
So ganz klar war es nicht: Würde Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron den Toleranzpreis der Evangelischen Akademie Tutzing annehmen, wenn sie ihn ihm verleihen würde? Aber es scheint geklappt zu haben. Die Akademie hat jedenfalls offiziell diese Auszeichnung von Macron bekanntgegeben. Ob er höchstpersönlich nach Tutzing kommen wird, um sie entgegenzunehmen, steht allerdings noch nicht fest.
Es ist die zehnte Verleihung des Toleranzpreises, und immer ging er an bekannte Persönlichkeiten. Ein einziger hat ihn nicht selbst abgeholt: Wolfgang Schäuble, damals Bundesfinanzminister. Alle anderen kamen aus diesem Grund nach Tutzing: die früheren Bundespräsidenten Roman Herzog und Christian Wulff, der Dirigent Daniel Barenboim, der Schriftsteller Henning Mankell, Karim Aga Khan IV., die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, der selbst in Tutzing lebende Musiker und Komponist Peter Maffay sowie 2016 der damalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.
Vorsitzende des Akademie-Freundeskreises: "Wir freuen uns wahnsinnig darüber"

Begeistert über die Auszeichnung von Macron ist die Tutzinger Kulturreferentin Brigitte Grande. Sie ist auch Vorsitzende des Freundeskreises der Evangelischen Akademie, zu dem wiederum 21 örtliche Freundeskreise in ganz Bayern gehören. Im Mai dieses Jahres ist sie in diese Funktion wiedergewählt worden.
Mit der Verleihung des Toleranzpreises hat der Freundeskreis nichts zu tun, dafür ist ein eigenes Gremium zuständig. "Das spricht die europäische Ebene an", sagt Brigitte Grande. Gleichwohl zeigt sich die Tutzinger Kulturrefererentin von dieser Entscheidung sehr angetan: „Wir freuen uns wahnsinnig darüber“, sagte sie gegenüber vorOrt.news.
Ob dies ein Anlass für neue Aktivitäten mit französischem Bezug sein könnte? „Ja natürlich“, sagte sie, machte aber gleich einen Vorbehalt: Die einzelnen örtlichen Freundeskreise bestimmen ihre Schwerpunktthemen und Inhalte völlig selbstständig - sie selbst könne nur Vorschläge machen. Die Freundeskreise der Akadmie haben zusammen rund 1500 Mitglieder. Sie betrachten es als ihre Aufgabe, mit vielfältigen Angeboten die Bildungsarbeit in den jeweiligen Regionen zu bereichern.
Die internationale Ausrichtung, die in der Auszeichnung des französischen Staatspräsidenten zum Ausdruck kommt, ist auch für den Freundeskreis der Akademie ein Anliegen. Dessen früherer Vorsitzender Prof. Hans-Joachim König, selbst Lateinamerika-Wissenschaftler, hatte es bei seiner Verabschiedung 2014 als Beonderheit der Akademie bezeichnet, dass sie angesichts einer "immer schwieriger werdenden Orientierung in einer globalisierten Welt" daran mitwirke, "tragfähige Antworten zu finden“ .

Partnerschaft mit Bagnères-de-Bigorre besteht seit 43 Jahren

Zu Frankreich gibt es viele Bezugspunkte der hiesigen Region. Diese lokalen Ansätze scheinen zwar bei der Entscheidung, Macron auszuzeichnen, keine wesentliche Rolle gespielt zu haben. Die Evangelische Akademie Tutzing würdige Macron, so teilt sie mit, als „mutigen Vordenker für die Erneuerung Europas“. Sein Engagement gegen Nationalismus, sein Bemühen um eine Vertiefung der Gemeinschaft sowie sein Eintreten für Toleranz und Souveränität, Solidarität und Gerechtigkeit seien wegweisend.
Doch über die engen Kontakte von Tutzing und auch anderen Kommunen der hiesigen Region mit Frankreich sind über die vergangenen Jahre auch teils enge persönliche Beziehungen entstanden. Schon seit 43 Jahren ist Tutzing mit Bagnères-de-Bigorre in Südfrankreich über eine Partnerschaft verbunden. Ähnliche Partnerschaften gibt es in anderen Gemeinden und Städten wie beispielsweise Bernried (Samoreau) oder Starnberg (Dinard). Dr. Alfred Leclaire, der von 1970 bis 1996 Tutzinger Bürgermeister war, hat die Partnerschaft 1975 mit seinem Amtskollegen André des Boysson besiegelt. "Ans Wunderbare" grenze die Freundschaft zwischen den einst verfeindeten Nachbarn, schrieb Leclaire in einer Jubiläumsfestschrift.
Tutzinger auf einem südfranzösischen Markt: "An jeder Ecke gibt es ein Hallo"

Im Lauf der Jahre kam es zu vielen Begegnungen, es sind sogar richtige Freundschaften entstanden. Die Vorsitzende des Partnerschaftsvereins, Gemeinderätin Stefanie von Winning, hat einmal schmunzelnd von Spaziergängen mit dem früheren Tutzinger Kulturreferenten Hubert Hupfauf über den Markt von Bagnères-de-Bigorre erzählt: „Da kommt man nicht weiter – an jeder Ecke gibt es ein Hallo.“
Der erste Vorsitzende des für die Partnerschaft zuständigen Freundeskreises war der spätere Vizebürgermeister Karl Feldhütter gewesen. Sein Bruder Otto Feldhütter hatte 1974 nach einer Tätigkeit als Austauschlehrer in Frankreich den Anstoß zu der Partnerschaft gegeben.
Die oft nach wie vor bestehenden Sprachbarrieren haben engen Kontakten nicht im Wege gestanden. So hat Peter Lederer, von 1996 bis 2008 Tutzinger Bürgermeister, trotz nach eigenem Bekunden nicht allzu guter Französisch-Kenntnisse eine enge Freundschaft mit seinem damaligen Amtskollegen von Bagnères-de-Bigorre, Roland Castells, gepflegt. "Zum Teil mit Händen und Füßen" seien die Gespräche oft gelaufen, erzählte die Tutzingerin Marianne Schüler einmal, die oft mit ihrem Mann Rudolf in Frankreich dabei war. Andere haben sich leichter getan, so der heutige Tutzinger Tourismusreferent des Tutzinger Gemeinderats, Dr. Toni Aigner, der mit seiner Frau Gisela oft in Bagnères-de-Bigorre war: Er hat im Studium Französisch gelernt.
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