Initiative: „Das ist hier kein ‚Closed Club‘“ - wir wollen, dass alle mitmachen.“

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Altbürgermeister Peter Lederer und Bürgermeister Ludwig Horn haben ihre Mitgliedszusagen bereits in den Kino-Briefkasten geworfen - und Horn spendet außerdem einen Kinositz. "Das ist Ehrensache", meint er. © Bürgerinitiative "Tutzing macht Kino!"

Von einem „Bürgerkino“ ist die Rede: Eine unter finanzieller Beteiligung und unter ehrenamtlicher Mitarbeit vieler Einheimischer betriebene Einrichtung soll das ehemalige Kurtheater werden – wegen der verbreiteten Auffassung, dass ein solches Kino in einer Gemeinde wie Tutzing nicht kommerziell betrieben werden könne. Deshalb hoffen die Initiatoren auf viele zahlende Mitglieder in einem zu diesem Zweck geplanten Verein „Kulturtheater Tutzing e.V.“ und darüber hinaus auf zahlreiche Spender, die Geld beisteuern oder sich anderweitig beteiligen, etwa mit dem „Kauf“ eines Kinositzes für 666 Euro.

Wer in irgendeiner Form – als künftiges Mitglied oder mit einer Spende – mitmachen will, den bitten die Initiatoren, dies mit einer Erklärung kundzutun. Formulare dafür gibt es auf der Webseite. https://www.kurtheater-tutzing.com/teilensiebitte Bis Ende April ist eine Frist gesetzt worden: Wenn bis dahin genügend solche Erklärungen eingegangen sind, dann soll das Projekt anlaufen. Ansonsten, das sagen die Initiatoren offen, ist es mit dem Tutzinger Kino aus und vorbei. Dann werde es in Tutzing kein Kino mehr geben, stattdessen werde der Saal profitabel genutzt werden, zum Beispiel als Lagerhalle.

Der aktuelle Stand wird regelmäßig in einem „Kinobarometer“ vermerkt. Aktuell sind die Mitgliederzusagen von zuvor 115 auf 181 gestiegen. „Das heißt, wir haben gut die Hälfte der Mitgliederzusagen in der dritten Aktionswoche“, sagt Lucie Vorlíčková. Mitgliedszusagen haben auch Altbürgermeister Peter Lederer und Bürgermeister Ludwig Horn gegeben. Horn spendet außerdem einen Kinositz. Die Spendenzusagen haben sich aktuell von 25 273 Euro auf 32 176 Euro erhöht. „Damit nähern wir uns in gutem Tempo der Halbmarke bei den Spendenzusagen“, kommentiert sie. Es gehe also "im Laufschritt weiter".

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© Bürgerinitiative "Tutzing macht Kino!"

Über ein Kino soll das künftige Angebot weit hinaus reichen. In einer Präsentation wurden beim Informationsabend viele Ideen vorgestellt. Als Kulturtheater soll das Kurtheater zum kulturellen Treffpunkt der Gemeinde Tutzing werden. An soziokulturelle und Generationen-übergreifende Aktivitäten wird gedacht, etwa eine Zusammenarbeit von Schul-, Kindergarten- und Senioreneinrichtungen, an Bildungsvorträge, Kleinkunst, Kabarett und Lesungen, an Livemusik und besondere Events.

Bisher mehr als 32 000 Euro Spendenzusagen

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Die Familie Harthauser, der das Kino gehört, engagiert sich mit in der Bürgerinitiative - hier Maximilian Harthauser bei den Vorbereitungen eines Informationsabends © Bürgerinitiative "Tutzing macht Kino!"

Nebendran gilt die große Wiese unterhalb der evangelischen Christuskirche als ideal geeignet für Open-Air-Konzerte. Bei der Informationsveranstaltung gefiel einigen die Idee von Filmgesprächen nach Vorführungen sehr gut. Es gibt auch schon Überlegungen zur Gründung eines Filmclubs. Bis hin zur „Förderung internationaler Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur und des Völkerverständigungsgedankens“ wurden all diese Ziele auch bereits in die bereits ausgearbeitete Vereinssatzung aufgenommen, die auf der Webseite eingesehen werden kann.

Eine echte Alternative zum umfangreichen Kulturangebot der nahen Landeshauptstadt? In 28 Minuten könne man nach München zum Hauptbahnhof fahren und dort in ein Kino gehen, sagte Lucie Vorlíčková - doch man könne auch in Tutzing ausgehen, andere Menschen treffen und „anfangen, sich auf der Straße freundlich zu grüßen“. Applaus folgte auf ihre Worte. Die Wirtschaftsprüferin strahlt eine Begeisterung für das Kinoprojekt aus, mit der sie schon viele andere mitgerissen hat. Ein engagiertes Kino-Team ist da entstanden.

