Gemeindeleben
20.6.2021
Von vorOrt.news

Weitere Pläne für Flüchtlingshilfe in Tutzing

Unterstützerkreis hofft auf Beteiligung der Jugend - Greinwald: Gesetzgeber ist zu weit weg

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Sie präsentierten die Ergebnisse der Spendenaktion: (von links). Gerald Karl, Peter Brummer, Friederike Rother, Marlene Greinwald, Claudia Steinke, Constantinos Gianjacacos, Martin Lehmann-Dannert, Maria Möller und Beate Frankenberger © L.G.

Nach der Spendenaktion „Tutzing hilft im Mittelmeer“ plant der Ökumenische Unterstützerkreis weitere Aktivitäten zur Hilfe von Flüchtlingen. Eine neuen Anlauf kündigt seine Vorsitzende Claudia Steinke für den Herbst dieses Jahres an. Dafür hofft sie auch junge Menschen in Tutzing gewinnen zu können, wie sie am Freitagabend bei einer Präsentation der Spendenverteilung mitteilte. Sie verwies auf den in Aufbau befindlichen Jugendbeirat in Tutzing, mit dessen Organisatoren sie nach dessen vorgesehener Wahl Kontakt aufnehmen will.

Zu einem Pressegespräch und einer Podiumsdiskussion am Freitag waren Vertreter mehrerer Organisationen nach Tutzing gekommen, die Geld aus der Spendenaktion erhalten. Insgesamt hast die Aktion die Spendensumme von 76 549 Euro erbracht. Die Empfänger waren schon zuvor bekanntgegeben worden. Tutzing hilft erfolgreich im Mittelmeer Die Aktion war auf Initiative des Ökumenischen Unterstützerkreises Tutzing zustandegekommen. „Das ist eine Erfolgsgeschichte in Tutzing“, sagte der katholische Pfarrer Peter Brummer.

Bürgermeisterin Greinwald fordert Kommunen zu Druck auf den Gesetzgeber auf

Bürgermeisterin Marlene Greinwald forderte die Kommunen zu Druck auf den Gesetzgeber auf, sich mehr für Flüchtlinge zu engagieren. „Ich hoffe, dass sich noch viel mehr Städte und Gemeinden anschließen“, sagte sie. Der Gesetzgeber sei zu weit weg. Unter erkennbarer Abgrenzung zur Europa- und Bundespolitik sagte die Rathauschefin: „Wir sind nah bei den Menschen.“

Greinwald äußerte ausdrücklich Anerkennung für ihren Gemeinderat, weil er den Beitritt zum Bündnis trotz viel Gegenwind zu solchen Aktivitäten von Kommunen einstimmig befürwortet hatte. Die Bürgermeisterin sprach von einem „Wirrwarr” darüber, ob sich eine Gemeinde wie Tutzing überhaupt bei diesem Thema so engagieren dürfe. „Aber es hat sich herausgestellt: Wir in Tutzing dürfen es“, betonte sie. Es habe sich alles „in Wohlgefallen aufgelöst“. Nach dem Tutzinger Beschluss vom September 2020 hatte sie erklärt: „Wir können zwar keinen Wohnraum zur Verfügung stellen, aber wir können uns mit anderen Aktivitäten beteiligen.“

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Tutzing ist als einzige Gemeinde des Landkreises Starnberg dem Bündnis "Seebrücke" beigetreten

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Claus-Peter Reisch, der als Seenotretter bekannt geworden ist, meldete sich per Video-Botschaft in Tutzing © L.G.

