Gemeindeleben
31.1.2023
Von vorOrt.news

Die Mutmacher von Tutzing

Appelle voller Hoffnung bei der Lichterkette – Mit dabei: der bekannte ukrainische Sänger Sergey Babkin

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Der bekannte ukrainische Sänger Sergey Babkin (2.v.li.) hat am Montagabend bei der Tutzinger Lichterkette gesungen. Mit dabei waren Pfarrerin Beate Frankenberger (li.), Pfarrer Peter Seidel (3.v.li.), Bürgermeisterin Marlene Greinwald (5.v.li.) und viele andere.

Wie ein Aufschrei war die achte Tutzinger Lichterkette am Montagabend: „Mut und Hoffnung in diesen Zeiten“ war das Motto, das auf der Rathauswiese mit intensiven Worten, Gebeten und manchen musikalischen Leckerbissen immer wieder kräftig betont wurde.

Einer der bekanntesten Sänger aus der Ukraine wurde zu einem der Highlights: Sergey Babkin, Teil des Duos „5'nizza“, sang Lieder und die Hymne seiner Heimat so eindringlich, dass viele der rund 250 Menschen, die an der Kundgebung teilnahmen, sichtlich ergriffen waren. Babkin, der mit Wohltätigkeitskonzerten schon viel Spendengeld für seine Heimat gesammelt hat, wohnt zurzeit in Tutzing. Mit seiner optimistisch wirkenden Art, seiner starken Stimme und seiner mitreißenden Musikalität schien er große Hoffnung auszustrahlen – wie ein Signal auch für seine Landsleute, von denen viele zu der Veranstaltung gekommen waren.

Auch sonst war diese öffentliche Kundgebung voller ideenreicher Mutmacher. Etwa, als der Chor der Grundschule ein Lied über „alle Kinder dieser Welt“ vortrug, als der evangelische Kirchenchor sang „I’ve got peace like a river“, als der Chor Blue Notes „Hoffnung wider alle Hoffnung“ einforderte oder als gegen Schluss alle mit den jungen Leuten aus dem Tutzinger Gymnasium in John Lennons Mahnung einstimmten: „Give peace a chance“.

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Ein Lichterkreis als Signal für Mut und Hoffnung am Montag auf der Tutzinger Rathauswiese
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Sehr persönliche Worte von Kindern, Zitate von jungen Leuten aus dem Gymnasium

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"Ein Zeichen über die Gemeindegrenzen hinaus": Das Rednerpult bei der Lichterkette

„Wir setzen ein Zeichen über die Gemeindegrenzen hinaus“, sagte die Tutzinger Bürgermeisterin Marlene Greinwald. Es sei ein Appell, freundlich, respektvoll und hoffnungsvoll mit anderen Menschen umzugehen, die Türen und die Herzen zu öffnen.

Wie Mut und Hoffnung zu fördern seien, fragte Udo Hahn, der Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing. Seine Antwort: „Wenn ich mich heute Abend hier umschaue, dann beantworte ich die Frage so: durch Gemeinschaft! Indem wir zusammenstehen, wachsen unter uns Mut und Hoffnung.“ (Vollständiger Text der Rede von Udo Hahn siehe unten)

Was gibt mir Mut? Ganz persönliche Antworten auf diese Frage trugen Kinder der dritten und vierten KIasse vor: Reden mit Freunden, an schöne Erlebnisse denken, Dinge schaffen, von denen man nicht dachte, dass man sie schaffen kann, Hoffnung für die Menschen in der Ukraine haben, nicht allein sein, etwas Schönes unternehmen. Junge Leute aus dem Tutzinger Gymnasiums hielten sich lieber an bekannte Zitate: „Der Friede ist das Meisterwerk der Vernunft“ (Immanuel Kant), „Es gibt keinen Weg zum Frieden – der Frieden ist der Weg (Mahatma Ghandi) oder „Jeder Mensch sollte anderen helfen, nur so verbessert sich die Welt“ (Charlie Chaplin im Film „Der große Diktator“).

Bürgermeisterin Greinwald erwähnte auch die Sondersitzung des Gemeinderats, bei der am Tag darauf, gestern, die Entscheidung für die Klosterwiese als Standfort einer Containeranlage für Flüchtlinge getroffen wurde. Zum Zeitpunkt der Lichterkette war diese Lösung aufgrund von Gesprächen mit den Missions-Benediktinerinnen offenbar schon klar, aber das war öffentlich noch nicht bekannt. „Wir werden es schaffen, die geflüchteten Menschen mit offenen Armen aufzunehmen", sagte die Bürgermeisterin, "und wir werden versuchen, ihnen Ruhe und Frieden zu schenken.“

Die Rede von Udo Hahn bei der Lichterkette

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"Wir brauchen Mut zur Hoffnung": Akademiedirektor Udo Hahn auf der Rathauswiese © L.G.