Immer mehr Interessierte schließen sich an, die ehrenamtlich als „Kinoengel“ mitarbeiten wollen. Es soll eine Teamleitung geben, die das alles organisiert und für die zeitliche Einteilung sorgt. In eine Terminliste werden sich diejenigen eintragen können, die beispielsweise zu bestimmten Zeiten an der Kasse, beim Kiosk, bei der Filmvorführung, bei der Reinigung, beim Kuchenbacken, bei den sozialen Medien oder beim Flyer-Verteilen mitmachen wollen. Ein eigener Informationsabend für die „Kinoengel“ ist geplant.

Bei bisher zwei gut besuchten Informationsabenden war viel Sympathie für die Anstrengungen spürbar, dem Tutzinger Kino neues Leben einzuhauchen. „Wir wollen Tutzing vitalisieren, sagte Lucie Vorlíčková. Denn oft könne man kritische Stimmen hören, in Tutzing gebe es viele Leerstände, in Tutzing prickele nichts mehr. „Wir wollen neue Lebensenergie nach Tutzing bringen“, kündigte sie an. Auch da gab es Beifall.

Mitarbeit von ausgewiesenen Profis

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Für den geplanten Verein "Kulturtheater Tutzing e.V." gibt es bereits eine Satzung und einen Organisationsplan © Konzeption zum Bürgerkino „Kulturtheater Tutzing e.V.“

Dem Team ist mittlerweile eine Ausdehnung der Kino-Begeisterung über Tutzing hinaus gelungen. In mehreren Nachbarkommunen haben sich ganz spontan etliche Personen zur Mithilfe bereit erklärt, Flyer verteilt, Plakate aufgehängt und mehr. Ausdrücklich erwähnt werden in der Präsentation der Bauhof der Gemeinde Seeshaupt, Albert Brückl in Bernried, Peter Englaender, der Geschäftsführer der Gemeinde Feldafing und die Amtsbotin der Gemeinde Pöcking.

Als sehr hilfreich gilt auch die Mitarbeit von ausgewiesenen Profis wie Tim Kramer oder Alexander Netschajew und von weiteren Branchenexperten der Filmszene. Fachliche Beratung gibt es beispielsweise von Verantwortlichen zweier Kinos in Fürstenfeldbruck und Kochel, von Tom Blum, der sich mit einem Spezialunternehmen für Veranstaltungstechnik und Eventproduktion in Grafath einen Namen gemacht hat, und von der Unternehmensgruppe Cine Projekt in Landshut, die als Innovationstreiber der Kinotechnik gilt.

Markus Eisele, Mitgesellschafter des Lichtspielhauses Fürstenfeldbruck, ist eine bekannte “Größe” der deutschen Kinobranche. Die von ihm und Christian Pfeil geführte Arena Betriebsgesellschaft beschäftigt in Fürstenfeldbruck (Lichtspielhaus), München (Arena Fiilmtheater, Monopol-Kino und Rio Filmpalast), Stegen (Kino in der Alten Brauerei) und Gera (Metropol Kino) mehr als 50 Mitarbeiter. Eisele hat sich nach Angaben von Lucie Vorlíčková viel Zeit für die Tutzinger genommen und wertvolle Tipps beigesteuert. Wichtige Unterstützung habe es auch von den Betreibern des Kochler Kinos gegeben.

Beim Informationsabend wurde auch nach dem Interesse von Matthias Helwig gefragt, dem Betreiber der „Breitwand“-Kinos im Landkreis Starnberg und Leiter des Fünf Seen Filmfestivals. Mit ihm gab es nach Angaben der Bürgerinitiative Kontakte, aber er habe gleich erklärt, dass das Tutzinger Kino seiner Meinung nach nicht kommerziell betrieben werden könne.

Jährliche Deckungslücke 33 000 Euro

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Hoch erfreut über den großen Zuspruch freuten sich beim ersten Informationsabend (von links) Alexander Netschajew, Robert Harthauser, Lucie Vorlíčková und Tutzings Bürgermeister Ludwig Horn © Bürgerinitiative "Tutzing macht Kino!"

„Wir müssen ein hochwertiges Kinoprogramm haben“, sagte Lucie Vorlíčková. Zunächst sind Vorstellungen von Donnerstag bis Sonntag vorgesehen - das ist eine Empfehlung von Eisele. Attraktive, auch neue Filme werden nach Überzeugung des Tutzinger Teams gezeigt werden können. „Einen ‚Oppenheimer‘ könnten wir vom ersten Tag an haben“, sagte Lucie Vorlíčková. „Eine ‚Barbie‘ nicht“, schränkte sie ein. Auf die echten Blockbuster müsse man warten – aber man könne sie bekommen.

