Gemeindeleben
26.11.2021
Von vorOrt.news

Tutzing leuchtet

St. Joseph, Kino und Midgardhaus gestern Abend: Orange gegen Gewalt an Frauen

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Orange leuchtete die Kirche St. Joseph gestern Abend

Leuchtende Signale gingen am Donnerstagabend von drei Tutzinger Standorten aus: Die Pfarrkirche St. Joseph, das Kino KurTheater und das Midgardhaus waren orange angestrahlt. Der Hintergrund: Es war der Internationale Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen.

Jedes Jahr finden 16 Tage lang weltweit Veranstaltungen und Aktionen statt, um auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Gebäude und Wahrzeichen werden in Orange getaucht. Die Farbe Orange soll eine hellere Zukunft frei von Gewalt symbolisieren. Ziel ist es, für das Problem zu sensibilisieren und dagegen zu mobilisieren. Die Kampagne „16 Days of Activism Against Gender Violence“ wurde von der UN ins Leben gerufen.

In der hiesigen Region engagieren sich bei diesem Thema vor allem der Zonta Club und der Soroptimist-Club. Beide sind Organisationen berufstätiger Frauen. Im Rahmen einer weltweiten Kampagne „Zonta Says NO" läuft eine Petition mit einem dringenden Appell an die neue Bundesregierung: Eine bundesweite staatliche Koordinierungsstelle müsse als Teil einer ressortübergreifenden Gesamtstrategie zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und zum Schutz Betroffener eingerichtet werden.

Regelmäßig Beratungen in Tutzing

„Auch in unserer Region Fünfseeland sind Frauen Gewalt ausgesetzt“, erklärt der Soroptimist-Club. Das belegen auch Angaben des Vereins „Frauen helfen Frauen Starnberg e.V.“. Dessen Beratungsstelle in Herrsching hält regelmäßig Außensprechstunden in Tutzing ab; Informationen dazu stehen ganz unten auf dieser Seite. An die Beratungsstelle haben sich im vorigen Jahr 151 Personen gewandt. Frauen würden von ihrem Partner oder ihrer Partnerin kontrolliert, beleidigt, beschimpft, gedemütigt, manipuliert und bedroht.

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© Beratungsstelle Frauennotruf im Landkreis Starnberg, Jahresbericht 2020 (siehe pdf unten)

Gewalt gegen Mädchen und Frauen sei eine der am weitesten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen der Welt, klagen die Soroptimisten. Sie kenne keine nationalen oder kulturellen Schranken und betreffe jede dritte Frau in Europa. Millionen Frauen und Mädchen seien betroffen. Berichtet wird über körperliche und sexuelle Gewalt, gesundheitsschädliche Handlungen wie Vergewaltigung, Genitalbeschneidung und Menschenhandel. Auch seelische Gewalt, Gewalt im Internet und Ausgrenzung gehörten dazu.

In mehr als zwei Drittel der insgesamt 756 Beratungen beim Verein Frauen helfen Frauen war psychische Gewalt der Anlass. „Diese Art der Gewalt wirkt sich besonders schädigend auf die Frauen und deren Kinder aus“, schreiben die Verantwortlichen im Jahresbericht. Gewalt gehe immer mit Macht und Kontrolle einher.

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Bunter Aufschrei: Am leuchtenden Kurtheater trafen sich gestern Unterstützer der Aktion, unter ihnen Bürgermeisterin Marlene Greinwald (3.v.re.), Zonta-Präsidentin Dr. Charlotte von Bodelschwingh (4.v.re.) und Kino-Betreiber Michael Teubig (3.v.li.).

"Betroffene nach wie vor an vielen Stellen im Stich gelassen"

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Beleuchtet war gestern das Midgardhaus mitsamt seinem Umfeld. Links das bald fertige Salettl. © Fotos: L.G.

An der Tutzinger Kirche St. Joseph haben sich gestern Abend Mesner Rudi Strunz und Pastoralreferent Stefan Petry um die Beleuchtung gekümmert. Im Kino KurTheater hat Betreiber Michael Teubig eine Vorstellung des Films „Stein der Geduld“ des afghanischen Autors Atiq Rahimi ermöglicht. In dem Film pflegt eine Frau fürsorglich ihren im Koma liegenden Mann und beklagt dabei die Tyrannei in ihrer Ehe. Das Midgardhaus war angestrahlt, ebenso Bäume nebendran. An einem von ihnen leuchten weihnachtliche Kugeln. Bereits am 16. November hatte die Evangelische Akademie die Debatte über diese Thematik in Tutzing eröffnet, mit einer Podiumsdiskussion unter dem Thema "Red Flags erkennen & begegnen - Wege aus der Gewalt an Frauen".

