Svenja Beck ist schwer verletzt. Sie hat nur knapp den zweiten Tötungsversuch ihres Lebenspartners überlebt. Jetzt müsse sie entweder selbst Strafanzeige stellen, erklärt ihr die Oberärztin - andernfalls müsse sie als behandelnde Ärztin sie veranlassen. „Der Weg ins Krankenhaus hat mich gerettet", sagt die 36-Jährige heute. Die aufmerksame Ärztin hatte ihre Verletzungen richtig gedeutet und sofort reagiert.
Gewalt in der Partnerschaft: Auch in der hiesigen Gegend gibt es immer wieder solche schrecklichen Vorfälle, wie die Verantwortlichen des „Zonta Clubs Fünfseenland“ wissen. In den nächsten Tagen wollen sie massiv auf die Probleme aufmerksam machen.
Mit einer Petition „Zonta Says No“ richtet der Club einen dringenden Appell an die künftige Bundesregierung: Eine bundesweite staatliche Koordinierungsstelle müsse als Teil einer ressortübergreifenden Gesamtstrategie zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und zum Schutz Betroffener eingerichtet werden.
Allein in Tutzing wird es bis Ende November drei Aktionen und Veranstaltungen geben: Morgen, am 16. November findet eine Podiumsdiskussion in der Evangelischen Akademie statt - allerdings online, wie kurzfristig entschieden wurde. Thema: "Red Flags erkennen & begegnen - Wege aus der Gewalt an Frauen". Am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, werden in Tutzing wie in vielen anderen Kommunen im Rahmen der UN Women-Aktion „Orange The World" ab 17 Uhr Gebäude orange leuchten, so auch in Tutzing. Das Kino KurTheater zeigt „Stein der Geduld“ des afghanischen Autors Atiq Rahimi, einen Film, in dem eine Frau fürsorglich ihren im Koma liegenden Mann pflegt und dabei die Tyrannei in ihrer Ehe beklagt. Zugleich startet eine weltweite Zonta International Kampagne „Zonta Says NO", die bis zum 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, dauert. Nach Angaben von Dr. Nikola Bachfischer, Vorstandsmitglied des Zonta Clubs Fünfseenland in Tutzing, werden die Aktivitäten im Rahmen dieser Kampagne von öffentlichen Institutionen und Unternehmen der Region StarnbergAmmersee unterstützt, darunter den Gemeinden Herrsching, Starnberg und Tutzing. Detaillierte Angaben zu den einzelnen Terminen weiter unten auf dieser Seite.
Viele Partner steigern ihre Gewaltausbrüche von Mal zu Mal
„Bei uns in Deutschland stirbt nach wie vor jeden zweiten bis dritten Tag eine Frau an den Folgen häuslicher Gewalt“, sagt Dr. Charlotte von Bodelschwingh, Präsidentin des Zonta Clubs Fünf-Seen-Land. „Wir müssen endlich anerkennen“, fordert sie, „dass wir es nicht einfach mit ‚Beziehungstaten‘, sondern mit einem großen gesellschaftlichen Problem zu tun haben.“
Die gewaltsamen Entwicklungen begännen immer schleichend, sagt die Psychiaterin Gisela Eichfelder: mit Kontrolle, mit psychischem Druck, mit ersten Demütigungen und Schlägen. Viele betroffene Frauen trauten sich aber lange nicht zu benennen, was ihnen angetan wurde, gibt der Zonta Club zu bedenken. Sie hofften darauf, dass ihre Partner endlich ihr Verhalten ändern würden. Die Partner bereuten oft ihre Taten, verlören dann aber häufig erneut die Kontrolle über ihr Handel. Viele von ihnen steigerten ihre Gewaltausbrüche von Mal zu Mal.