„Lasst uns das bitte angehen“, rief der Tutzinger Gemeinderat Georg Schuster allen zu, die zur Informationsveranstaltung gekommen waren: "Lasst uns das miteinander machen, wir sind alle gefordert, es zu unterstützen.“ Auch die Gemeinde habe das Kino immer unterstützt, betonte er. Schuster hat aber auch Erfahrung damit, wie mit gerade viel ehrenamtlicher Hilfe anspruchsvolle Projekte realisiert werden können. So ist er maßgeblich bei der Neubelebung des Tutzinger Minigolfplatzes engagiert.

Trotz der optimistischen Grundhaltung glitt die Darstellung bei den bisherigen Informationsabenden nie in eine überzogene Euphorie ab. Vielmehr schimmerten immer wieder Hinweise auf Risiken und denkbare Probleme durch. Trotz allen ehrenamtlichen Engagements wird es hohe Kosten geben. Die technische Ausstattung – von der Leinwand über einen Digitalprojektor bis zu Verstärkern – muss angeschafft werden, Betriebskapital ist erforderlich, ein Theaterleiter soll für 20 Stunden wöchentlich angestellt werden. Lucie Vorlíčková hat das alles berechnet, klare Zahlen vorgelegt und einen Vorschlag für die Finanzplanung erstellt. Danach stehen jährlichen Fixkosten von 72 000 Euro und notwendigen Rücklagen von 6000 Euro erwartete Einnahmen von 45 000 Euro gegenüber. Es ergibt sich also eine jährlicher Deckungslücke von 33 000 Euro.

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"Äktschn" wünschen sich die Initiatoren von möglichst vielen Einheimischen - in Form von Zusagen für eine Vereinsmitgliedschaft, für Spenden und auch von ehrenamtlicher Mitarbeit als "Kinoengel" © Konzeption zum Bürgerkino „Kulturtheater Tutzing e.V.“

"Das ist nicht nur ein Traum"

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Der Kamera-Briefkasten am Kino wartet - wie seine "Kollegen" in der Postagentur und in der Gemeindebücherei - auf Zusagen von Unterstützern © Robert Harthauser

Diese Lücke soll durch die Mitgliedsbeiträge für den neuen Verein und durch die Spenden geschlossen werden. Die Beiträge können die Mitglieder selbst wählen: 30 Euro, 120 Euro oder 600 Euro jährlich – je nachdem, wieviel sie sich leisten können und wollen. Die Initiatoren bitten alle, die an einem Erhalt und einer Neubelebung des Tutzinger Kinos interessiert sind, aktiv Mitglieder und Spender zu werben: „Begeistern Sie Familie und Freunde, aber auch Nachbarn, Arbeitskollegen, andere Eltern in der Schule oder im Kindergarten und viele andere vom Bürgerkino.“

Sobald feststeht, dass das finanzielle Ziel erreicht wird, soll im Mai der Verein gegründet und sein Vorstand gewählt werden. Auf Fragen nach ihrer eigenen Bereitschaft, an die Spitze zu treten, sagte Lucie Vorlíčková, dass den Vorsitz ihrer Meinung nach „jemand Kulturelles“ übernehmen sollte. Sie selbst sei „ein Zahlenmensch“ mit langjährigen Erfahrungen in der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung, sie habe früher ein Büro mit knapp 100 Mitarbeitern geleitet und könne sich eher vorstellen, dass sie zweite Vorsitzende werde. Für Mitglieder soll es bestimmte Vorteile geben, so Rabatte oder Sonderveranstaltungen. Aber was genau in dieser Hinsicht möglich sein wird, das wird sich erst im Lauf der Zeit herausstellen.

Am Schluss des zweiten Informationsabends wirkte Lucie Vorlíčková ein wenig erschöpft, aber sie gab sich überzeugt: „Wir können es wirklich stemmen – das ist nicht nur ein Traum.“

Webseite der Bürgerinitiative "Tutzing macht Kino!"
https://www.kurtheater-tutzing.com/

Bereitschaftserklärung für Unterstützer:
https://www.kurtheater-tutzing.com/teilensiebitte

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Kommentare

Vielen Dank für den ausführlichen und kurzweiligen Artikel! Er stellt vor Augen, wie kulturelles und bürgerschaftliches Engagement zusammengehen und wie belebend das für alle sein kann. Wäre ich nicht schon Teil der Initiative, ich bekäme spätestens jetzt Lust, mit dabei zu sein, damit es was wird.

Herzlichen Dank für die umfassende und professionelle Berichtserstattung und auch für Ihr persönliches Kommen an beiden Infoabenden, lieber Dr. Goslich!

Wir sollten den letzten Infoabend am 18.4. zusammen halten: Sie schaffen es selbst bei schwerer (Zahlen)Kost die Materie belebend wiederzugeben:-). DANKE!
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