Auch in anderen Gemeinden gab es etliche Beiträge zu der Aktion, von denen einige in nächster Zeit fortgesetzt werden. Der Soroptimist-Club Fünfseeland hat beispielsweise gestern die “Arielle von Seefeld” in orange gehüllt. Die Meerjungfrau, eine Skulptur des Künstlers Erich Hofmann, wurde 1961 an der Staatsstraße zwischen Seefeld und Herrsching aufgestellt und 2012 wegen Straßenarbeiten abgebaut. Der Soroptimist-Club hat sie vor der Zerstörung gerettet und sie restaurieren lassen.

Gegner der Istanbul-Konvention berufen sich auf den Schutz traditioneller Werte

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In orange gehüllt wurde gestern die "Arielle von Seefeld" © Soroptimist-Club Fünfseenland

Die Soroptimistinnen stellen die Orange Days in diesem Jahr unter das Motto „Umsetzung der Istanbul-Konvention und Präventionsarbeit“. Die Istanbul-Konvention ist ein vom Europarat 2011 ausgefertigter völkerrechtlicher Vertrag zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, der 2014 in Kraft getreten ist. Bis heute haben 46 Mitgliedsstaaten des Europarats die Konvention unterzeichnet, 34 dieser Staaten haben sie inzwischen ratifiziert. Auf EU-Ebene blockieren osteuropäische Staaten die Ratifizierung, beklagt das "Bündnis Istanbul-Konvention", in dem sich mehr als 20 Frauenrechtsorganisationen, Bundesverbände und Fachleute mit dem Arbeitsschwerpunkt Gewalt gegen Frauen und Mädchen zusammengeschlossen haben. Die Türkei ist mittlerweile wieder aus der Istanbul-Konvention ausgetreten. Tschechien, die Slowakei, Bulgarien, Lettland und Litauen haben die Konvention unterzeichnet, aber noch nicht in nationales Recht überführt. In Ungarn hat das Parlament die Ratifizierung gestoppt. Polen hat das Abkommen unterzeichnet, aber angekündigt, wieder austreten zu wollen. Die Gegner des Abkommens berufen sich nach Angaben des Bündnisses darauf, dass traditionelle Werte geschützt werden sollten. Das Bündnis Istanbul-Konvention bezeichnet diese Haltung als besorgniserregend.

Dr. Charlotte von Bodelschwingh, die Präsidentin des Zonta Clubs Fünf-Seen-Land, war gestern Abend bei der Filmvorführung im Tutzinger KurTheater anwesend. Nach ihren Angaben stirbt in Deutschland jeden zweiten bis dritten Tag eine Frau an den Folgen häuslicher Gewalt. Es handele sich nicht einfach um „Beziehungstaten“, sondern es sei ein großes gesellschaftliches Problem. Trotz eines als vorbildlich geltenden Beratungs- und Hilfesystems würden Betroffene nach wie vor an vielen Stellen im Stich gelassen, beklagen Verantwortliche des Zonta-Clubs.

Informationen und Beratung

Frauen helfen Frauen Starnberg e.V.
Beratungsstelle Frauennotruf im Landkreis Starnberg Mühlfelder Straße 12
82211 Herrsching
Telefon: 08152-5720
Fax: 08152-99 8242
info@frauenhelfenfrauen-sta.de
https://frauenhelfenfrauen-sta.de/
Bankverbindung: Kreissparkasse München-Starnberg IBAN DE 62702501500430886804 BIC BYLADEM1KMS

Außensprechstunde in Tutzing:
an jedem zweiten Dienstag im Monat von 15.30 Uhr bis 17.30 Uhr
Ambulante Krankenpflege Tutzing e.V.
Betreute Wohnanlage
Bräuhausstraße 3, 82327 Tutzing

Die Beratung ist vertraulich, kostenlos und auf Wunsch anonym

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