Alles geht auf Theresia Petsch zurück. Die Ende 2016 im Alter von 99 Jahren verstorbene Tutzingerin hat dem Verein Ambulante Krankenpflege ein großzügiges Vermächtnis hinterlassen. Ein erstes daraus entstandenes Projekt der daraufhin gegründeten „Stiftung Theresia Petsch“ war das vor einigen Jahren in Tutzing an der Traubinger Straße errichtete „Quinthaus“. Nun ist ein zweites Projekt fertig: eine neue betreute Wohnanlage in Bernried, die am Freitag eingeweiht worden ist. Sie ist in einer recht einmaligen Partnerschaft entstanden: Die Stiftung Theresia Petsch und die Gemeinde Bernried haben die Anlage gemeinsam realisiert.
Eine Partnerschaft also sowohl über die Gemeindegrenze Tutzing/Bernried als auch über die Landkreisgrenze Starnberg/Weilheim-Schongau hinweg. Eine „Ehe“ zwischen einer privaten Stiftung und einer Kommune sei rechtlich nicht einfach, sagt der Vorsitzende des Stiftungsrats, Dr. Thomas von Mitschke-Collande. Dass es manche Probleme gab, verschweigt er nicht. Doch letztlich ist die Kooperation der ungleichen Partner offenkundig ausgesprochen gut gelaufen und in 21 Monaten fertiggestellt worden - „in Rekordzeit“, sagt von Mitschke-Collande. Wie zügig alles von den ersten Gesprächen bis zur Genehmigung und nun zur Fertigstellung gelaufen ist, wäre es im Landkreis Starnberg nicht möglich gewesen, sagt der frühere McKinsey-Berater und Tutzinger Gemeinderat - „und das bei den gleichen Gesetzen und Verordnungen“, fügt er hinzu.
"Die Leute sollen hier im Dorf dahoam bleiben"
Dass es in Bernried gelungen ist, hat offensichtlich nicht zuletzt mit einem guten persönlichen Verhältnis der verantwortlichen Akteure zu tun. Zu ihnen gehörten auf Tutzinger Seite neben Mitschke-Collande der Vorsitzende der Ambulanten Krankenpflege, Pfarrer Peter Brummer, ihr Geschäftsführer Armin Heil und weitere Vorstandsmitglieder, so Jutta Witzenhausen-Rommel, die auch den Freundeskreis des Vereins leitet. Auf Bernrieder Seite haben sich besonders der frühere Bürgermeister Josef Steigenberger und sein Nachfolger Dr. Georg Malterer für das Projekt eingesetzt, ebenso Verena Pahlke. Sie koordiniert als „Quartiersmanagerin“ die sozialen Aktivitäten und verlegt diese Funktion nun vom Rathaus in die neue betreute Wohnanlage, deren Leitung sie und Armin Heil gemeinsam übernehmen.
„Die Leute sollen hier im Dorf dahoam bleiben“ - so beschreibt Verena Pahlke ihre Aufgabe. Im Seniorentreff wird es nach ihren Worten auch einen Mittagstisch mit Speisen aus dem Kloster Bernried geben, an dem alle Einheimischen teilnehmen können, nicht nur Senioren.

Keine staatlichen Fördergelder: "Da ist man freier"
Für Pfarrer Brummer ist das neue Projekt auch abermals ein Zeichen für die enge Verbundenheit von Tutzing und Bernried, die in den Kirchen und den Klöstern ebenso zum Ausdruck kommt wie in zahlreichen persönlichen Beziehungen und geschäftlichen Kontakten. Die Einweihung der Anlage fand genau am Tag des 100-jährigen Bestehens der Ambulanten Krankenpflege statt - für Pfarrer Brummer „eine besondere Fügung“, zumal es gleichzeitig der Festtag der Heiligen Elisabeth war, der Patronin der Caritas und der Nächstenliebe.
Dass auf dem Weg zur Fertigstellung der Anlage manche Hürden gut übersprungen werden konnten, führt Mitschke-Collande auch besonders auf das Verhandlungsgeschick von Rudolf Mitterhuber zurück, der für das mit Bauträgeraufgaben befasste St. Ulrichswerk der Diözese Augsburg mitgeholfen hat. Das Ulrichswerk übernimmt zudem die Hausverwaltung. Mit ihm habe man auch bei anderen Einrichtungen gute Erfahrungen gemacht, sagt Heil.
Von Mitschke-Collande nutzte die Gelegenheit dennoch zu einer generellen Kritik: Staat und Kommunen kümmerten sich zwar verpflichtend um die Infrastruktur für junge Menschen, so mit Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen, aber nicht um die Infrastruktur für ältere Menschen. Dies müsse ebenso zur Pflichtaufgabe werden: „Hier ist die Politik gefordert.“ Staatliche Fördermittel haben die Projektpartner aber bewusst nicht in Anspruch genommen. „Da ist man freier“, sagt von Mitschke-Collande. Ansonsten, da ist er sich sicher, wäre alles „komplexer und komplizierter“ geworden. Dann hätte es für die Betreiber zum Beispiel Auflagen gegeben, meint er, an wen sie die Wohnungen vergeben dürfen. Nun können sie alles selbst entscheiden. „Ich kenne alle, die hier einziehen“, sagt Heil.
Das größte Lob war die Einladung des Bauunternehmers und seines Bauleiters zur Einweihung