Die Gemeinde Tutzing war als einzige Kommune im Landkreis Starnberg dem Bündnis „Städte Sichere Häfen“ - auch "Seebrücke" genannt - beigetreten. Andere Gemeinden des Landkreises hatten dies abgelehnt. Auch ohne offizielle Beitritte anderer Gemeinden aus dem Landkreis Starnberg gab es aber finanzielle Unterstützung aus der Nachbarschaft. Claudia Steinke, die Vorsitzende des Unterstützerkreises, berichtete erfreut über eingegangene Spenden aus Berg, Pöcking und dem Würmtal. Als sehr beachtlich bezeichnete sie mehrere Großspenden in vier- und fünfstelliger Höhe. Der Rest verteile sich auf etwa 320 Spenden mit ansehnlichen Höhen von durchschnittlich mehr als 100 Euro.

„Wohin mit dem Geld?“ Diese Frage, die als Titel der Podiumsdiskussion gewählt wurde, hatte sich die Spendenjury zu stellen. Sie bestand aus Tutzings evangelischer Pfarrerin Beate Frankenberger, dem katholischen Pfarrer Peter Brummer, Gemeinderat Florian Schotter, dem als Seenotretter bekannt gewordenen ehemaligen Schiffsführer Claus-Peter Reisch und Claudia Steinke. Es sei schnell klar gewesen, dass nicht nach dem Gießkannenprinzip überall gespendet werden könne, sagte Martin Lehmann-Dannert vom Unterstützerkreis. Nach den Worten von Claudia Steinke hat sich die Jury auf drei Säulen konzentriert: Seenotrettung, medizinische Hilfe vor Ort und lokale Projekte.

Ärztin über ihre Erfahrungen in Flüchtlingslagern: "Ich habe noch nie solche Panik-Attacken erlebt"

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Die Ärztin Maria Möller bei ihrem Bericht im Roncallihaus © L.G.

Die eigens nach Tutzing gekommenen Vertreter von Organisationen, die Spenden erhalten haben, bedankten sich herzlich für die Hilfe, versprachen, die Gelder gut einzusetzen und erzählten eindrucksvoll von ihrer Arbeit. Unter ihnen war der Krankenpfleger Gerald Karl. Er berichtete über mehrere Einsätze für die Seenotrettungs-Organisation SOS Mediterrannée. Mit dem Spendengeld, sagte er, könnten 700 Menschen ausgestattet oder die Bordapotheke für fünf Monate mit Medikamenten bestückt werden.

Mit dabei war auch die Augsburger Ärztin Maria Möller. Sie hat schon mehrmals für die „Medical Volunteers International“ ehrenamtlich in Flüchtlingslagern gearbeitet. „Ich habe Panik-Attacken erlebt wie nie zuvor“, berichtete sie. Constantinos Gianacacos, der in München das evangelische Migrationszentrum im Griechischen Haus leitet, beklagte bitter eine „aktive Abschreckungspolitik‘“ in Griechenland als Unrecht, zu dem man nicht schweigen dürfe. Unter Beifall verwies er auf den Wunsch vieler Flüchtlinge, in Deutschland zu leben: „Welches größere Lob für Deutschland könnte es geben?“ Die Verurteilung der mutmaßlichen Brandstifter im Flüchtlingslager Moria kürzlich kritisierte er scharf, im Prozess seien nicht mal internationale Beobachter zugelassen worden. Neue Läger brächten kaum Verbesserungen der problematischen Verhältnisse. Friederike Rother aus Planegg, die auf Lesbos selbst schon lange ein Haus besitzt, berichtete von einer dortigen Lokalbetreiberin, in deren Nähe immer mehr Flüchtlinge ankamen und die sich mittlerweile mit einer eigenen Organisation auf Lesbos intensiv um die Migranten kümmert.

Mit etlichen Akteuren von Hilfsorganisationen stehen die Tutzinger inzwischen in guten persönlichen Kontakten, sagte Claudia Steinke. „Das wollen wir ausbauen“, kündigte sie an. Pfarrer Brummer äußerte sich beeindruckt über die professionelle Arbeit all der Organisationen. Pfarrerin Frankenberger kommentierte: „Man lässt keine Menschen ertrinken - das ist eine christliche Aufgabe.“

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