Geschichte
23.10.2022
Von Stefanie Knittl

Von Mecklenburg-Vorpommern nach Tutzing

Beim Kulturabend gab es wertvolle geschichtliche Informationen über die Familie von Vieregg

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Das Anwesen der Hofmarksherrschaft Tutzing in Niederstarnberg (Standort beim Lochmannhaus), grün markiert auf einer Flurkarte aus dem Jahr 1809

„Tutzinger Landadel vom 16. bis zum 19. Jahrhundert – Die Familie von Vieregg“: Diesem Thema waren zwei Vorträge beim Tutzinger Kulturabend am Freitag in der Rathaustenne gewidmet. Die Veranstaltung war sehr gut besucht – sicher auch, weil es dabei interessante geschichtliche Einblicke gab, wie die Menschen damals in Tutzing gelebt haben. So machte sich der eine oder andere Gedanken, wie sich im Vergleich dazu die gesellschaftlichen Verhältnisse und das Zusammenleben verändert haben.

Der Leiter des Ortsgeschichtlichen Arbeitskreises, Manfred Grimm, referierte über seine Recherchen zur Familiengeschichte der Viereggs, einstige Tutzinger Hofmarksbesitzer. Wie beispielsweise die Familie, die ursprünglich aus Mecklenburg-Vorpommern stammt und dort ein schönes Schloss besaß, nach Tutzing kam. Manfred Grimm erzählte, wie er zufällig bei einem seiner Dienste im Ortsmuseum Tutzing eine Besucherin und Nachfahrin der Familie von Vieregg kennenlernte. Über sie bekam er dann Zugang zu wertvollen Quellen, wie den Stammbaum der Familie Vieregg, Büchern oder Fotos von ihren Liegenschaften.

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„Schloß Tutzing am Würmsee”, Kupferstich von Michael Wening, um 1700. Damals war der Uferstreifen noch öffentlich. Erst unter dem Schlossherrn Eduard Hallberger bekam das Anwesen Seezugang.
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Vieregg oder Viereck? Komplizierte Familienkonstellationen

Während Corona hatte Manfred Grimm dann viel Freude an dem Thema. Behilflich war ihm dabei persönlicher Kontakt zu einem „Viereck“ aus Hamburg (der Familienname hat drei verschiedene Schreibvarianten). So gelang es ihm, die komplizierten Familienkonstellationen auseinander zu dividieren, was bei der zahlreichen Nachkommenschaft von damals nicht einfach ist.

Manfred Grimm, der seit über 20 Jahren glücklich in Tutzing lebt, konnte das Publikum mit oder trotz seines schwäbischen Akzents für die einstige Hofmarkbesitzer begeistern, denen der Straßenname Graf-Vieregg-Straße in Tutzing gewidmet wurde und auch die Bezeichnung Ilkahöhe - nach dem letzten Abkömmling Vieregg, einer Frau, nämlich Ilka Fürstin von Wrede geb. von Vieregg.

Ein "Wirtschaftsunternehmen" mit 36 selbstständigen Haushalten

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Beate Spiegel, Adliger Alltag auf dem Land. 1997, Münchner Beiträge zur Volkskunde Band 18

Der zweite Vortrag wurde von Elke Schmitz ausgearbeitet und, da sie selbst an diesem Abend verhindert war, von ihrer Kollegin Stefanie Knittl vorgetragen. Dieser Vortrag widmete sich einer sehr interessanten, selbstständigen und emanzipierten Frau, der Freifrau Maria Theresia Cäcilia von Vieregg, geb. Götzengrien (1680-1755), die nach dem Tod ihres Mannes nach Tutzing zog und das „Wirtschaftsunternehmen“ als Tutzinger Hofmarks- und Lehnsherrin mit seinen 36 selbstständigen Haushalten leitete. Zur Tutzinger Hofmark gehörten damals noch Niederstarnberg (mit dem Lochmannhaus), die Schwaige Gut Rößlberg sowie Pähl.

Freifrau Maria Theresia Cäcilia von Vieregg war die Witwe des 22 Jahre älteren Ferdinand von Vieregg, der zweimal verwitwet war und bereits eine Kinderschar hatte. Mit ihm hatte sie neun Kinder, von denen fünf das Erwachsenalter erreichten. Die Quellen von Elke Schmitz beruhen auf einer Veröffentlichung von Beate Spiegel, „Adliger Alltag auf dem Land - eine Hofmarksherrin, ihre Familie und ihre Untertanen in Tutzing um 1740“. Entstanden ist diese Publikation in Verbindung mit einer Dissertation, als in diesem Zusammenhang im Lochmann-Anwesen in Starnberg, das damals zur Hofmark Tutzing gehörte, „Manuale“ der Freifrau von Vieregg gefunden wurden.

Anhand dieser Haushalts- und Rechnungsbücher, die der internen Abrechnung dienten, konnte die Autorin Rückschlüsse auf das Leben des oberbayerischen Landadels im 18. Jahrhundert ziehen und spezielle Aussagen zu Tutzing machen. Der Landadel hatte im Gegensatz zu den abhängigen Bauern und Bürgern zwar ein „schöneres“ Leben, jedoch nicht vergleichbar mit dem Luxusleben des höheren Adels oder des Klerus. Der Lehnherr, in dem Fall die Lehnsfrau, nahm niedrige Aufgaben der Gerichtsbarkeit, zum Teil polizeiliche Aufgaben sowie Überwachungsaufgaben gegenüber ihren Lehnsmännern war.

Im Jahr 1747 übergab die Freifrau die Hofmark ihrem drittältesten Sohn Matheus Carl. Sie verstarb in einem Moosburger Damenstift. Ein Gedächtnismal von ihr ist heute noch in der Alten Kirche St. Peter und Paul am See zu bewundern.

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Tutzing zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Die Bilder stammen aus der Präsentation "Tutzinger Landadel vom 16. bis zum 19. Jahrhundert - Die Familie von Vieregg" von Elke Schmitz und Manfred Grimm, die uns freundlicherweise Stefanie Knittl zur Verfügung gestellt hat.

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Stefanie Knittl

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