Gemeindeleben
31.10.2017
Von Ferdinand Goslich

Musik wie für einen Fürsten gemacht

12.216235323.201.jpg
Restlos besetzt: Christuskirche © Christian Binder

Musterbeispiel für Ökumene: Evangelische und katholische Christen feiern in Tutzing gemeinsam das Reformationsjubiläum. In einer ökumenischen Erklärung wird die Zusammenarbeit bekräftigt.

So hätten es Pfarrerinnen und Pfarrer gern an jedem Sonntag. Dieser Dienstag, 31. Oktober 2017, ist aber wie tatsächlich ein Sonntag: Nicht nur hatten die Geschäfte geschlossen, sondern pausenlos strömten die Gläubigen in die evangelische Christuskirche, bis alle Sitzplätze restlos besetzt waren. Hinten standen sogar zu spät Gekommene.

Allein durch den gewaltigen Andrang wurde der Festgottesdienst zum 500. Reformationsjubiläum gebührend gewürdigt. An diesem Tag vor genau 500 Jahren hatte Martin Luther an die Pforten der Schlosskirche zu Wittenberg seine 95 Thesen angeschlagen.

Geleitet wurde der Gottesdienst von den Pfarrerinnen Ulrike Wilhelm und Dorothee Geißlinger-Henckel sowie der Diakonin Beatrix Bayerle. Die Musik sorgte für den entsprechenden Rahmen: Wie für einen Fürsten gemacht – in diesem Falle zu Ehren Gottes, erhabene Klänge von Vivaldi und Telemann, vorgetragen von zwei Trompetern und dem Organisten Dr. Martin Focke.

Die Überwindung der Angst

Thema der Predigt von Pfarrerin Uli Wilhelm war die Überwindung der Angst. Im Mittelalter habe die Kirche den Menschen Furcht eingeflößt, um ihre eigene Position zu stärken. Das sei ein für allemal vorbei, sagte Uli Wilhelm. Heute habe sich die Vorstellung vom liebenden Gott ganz klar durchgesetzt. Jeder Mensch, vor allem aber auch der Christ, habe die Freiheit, selber über seine Wünsche und Lebensvorstellungen zu entscheiden, so wie Martin Luther gegen den Widerstand der Kirche gefordert habe: „Selber denken“. Darauf komme es an.

Weitaus länger als normalerweise dauerte das Abendmahl, an dem evangelische wie auch katholische Christen einträchtig teilnahmen. Angesichts dessen, dass Bischöfe und Kardinäle dieses meist noch ablehnen, war es ein wahres Musterbeispiel für die Ökumene in Tutzing.

Anzeige
Banner-Baustelle-B.png

Die beiden Tutzinger Kirchengemeinden bekräftigen ihr Miteinander

11.216277656.201.jpg
Menschen verbinden die beiden Kirchen © Christian Binder

Anschließend zogen die Gottesdienstbesucher in einer hunderte Meter langen Schlange hinüber zur katholischen Pfarrkirche St. Joseph. Erst dort wurde der vorherige Gottesdienst abgeschlossen, mit Fürbitten, die das christliche Miteinander hervorhoben.

Danach unterzeichneten Pfarrer Peter Brummer, Pfarrerin Ulrike Wilhelm, Gudrun Willbold, die Vorsitzende des evangelischen Kirchenvorstands, und Waltraud Brod, die Pfarrgemeinderatsvorsitzende von St. Joseph, eine gemeinsame ökumenischen Erklärung. In ihr bekräftigen beide Tutzinger Kirchengemeinden den festen Willen, weiterhin ökumenisch zusammenzuarbeiten und sich durch nichts davon abbringen zu lassen.

Ein mächtiger Geist in der Flasche

11.216278473.201.jpg
Spiritualität der besonderen Art © Christian Binder

Bei dieser Gelegenheit hoben die beiden Pfarrer zum Gelächter der Gläubigen die Spiritualität noch in weiterer Form hervor. Ulrike Wilhelm überreichte ihrem katholischen Kollegen eine ganz neu kreierte Flasche „Tutzinger Ökumenegeist“. Pfarrer Brummer dankte ihr mit einer Flasche Roncalliwein. Wie sich beim gemeinsamen Mittagessen im Roncallihaus herausstellte, wohnt der evangelischen Flasche ein mächtiger Geist inne: Er bringt es auf stolze 55 Prozent! Spiritualität kommt ja vom lateinischen spiritus, also auch Hauch – und den gab dann manch einer der Probanden spontan von sich.

Quelle Titelbild: Christian Binder
ID: 94
Über den Autor
DSCN5726.JPG

Kommentar hinzufügen

Anmelden , um einen Kommentar zu hinterlassen.

Kommentare

Auch hier in Passau ein großer Versöhnungstag: In der evangelischen St. Matthäuskirche hält Bischoff Dr. Oster die Festpredigt zum Reformationsjubiläum für seinen evangelischen Bruder Dekan Dr. Bub. Die Kirche platzt aus allen Nähten, die Orgel jubelt und die Gläubigen beider Konfessionen umarmen sich. Gott sei Dank!
Helge Haaser, Passau
Feedback / Fehler melden