Geschichte
13.8.2019
Von vorOrt.news

Zu Gast im Midgardhaus

Erlebnisse des Dichters Thomas Mann in Tutzing schildert eine Ausstellung im Ortsmuseum

Thomas-Mann11.jpg
Organisator der Ausstellung ist Gernot Abendt (re.) , hier bei der Vernissage © L.G.

Der Dichter Thomas Mann war oft und gern in Tutzing. Wie eng seine Zuneigung zur hiesigen Gegend war, das veranschaulicht eine Ausstellung im Tutzinger Ortsmuseum: „Thomas Mann am Starnberger See“, die noch bis zum 25. August zu sehen ist. Die Tutzinger Antiquarin Barbara van Benthem hat viele Details für diese sehenswerte Schau zusammengestellt..

In Tagebuch-Einträgen erzählt Thomas Mann beispielsweise von einer Segelfahrt nach Seeshaupt, von Spaziergängen in der Tutzinger Waldschmidtschlucht - damals „Waldschmied-Schlucht“ -, von einer Überfahrt auf die Roseninsel, von Einkäufen in der Konditorei Dreher (später Hofmair, heute Erin) und im Geschäft Bodemann, vom Radeln, Segeln und Rudern. „Für den Kulturmenschen grenzt Natürlichkeit nahe an Wollust“, schrieb er 1920 in sein Tagebuch.

Organisator der Ausstellung ist der Sammler und ehemalige dritte Tutzinger Bürgermeister Gernot Abendt, der Thomas Mann verehrt, seit er in jungen Jahren seinen „Zauberberg“ gelesen hat.

Blick auf den Starnberger See: Wie auf die Ostsee bei Travemünde

Thomas-Mann2.png
"Fülle des Wohllauts": Thomas Mann war begeistert vom Grammophon

Was Thomas Mann in der hiesigen Region so alles erlebt und geschätzt hat, das erfahren die Besucher der Ausstellung detailliert. So beispielsweise, dass der Schriftsteller zusammen mit seiner Frau Katja im Jahr 1907 erstmals nach Seeshaupt gekommen ist. Oder dass sie von 1911 an mehrmals beim Maler und Illustrator Hermann Ebers (1881-1955) zu Gast waren, der als Sohn von Georg Ebers im Tutzinger „Midgardhaus“ aufgewachsen war. Dessen Villa, so wird in der Ausstellung berichtet, war in den 1870er Jahren im Besitz eines russischen Gesandten gewesen. Ebers erwarb das „Russenschlössl“ 1909 und baute es um. Im Tutzinger Museum kann man zahlreiche Details anhand von Manns Tagebucheinträgen nachvollziehen. 1921 notierte er, wie sehr ihn der dortige Blick auf den Starnberger See an die Ostsee bei Travemünde erinnerte. Seine Tochter Erika Mann hat im Feldafinger Hotel Kaiserin Elisabeth 1926 ihre Hochzeit mit dem Schauspieler Gustaf Gründgens gefeiert, seine Frau Katja Mann wurde in Feldafing geboren, sein Bruder Heinrich Mann und dessen erste Frau Mimi besuchten Tutzing, sie wohnten im damaligen Hotel "Simson".

Anzeige
Ostern-2024-B.png

"Die Starnberger Sphäre zieht mich eben doch am meisten"

Thomas-Mann8.jpg
Die Evangelischen Akademie Tutzing hat Thomas Mann 2018 eine Tagung gewidmet

Im Tutzinger Ortsmuseum findet man derzeit zu all dem eine Fülle von Material. An den Schriftsteller Ernst Bertram, mit dem er befreundet war, schrieb Thomas Mann beispielsweise 1922: „Die Starnberger Sphäre zieht mich eben doch am meisten.“ Originalhandschriften, Fotografien und Erstausgaben sind sorgfältig zusammengetragen worden. Sogar eine vollständige Reihe aller Drucke aus dem Phantastus-Verlag Georg Martin Richters gehört zu den sehenswerten Exponaten.

Richter war Eigentümer eines 1912 errichteten Gebäudes in Feldafing, in dem Thomas Mann in den Jahren 1919 bis 1923 nachweislich vierzehnmal wohnte. Er nannte es „Villino“, schrieb dort Teile des Romans "Zauberberg" und war schier fassungslos von den neuen Möglichkeiten des Musikgenusses mit einem in dem Haus befindlichen Grammophon.

Von der „Fülle des Wohllauts“ schwärmte Thomas Mann später im „Zauberberg“. Feldafings Bürgermeister Bernhard Sontheim, selbst leidenschaftlicher Jazz-Liebhaber und Musiksammler, hat mit Hilfe des in seinem Ort wohnenden Briten Mark Pearson in England ein baugleiches Original-Grammophon ersteigern lassen.

