Das sorgt in der Tutzinger Geschäftswelt für Diskussionen: Verlagern sich die Kundenströme tatsächlich mehr und mehr aus dem Ortszentrum heraus? Das ist eines der Hauptargumente für die Schließung der Brahms-Apotheke in der Hauptstraße. Deren Inhaberin hat zwar auch andere Gründe genannt, so besonders die Folgen der Gesundheitsreformen in den vergangenen Jahren und das Erstarken des Versandhandels mit Arzneimitteln, also besonders die zunehmenden Bestellungen von Medikamenten per Internet. Leerstand in der Hauptstraße Doch das Argument mit der Verlagerung der Kundenströme belebt die Debatte neu, die in zahlreichen anderen Orten geführt wird und die auch im Tutzinger Einzelhandel schon seit vielen Jahren gärt.
Die Entwicklung in Wolfratshausen ist besonders plakativ. Zwölf Geschäfte stehen dort nach Angaben aus Maklerkreisen mittlerweile leer. Immer mehr von ihnen sind über die Jahre stillgelegt worden, in der Altstadt bröckeln die Fassaden.
Teils gravierende Folgen von Leerständen und Abwanderungen
Veränderungen der Infrastruktur sind seit langem auch in Tutzing zu beobachten. Nicht nur etliche Läden stehen inzwischen leer. Für andere sind zwar nach dem Auszug der früheren Betreiber wieder neue Mieter gefunden worden. Doch in mehreren Fällen handelt es sich dabei um Anbieter mit weniger Kundenfrequenz. Damit gibt es in den betreffenden Gegenden weniger Laufkundschaft und weniger potenzielle Käufer für alle Läden in der Nachbarschaft.
So haben früher beispielsweise Supermärkte wie Spar in der Hauptstraße oder Netto in der Hallberger Allee zahlreiche Menschen angelockt, von denen nicht wenige auch als Kunden für die Geschäfte nebenan in Frage kamen. Für die Nachbarläden haben solche Entwicklungen häufig gravierende Folgen.
Erhebliche Konsequenzen hatte auch der Abzug von Roche aus Tutzing. Früher hat das Pharmaunternehmen in der Gemeinde hunderte Mitarbeiter beschäftigt, von denen viele auch regelmäßig im Ort eingekauft haben. Als sie wegfielen, haben nicht wenige Geschäfte deutlich Umsatz verloren und über kurz oder lang ihre Existenz bedroht gesehen.
Warnungen vor Sterben der Ortszentren
Längst nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand wird bundesweit vor einem Sterben der Ortszentren gewarnt. Der Deutsche Städte- und Gemeinde-Bund sieht in der Bundesrepublik 50 000 Läden in Gefahr. Die Gründe scheinen auf der Hand zu liegen: Zum einen wird immer mehr im Internet bestellt. Zum anderen bieten die Einkaufszentren zunehmend auch solche Angebote, die für die kleinen Geschäfte in den Ortszentren typisch sind. In Tutzing belegen die Ansiedlungen rund um Edeka und Aldi an der Lindemannstraße diesen Trend, der durch einen erwarteten neuen Drogeriemarkt weiter verstärkt werden wird.
Parkmöglichkeiten in den Einkaufszentren locken die Kunden an
Nicht zuletzt kann man bei den großen Einkaufszentren meist leicht direkt neben den Läden parken. In den Ortszentren ist der Trend oft gegenläufig - mit einer Tendenz, Autoparkplätze in den Innenstädten eher zu reduzieren und von den Kunden gewisse Fußwege zu fordern. Argumentiert wird oft mit Bemühungen um eine verbesserte Aufenthaltsqualität. In Geschäftskreisen sind jedoch Zweifel zu hören, ob die dadurch gewonnenen Vorteile die Abkehr der Kunden vom Ortszentrum ausgleichen können. Denn die Bequemlichkeit beim Einkaufen - mit einer großen Warenvielfalt und Parkmöglichkeiten vor der Tür - wird offenkundig hoch geschätzt, wie die Begründung für die Schließung der Brahms-Apotheke belegt.
Die Entwicklung in ihrer Branche scheint den Trend der Kundenströme hinaus in die großen Einkaufszentren zu bestätigen: Vor wenigen Jahren gab es im engeren Tutzinger Ortszentrum noch drei Apotheken: die damalige Benedikten-Apotheke, später Bienen-Apotheke, in der Greinwaldstraße, die Brahms-Apotheke und die Schloss-Apotheke, beide in der Hauptstraße. Nur noch eine einzige von ihnen bleibt jetzt übrig: die Schloss-Apotheke.
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