Gemeindeleben
20.9.2021
Von Lorenz Goslich

Der menschliche Charakter Tutzings

Die Ambulante Krankenpflege ist in 100 Jahren zu einer modernen sozialen Einrichtung geworden

Viel Freude über das Jubiläum, aber auch große Sorgen um die künftige Entwicklung: Zwischen diesen beiden Polen schwankt die Stimmung der Verantwortlichen bei der Ambulanten Krankenpflege Tutzing, die vor genau 100 Jahren gegründet worden ist. Das ist bei der Mitgliederversammlung am vergangenen Wochenende deutlich geworden. Tutzings katholischer Pfarrer Peter Brummer, der Vereinsvorsitzende, schreibt in einer Festschrift: „100 Jahre - dieses ganz besondere Jubiläum bedeutet für mich und für viele Menschen: dankbarer Rückblick auf die Anfänge durch Kirche und Tutzinger Kloster im Jahre 1921, verbunden mit gelebter Caritas und Nächstenliebe, dankbarer Blick auf Geschichte und Gegenwart mit all dem Beachtlichen, was sich entwickelt hat, sowie zuversichtlicher, mutiger Blick in die Zukunft.“ Da gebe es „manche Ungewissheiten und Herausforderungen“.

An vorderer Stelle stehen dabei Personalprobleme. Qualifizierte Mitarbeiter sind nur schwer zu finden. Etliche Personen werden im Verlauf der nächsten fünf Jahre aus Altersgründen ausscheiden. Ob ausreichend geeignete Nachfolger zu finden sind und ob die gute Fachkräftequote, über lange Zeit 70 Prozent, zu halten ist, das ist ungewiss.

1117 Mitglieder hat die Ambulante Krankenpflege derzeit, wie Heil in der Versammlung berichtete. Hinzu kommen 100 Mitglieder eines Freundeskreises „Wir in einem Boot“, zusammen also 2117 Mitglieder. In diesen engagierten Personen, die auch viel finanzielle und tatkräftige Hilfe leisten, sehen die Verantwortlichen ein wesentliches Fundament dieses Vereins, dessen Stabilität und dessen Kompetenzen weit über Tutzing hinaus anerkannt sind. Beschäftigt werden zurzeit nach Heils Angaben 95 Personen. Besonders stolz zeigte er sich auch auf 104 ehrenamtlich für den Verein tätige Menschen.

Der Jahresumsatz beträgt rund 3,8 Millionen Euro; das sind die Einnahmen für Pflege- und Betreuungsleistungen, außerdem sonstige betriebliche Erträge. Damit hat die Ambulante Krankenpflege die Größenordnung eines mittelständischen Unternehmens. Ein hoher Anteil von 75 Prozent entfällt auf die Personalkosten – und unter dem Strich steht ein operativer Verlust von 171 000 Euro. Im Jahr zuvor betrug das Minus sogar 262 000 Euro. „Das wird sich nicht schlagartig ändern“, sagte der für die Finanzen zuständige Vorstand Dr. Thomas von Mitschke-Collande voraus. Er kommentierte aber: „Wir haben nicht zu viele Personalkosten - sie sollten sogar noch höher sein.“ Pflege am Menschen sei halt nur mit Menschen möglich, „nicht mit einem Roboter“. Das Problem sei, dass der Betrag, den die Sozialkassen bezahlten, zu niedrig sei. Zum Glück gebe es aber in Tutzing viele Unterstützer. So konnte der Verlust durch ein „ideelles Ergebnis“ von 264 000 ( Vorjahr 424 000) Euro ausgeglichen worden. „Viele, viele kleine Spenden“ und auch besonders ein Vermächtnis haben dies nach seinen Worten ermöglicht.

Die Ambulante Krankenpflege ist nach Einschätzung ihrer Verantwortlichen zu einer modernen sozialen Einrichtung herangewachsen, die heute Menschen in jeder Lebenssituation individuelle Pflege und Betreuung anbieten kann. Das Angebotsspektrum reicht von der ambulanten Pflege über betreutes Wohnen, Tagespflege für Senioren und ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz bis zum Hausnotruf. Hinzu kommen zahlreiche weitere Dienstleistungen, Initiativen und Einrichtungen wie die Tafel „Tutzinger Tischlein deck dich“, ein Caritas-Trödelladen, eine Kleiderstube, ein Mittagstisch und Spielenachmittage, Coaching für pflegende Angehörige und ein Verleih medizinischer Hilfsmittel. Bis zu umfassenden Informationen über Gesundheitsthemen spannt sich der Bogen. Beispielhaft dafür kann ein

„Die vielen Einrichtungen unserer ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfe unterstützen die Schwächeren in unserer Mitte und tragen zum liebenswert menschlichen Charakter Tutzings bei“, schreiben die Verantwortlichen zu Recht in der Festschrift. Immer neue Angebote kommen hinzu. In Bernried wird im November eine neue betreute Wohnanlage am Grundweiher eingeweiht, bei der der Verein mit der dortigen Gemeinde zusammenarbeitet.

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In der Versammlung wurde auch der Vorstand gewählt. Da einige Personen dem Führungsgremium kraft Amtes angehören, standen nur bestimmte Mitglieder zur Wahl. So sieht der Vorstand aus

1. Vorsitzender: Pfarrer Peter Brummer
2. Vorsitzender: Dr. Rainer Wiesmeier
Schriftführer: Dr. Thomas von Mitschke-Collande
Mitglied der Kirchenverwaltung: Alfons Mühleck
Vertreterin der Gemeinde Tutzing: Verena von Jordan-Marstrander
Sprecherin des Freundeskreises: Jutta Witzenhausen-Rommel
Weitere Vorstandsmitglieder: Schwester Ruth Schönenberger, Raimund Mader

Die beiden langjährigen Kassenprüfer, Altbürgermeister Peter Lederer und Rosemarie Wunsch, haben nicht wieder kandidiert. Ihre Nachfolger sind Maria Neumann und Uwe Bieber.

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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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