„Solange Du keine sichtbaren blauen Flecken hast, wirst Du, wenn Du Dich endlich öffnest und Dir Hilfe suchst, oft nur belächelt, nicht ernst genommen“ - so die bittere Klage einer misshandelten Frau, über die der Zonta Club berichtet. „Die öffentlichen Stellen haben mir nicht geholfen“, erzählt sie, „mein Arbeitgeber schickte mir die Kündigung." Bis sich Betroffene aber lösten und es zu einer Strafanzeige komme, benötigten die meisten viele Anläufe: „Die psychischen und sozialen Folgen der Gewalt beeinträchtigen sie oft ein Leben lang.“
„Es wird viel zu wenig für die Prävention getan“
Doris Brummer, die Präsidentin der Union deutscher Zonta Clubs, klagt an: „Wir tun uns noch immer schwer damit zu begreifen, dass wir es bei dieser Form der Gewalt mit einem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun haben.“ Trotz eines als vorbildlich geltenden Beratungs- und Hilfesystems würden Betroffene nach wie vor an vielen Stellen im Stich gelassen. Monika Schröttle, Leiterin der Forschungs- und Beobachtungsstelle Geschlecht, Gewalt, Menschenrechte (FOBES), macht dafür auch die schleppende Umsetzung der Europaratskonvention zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen (Istanbul-Konvention) aus dem Jahr 2011 durch die Bundesregierung und die Länder verantwortlich: „Es wird viel zu wenig für die Prävention getan.“ Zudem mangele es an leicht erreichbaren Zugängen zu Hilfs- und Beratungsangeboten und selbst zum Polizei-Notruf. „Die hierfür notwendigen Maßnahmen müssen ressort- und länderübergreifend koordiniert, wissenschaftlich evaluiert und zuverlässig finanziert werden“, fordert sie. Berufsgruppen, die mit Betroffenen in Kontakt kommen, gerade auch das Gesundheitswesen, müssten dringend stärker einbezogen werden.
„Gewalt an Frauen – in allen Formen – macht auch vor der Mitte der Gesellschaft nicht Halt, weder vor Herkunft, noch vor Einkommen oder Bildung“, so die Akademie. Sie fragt: „Was tun, wenn eine Bedrohung im eigenen Umfeld auftritt? Was, wenn Zeichen von Gewalt an der Kollegin, der Freundin oder Bekannten wahrgenommen werden?“ Beim Podiumsgespräch am Dienstag soll über Auswege und Lösungsansätze gesprochen werden. „Wir brauchen eine bundesweite Gesamtstrategie, die auch bei uns greift“, fordert Dr. Charlotte von Bodelschwingh. Die notwendigen Maßnahmen müssten auch im Fünf-Seen-Land ressortübergreifend koordiniert und zuverlässig finanziert werden.
Die Aktionen und Veranstaltungen in Tutzing:
16. November: Podiumsdiskussion in der Evangelischen Akademie Tutzing
Red Flags erkennen & begegnen – Wege aus der Gewalt an Frauen
Online-Programm:
18.45 Uhr Einlass
19.00 Uhr - 19.15 Uhr
Begrüßung
Alix Michell & Dr. Charlotte v. Bodelschwingh
19.15 Uhr - 21.15 Uhr
Eröffnungsvortrag
Dr. Susanne von Bassewitz
anschließend Podiumsgespräch
Dr. Maria Decker & Marita Fuchs & Prof. Ursula Männle
Moderation: Dr. Susanne von Bassewitz
Link zur Zoom-Veranstaltung:
https://eu01web.zoom.us/j/61888802305?pwd=NkNxNHZVMXU1YXJYbEUvdm5qWFg2UT09
Webinar-ID: 618 8880 2305
Kenncode: 415626
Gäste:
Susanne von Bassewitz, Kommunikationsmanagerin und Präsidentin des Netzwerks Zonta International, Düsseldorf
Dr. Maria Decker, Vorstand der Menschenrechts- und Frauenhilfsorganisation SOLWODI, Boppard
Marita Fuchs, Beauftragte der Polizei für Kriminalitätsopfer im Präsidium Oberbayern Nord, Ingolstadt
Silke Kwan Hea, Performancekünstlerin & Körper-Coach, Pöcking
Prof. Ursula Männle, Sozialwissenschaftlerin, ehemaliges Mitglied des Bayerischen Landtags sowie des Deutschen Bundestags, ehemalige Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Tutzing
Schlusswort: Bürgermeisterin Marlene Greinwald, Tutzing (angefragt)
Schlusswort: Bürgermeisterin Fr. Greinwald (angefragt)
Eintritt 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro € /
Online-Anmeldung erforderlich
Link zur Veranstaltung:
https://www.ev-akademie-tutzing.de/veranstaltung/red-flags-erkennen-begegnen-wege-aus-der-gewalt-an-frauen/
Anmeldung:
https://www.ev-akademie-tutzing.de/veranstaltung/red-flags-erkennen-begegnen-wege-aus-der-gewalt-an-frauen/?order=form
25. November: Rathaus-Beleuchtung und Film „Stein der Geduld“
17 Uhr Ein orangenes Leuchtfeuer gegen Gewalt an Frauen
17.30 Uhr Einlass im Kino KurTheater Tutzing
18 Uhr Filmbeginn „Stein der Geduld“ des französisch-afghanischen Autors und Regisseurs Atiq Rahimi, Begrüßung Dr. Charlotte von Bodelschwingh, Präsidentin des Zonta-Clubs Fünfseenland
Quellen:
Zonta Club Fünf-Seen-Land
https://zonta-union.de
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