Gesundheit
28.7.2021
Von vorOrt.news

Tutzinger Dialyse-Zentrum stellt Betrieb ein

Mitteilung nur vier Monate nach Umzug in den Neubau – Bürgermeisterin sichtlich verwundert

Überraschende Neugigkeiten vom Tutzinger Krankenhaus: Das Dialyse-Zentrum stellt Ende dieses Jahres seinen Betrieb ein. Das ist besonders überraschend wegen des erst kürzlich fertiggestellten Neubaus, in den diese Einrichtung im März umgezogen ist. Aus ihrer Verwunderung über die Kehrtwende hat Bürgermeisterin Marlene Greinwald heute Abend im Bau- und Ortsplanungsausschuss des Gemeinderats kein Geheimnis gemacht.

Betreiber verweist auf negative Entwicklung "seit Jahren"

Damit endet eine Kombination, die Experten als „Tutzinger Modell“ bezeichnet haben: ein Dialyse-Zentrum direkt bei einem Krankenhaus. Das war zum Vorbild auch für viele andere Dialyse-Einrichtungen geworden. Das „Kuratorium für Heimdialyse“ (KfH), das das Tutzinger Dialyse-Zentrum seit langer Zeit betreibt, gilt auf diesem Gebiet mit mehr als 200 Nierenzentren und 23 medizinischen Versorgungszentren führend in Deutschland.

Doch nun habe man sich „nach sorgfältiger Analyse und Abwägung von Alternativen“ zur Schließung entschlossen, erklärt Stefan Fuchs, der kaufmännische Leiter des KfH-Nierenzentrums. Das kleine Einzugsgebiet und die Dichte der nephrologischen Leistungsanbieter wirkten sich seit Jahren negativ auf die Patientenzahlen aus. Auch der Umzug habe in dieser Hinsicht „leider keine positive Perspektive eröffnet“.

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Erstaunliche Nachrichten: Das Benedictus-Krankenhaus von Süden mit dem neuen Anbau und dem Hubschrauber-Landeplatz © L.G.
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Greinwald: "Ich dachte, das hätte ihnen früher einfallen können"

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Schluss nach fast 40 Jahren: Das alte Dialyse-Zentrum auf der anderen Seite des Krankenhauses © L.G.

Die Entscheidung sei nach fast 40 Jahren in Tutzing nicht einfach gewesen, versichert Fuchs. Sie sei nur unter der Voraussetzung getroffen worden, dass die nephrologische Versorgung der nierenkranken Patientinnen und Patienten in der Region auch ohne das KfH-Nierenzentrum in Tutzing sichergestellt sei. Bis Jahresende könnten sich die derzeit 25 Dialysepatienten weiterhin in Tutzing behandeln lassen. Auch das Sprechstundenangebot bleibe bestehen. So sieht er „eine ausreichend lange Zeitspanne, um die Patientinnen und Patienten auf Wunsch beim Wechsel in eine andere nephrologische Einrichtung zu unterstützen“.

„Ich finde, das ist keine besonders erfreuliche Nachricht“, sagte Bürgermeisterin Greinwald heute im Bauausschuss. Den Bedarf am Neubau, den der Krankenhaus-Betreiber Artemed errichtet hat, hatten die Verantwortlichen damit begründet, dass das Tutzinger Dialyse-Zentrum in die Jahre gekommen sei. Der Neubau war auf der Südseite der Klinik als Anbau errichtet worden, wo sich zuvor ein Hubschrauber-Landeplatz befand. Nach früheren Informationen diente der Anbau auch einer Vergrößerung der Operationsräume und der Intensivstation. Außerdem war die Integration der Notaufnahme in den neuen Anbau angekündigt worden. Der Tutzinger Gemeinderat hatte ein Bebauungsplanverfahren wegen der Dringlichkeit beschleunigt. Greinwald verbarg ihre Enttäuschung über die nun – kurz nach Bezug der neuen Räume - bekannt gegebene Entscheidung nicht: „Ich dachte, das hätte ihnen früher einfallen können“, sagte sie bitter über die Verantwortlichen. Und zur damit verbundenen Arbeit des Gemeinderats fügte hinzu: „Das motiviert nicht unbedingt, sehr schnell zu sein.“

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Wie das Leben uns manchmal auch mitspielt, ist es schlussendlich doch immer sehr lehrreich. So auch in diesem Fall, in dem sich Frau Greinwald erkennbar über das Geschäftsgebaren des KfH ärgert. Aber war das nicht doch irgendwie absehbar? Die Bürgermeisterin hatte mit allen Mitteln, die ihrer Verwaltung zur Verfügung standen, ein Unternehmen unterstützt. Während sie von Amts wegen dem Gemeinwohl verpflichtet ist, folgt der Unternehmer seinem Gewinninteresse. Daraus erwächst ein problematisches Spannungsfeld, in dem Politik tagtäglich nach vertretbaren Wegen suchen muss. Sie bewegt sich dabei enorm dicht an hohen Risiken (für den Steuerzahler) und ist selber allerlei unschönen Versuchungen ausgesetzt, wie das Beispiel der schier unglaublichen Maskenaffäre der CDU/CSU zeigt. Das oben geschilderte Geschehen ist ein weiteres Beispiel dafür, dass von einer besonders großen Distanz zwischen Gemein- und Gewinninteresse bei Unternehmen ausgegangen werden muss, die Geschäfte mit der Gesundheit machen. Unternehmerisches Gewinnstreben und Gesundheitsfürsorge lassen sich beim besten Willen nicht unter einen Hut bringen. Zumindest nicht unter einem gesetzlichen Rahmen, der Unternehmen gegenüber dem Interesse von Bürgergesellschaft und ihrer politischen Vertretung so einseitig privilegiert, wie das nach 16 Jahren Kohl und nochmal 16 Jahren Merkel heute der Fall ist.