Das „Villino“ wurde 1934 Teil der „Reichsschule der NSDAP“. Von 1945 bis 1953 waren dort in einem Lager „Displaced Persons“, ehemalige Zwangsarbeiter und Überlebende des Holocaust, untergebracht. Seit 1956 gehörte das Haus der Fernmeldeschule derBundeswehr. Durch die Forschungen des Literaturwissenschaftlers Dirk Heißerer ist es 1995 aus dem Dornröschenschlaf geweckt worden.

Wie es zur Entdeckung auf dem Feldafinger Bundeswehrgelände kam

Thomas-Mann1.jpg
Gernot Abendt hat viele Originalstücke von Thomas Mann gesammelt - und auch beim Feldafinger "Villino" eine Rolle gespielt

Zu dieser historischen Entdeckung damals hat Gernot Abendt, der in Tutzing auch Museumsbeauftragter der Gemeinde ist, nicht unerheblich beigetragen. Wie der Zufall so will, war er 1994 als Oberstleutnant fürs Gelände der Feldafinger Fernmeldeschule verantwortlich, als er von einem Mitarbeiter eine hochinteressante Information bekam: Ein Gebäude auf dem Bundeswehrareal war das Gebäude, in dem Thomas Mann lange gelebt hatte.

Der Leiter der damals dort untergebrachten Bauverwaltung wollte das Haus eher in die Luft sprengen, als es zu verlassen, erinnert sich Abendt schmunzelnd. Der Kommandeur war aber anderer Meinung. Dabei hat der Literatur- und Mann-Kenner Abendt zweifellos eine Rolle gespielt.

So wurde in dem Haus schließlich ein Museum untergebracht. Dazu erschien eine umfangreiche Dokumentation „Thomas Manns Villino am Starnberger See“.

Neue Nutzungen des "Villino" stehen noch vor Hürden

Thomas-Mann-Villino2.jpg
Umbaupläne: (v.li.) Dr. Simon Machnik, Dr. Veronika Hofmann, Prof. Rainer Salfeld (alle Artemed), Gernot Abendt, Bernhard Sontheim und Carlos von Maltzan im Oktober 2018 vor dem "Villino" © L.G. / Sammlung Gernot Abendt / Ortsmuseum Tutzing

Mittlerweile hat sich viel geändert. Die in Tutzing ansässige Artemed-Klinikgruppe hat diesen Teil des früheren Bundeswehrgeländes erworben, sie wird dort bald ein neues Krankenhaus eröffnen. Für große Teile des an Thomas Mann erinnernden "Villino"-Inventars samt einer Bibliothek von 2500 Bänden war kein Platz mehr. Die Erinnerung an den Schriftsteller soll zwar in dem Gebäude noch wach gehalten werden, doch dies wird nur in kleinerem Maß als früher der Fall sein. Dirk Heißerer musste mit seinem Thomas-Mann-Forum für die historische Sammlung eine neue Bleibe finden. Inzwischen befindet sie sich in einem Raum der Stadtbibliothek von Bad Tölz, wo Thomas Mann einst ein Landhaus besaß.

Artemed-Chef Prof. Rainer Salfeld würde das Villino mit seinem Unternehmen gleichzeitig gern wieder so weit wie möglich in seinen ursprünglichen Zustand versetzen und es teils für eine Stiftung, teils als Thomas-Mann-Gedenkstätte mit Ausstellung und Filmen nutzen - mit Unterstützung von Gernot Abendt. Umbaupläne des Architekten Carlos Graf Maltzan wurden schon im Oktober 2018 vorgestellt (siehe Bild).

Doch diesen Plänen stehen vorerst noch Hürden im Weg. Wegen einer für sie notwendigen Nutzungsänderung will sie das Landratsamt Starnberg nicht genehmigen, weil das Gebäude im Bebauungsplan als Wohnhaus eingetragen ist und über all die Jahre als "Sondergebiet Museum" galt.

Nun prüft der Eigentümer eine Nutzung als Wohnhaus und eine Vermietung an Personal der neuen Klinik. Künftige Mieter müssten dann Interessenten wohl zu Besichtigungszwecken hinein lassen.

Thomas Mann am Starnberger See

Sonderausstellung im Ortsmuseum Tutzing
Noch bis zum 25. August 2019
Öffnungszeiten: Mittwoch, Samstag und Sonntag jeweils 14 bis 17 Uhr
Gruppen und Schulklassen nach Vereinbarung, Tel. 08158 / 8120 Gernot Abendt

ID: 2075
Über den Autor

vorOrt.news

Kommentar hinzufügen

Anmelden , um einen Kommentar zu hinterlassen.
Feedback / Fehler melden