„Kenn weder die Freiheit noch Freude und Glück,
Im Herzen blieb mir nur die Hoffnung zurück.“

Laryssa Kossatsch ist neun Jahre alt, als sie diese Worte schreibt. Es ist der Anfang eines Gedichts, das den Titel „Hoffnung – Marushka“ trägt. Unter ihrem Künstlernamen Lesja Ukrajinka ist sie bis heute berühmt, diese ukrainische Dichterin, 1871 geboren, 1913 gestorben.

Freiheit, Freude, Glück – danach sehnen sich so viele Menschen. Wer schon einmal Freiheit, Freude und Glück erfahren hat, der verliert jede Hoffnung, wenn er mit dem Gegenteil konfrontiert wird: mit Zwang, Leid und Trauer.

„Mut und Hoffnung in diesen Zeiten“, unter diesem Motto steht die 8. Tutzinger Lichterkette. Wenn wir etwas in diesen Tagen, Wochen und Monaten brauchen, dann sind dies Mut und Hoffnung. Als Kraft, die sich auflehnt gegen die um sich greifende Resignation, Sorge und Angst.

Hoffnung ist eine Gegenkraft – der Antrieb, der uns motiviert, das Mögliche zu tun. Und manchmal auch das Unmögliche zu wagen. Wenn uns die Hoffnung beflügelt, kann vieles gelingen. Wo sie uns antreibt, entwickeln wir Mut.

Hoffnung ist wichtig, denn die Mutlosigkeit erfasst uns immer wieder. Wenn wir auf das eigene Ungenügen und Unvermögen schauen. Dabei braucht die Hoffnung nur wenig Nahrung. Kleine Erfolgserlebnisse genügen. Hoffen lernen wir dadurch, dass wir handeln, als sei die Befreiung aus der Not möglich. Hoffnung garantiert jedoch nicht, dass alles gut ausgeht. Hoffen heißt: darauf vertrauen, dass sinnvoll ist, was wir tun.

Wir brauchen Mut zur Hoffnung. Zum Mut und zur Hoffnung brauchen wir das Vertrauen, dass uns Gutes gelingen wird. „Mut“ bedeutet dem Wortsinn nach das „Herz des Menschen“. „Herz“ steckt in dem französischen Wort Courage, das wir mit Mut übersetzen. Wer mutig ist, hat ein Herz für etwas, das er oder sie liebt, das ihm und ihr wichtig ist. Mut setzt Sympathie, Nächstenliebe, Menschenliebe voraus. Wo Einzelne oder eine ganze Gesellschaft gleichgültig werden, wo die Fähigkeit zu lieben und die Sensibilität für das Leiden verloren gehen, da verschwinden auch Mut und Hoffnung. Das darf nicht geschehen!

Wie können wir Mut und Hoffnung fördern? Wenn ich mich heute Abend hier umschaue, dann beantworte ich die Frage so: durch Gemeinschaft! Indem wir zusammenstehen, wachsen unter uns Mut und Hoffnung.

Hoffnung ist kein Gefühl. Es ist vielmehr eine Haltung, eine Vorstellungskraft. Wir stellen uns vor, was wir erhoffen. So befreit uns die Hoffnung davor, als endgültig und unabänderlich anzusehen, was uns schier verzweifeln lässt: Krieg, Erdüberhitzung, Ungerechtigkeit.

Mit einem Zitat von Lesja Ukrajinka habe ich begonnen. Mit dem Zitat einer berühmten Romanfigur möchte ich schließen: „Aber glaubt mir, dass man Glück und Zuversicht selbst in Zeiten der Dunkelheit zu finden vermag. Man darf bloß nicht vergessen, ein Licht leuchten zu lassen.“ Dies sagt der Direktor der Zauberschule Hogwarts, Albus Dumbledore, in dem Band „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“. Mit anderen Worten: Solange du einen Funken Hoffnung besitzt, solange du etwas tust, das dir wichtig ist, kannst du glücklich sein, selbst wenn es dir im Augenblick nicht so erscheint.

Mit der 8. Tutzinger Lichterkette lassen wir ein Licht leuchten, das Mut und Hoffnung gibt.

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