Das Grundstück am malerischen Grundweiher ist 3500 Quadratmeter groß. Der Generalunternehmer Höfle & Wohlrab aus Thannhausen und die annähernd 30 am Bau beteiligten Firmen haben nach Einschätzung von Mitschke-Collandes „ambitioniert und engagiert“ gearbeitet.
Nach Angaben von Bauleiter Robert Fäustle waren immer etwa 30 Personen am Bau tätig. Man habe Wert auf Firmen aus dem regionalen Umfeld gelegt, auch um für spätere Reparaturen kurze Wege zu ermöglichen: „Dann muss nicht jemand aus Hamburg kommen.“
Für die gesamte Inneneinrichtung hat zum Beispiel der Traubinger Innenarchitekt und Schreiner Willi Renner gesorgt - „made in Tutzing“, betonte Heil. Viel Wert gelegt wurde auch auf Nachhaltigkeit, so mit Solarthermie, Wärmerückgewinnung bei der Lüftungsanlage oder einer vorgesehenen Photovoltaik-Anlage, für die die Installation schon eingerichtet ist. „Den aktuell gültigen Niedrigstenergie-Gebäudestandard haben wir um 15 Prozent unterschritten“, sagte von Mitschke-Collande bei der Einweihung.
Das größte Lob für sein Unternehmen formulierte HBW-Geschäftsführer Christian Wohlrab witzelnd so: „Ich freue mich, dass Herr Fäustle und ich zu dieser Einweihungsfeier eingeladen wurden.“ Es gebe nämlich durchaus Kollegen, bei denen dies am Ende der Bauarbeiten nicht mehr der Fall sei.
Sibylle und Eva begrüßen die Gäste

Im ganzen Haus fallen herausragende Möbelstücke und Accessoires auf. „Freundlich und frisch“ soll alles wirken, sagt Jutta Witzenhausen-Rommel, die sich intensiv um die Inneneinrichtung gekümmert hat. Wohnlich und lebendig soll alles sein, sagt sie.
Etliche Stücke sind gespendet worden, an vielen Stellen fällt ein harmonisches Miteinander von Alt und Neu auf. Die Tutzingerin Sibylle Brandes ist eigens nach Würzburg gefahren, um von der Künstlerin Hilde Würtheim zwei Figuren anfertigen zu lassen. Armin Heil nennt sie Sibylle und Eva - nach der Spenderin und ihrer Schwester Eva Fohlmeister. Im Eingangsbereich wirken sie regelrecht lebendig, wie sie da sitzen und die Gäste zu begrüßen scheinen.
Die Begegnungsräume im Erdgeschoss sind einladend und gemütlich. Der 210 Quadratmeter große Seniorentreff der Gemeinde Bernried befindet sich auf der einen, die künftig von Martina Ahnoch geleitete 420 Quadratmeter große Tagespflege mit 18 zur Verfügung stehenden Plätzen auf der anderen Seite. Damit kann die Ambulante Krankenpflege nun insgesamt 44 Tagespflegeplätze anbieten, neben denen in Benried zehn im Starnberger Ilse-Kubaschweski-Haus und 16 im Tutzinger Quinthaus. „Davon profitieren 120 Bürger“, sagte Heil.
Unweit der Tagespflege gibt es Zimmer mit Betten zum Ausruhen und unweit davon zwei Pflegeappartements, die auch für Gäste genutzt werden können. In den oberen Stockwerken warten 24 geräumig wirkende Wohnungen mit Größen von 49 bis 85 Quadratmetern und Ausblick auf den Grundweiher vom 1. Dezember an auf die neuen Bewohner. Je zur Hälfte gehören die Wohnungen der Stiftung und der Gemeinde Bernried. Im Untergeschoss gibt es eine Tiefgarage mit 60 Stellplätzen.
Mitarbeiter im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes gesucht
„Trotz des Pflegenotstands haben wir gute Mitarbeiter gefunden“, sagt Heil. Weiterer Bedarf an Mitarbeitern ist aber immer. Gern würde Heil Menschen im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes beschäftigen.
Adolf Petsch, der Mann von Theresia Petsch, war mit seinem Unternehmen in Berlin und München tätig gewesen. Später hatte das Ehepaar in Hannover gelebt und den Ruhestand dann in Tutzing verbracht. Adolf Petsch ist 1981 gestorben. Theresia Petsch hat ihr Vermächtnis mit der Auflage verbunden, dass mit diesen Mitteln alte und pflegebedürftige Personen unterstützt werden sollen. Eine räumliche Begrenzung auf Tutzing habe sie damit „sehr zum Leidwesen“ von Bürgermeisterin Marlene Greinwald nicht verbunden, sagte von Mitschke-Collande bei der Einweihungsfeier schmunzelnd. So kam es zu dem Bernrieder Kooperationsprojekt. Dennoch liebäugeln die Verantwortlichen der Stiftung bereits mit einer weiteren Anlage dieser Art - und zwar in Tutzing.
Kommentar hinzufügen
Kommentare