Gemeinde
12.12.2024
Von vorOrt.news

Drei Stunden Finanztüfteln

Nach "gelber Karte" vom Landratsamt suchen Tutzings Kommunalpolitiker Auswege aus der Finanzschwäche

Gelb-Rathaus.png
Die stimmungsvolle Weihnachtsatmosphäre kann nicht darüber hinwegtäuschen: Wegen ihrer Finanzschwäche hat das Landratsamt der Gemeinde Tutzing schon die gelbe Karte gezeigt © L.G. / pixabay

Intensiv tüfteln Tutzings kommunale Verantwortliche zurzeit über den Haushalt der Gemeinde. Der Haushalts-, Finanz- und Werkausschuss des Gemeinderats hat sich am Dienstag in nicht-öffentlicher Sitzung drei Stunden lang mit den kommunalen Finanzen befasst. Die Mitglieder des Ausschusses wirkten anschließend ziemlich erschöpft. Und ihre Arbeit ist noch lange nicht beendet.

Eine erhebliche Finanzschwäche der Gemeinde bereitet den kommunalen Verantwortlichen große Sorgen, das lassen sie seit längerer Zeit offen erkennen. Schon im vergangenen Jahr hat die Gemeinde Tutzing, als es um die Genehmigung ihres Haushalts ging, vom Landratsamt Starnberg „die gelbe Karte bekommen“ - so hat es Bürgermeister Ludwig Horn kürzlich bei einer CSU-Versammlung formuliert. Nur der laufende Haushalt wurde genehmigt, aber nicht der Finanzplan für die nächsten Jahre.

Droht die rote Karte vom Landratsamt? Das hofft Horn vermeiden und die Gemeinde in den nächsten drei Jahren „wieder auf den grünen Zweig“ bringen zu können. Die Aufgaben, vor denen die Kommune jetzt steht und die bei den Haushaltsberatungen im Mittelpunkt stehen dürften, beschrieb er in der CSU-Versammlung recht einleuchtend so: „Die Einnahmen müssen höher und die Ausgaben niedriger sein.“ Schon seit Monaten versuche man in dieser Hinsicht voranzukommen. Horn berichtete in der Parteiversammlung zwar über steigende Steuereinnahmen, doch gleichzeitig sehe sich die Gemeinde mit beträchtlichen Kostensteigerungen „von den Druckerpatronen bis zum Auto für den Bauhof“ konfrontiert. Allein die Lohnsteigerungen bezifferte er mit sieben bis zehn Prozent.

Bei der Mittelschule naht die Stunde der Wahrheit

Eine der größten finanziellen Herausforderungen für die Gemeinde ist zurzeit die Sanierung der Mittelschule. Bei einem Gesamtinvestment von 25 Millionen Euro verbleiben für die Gemeinde rund zehn Millionen Euro an Eigenleistung, wenn staatliche Zuschüsse und Beiträge von Nachbarkommunen, aus denen Kinder und Jugendliche diese Schule besuchen, berücksichtigt werden.

Was die Gemeinde für die Mittelschule aufzubringen hat, wurde laut Horn bisher quasi als Schattenhaushalt neben dem normalen Haushalt behandelt. Das war möglich, weil die Gemeinde dieses Bauprojekt an einen so genannten Geschäftsbesorger abgegeben hat, die Firma Bayern-Grund. Die Stunde der Wahrheit naht aber: Nach Abschluss der Bauarbeiten muss das alles bezahlt werden. Als „Faustpfand“ für die Finanzierung musste die Gemeinde schon die Kustermannvilla einsetzen. Sie wird das historische Gebäude verkaufen müssen, um die Schulsanierung bezahlen zu können, falls sie keine andere Finanzierungslösung findet.

Einzelheiten über den aktuellen Stand der Haushaltsberatungen sind bisher nicht bekannt geworden.

Anzeige
Weihnachtren-24-Banner-B2.png
ID: 7368
Über den Autor

vorOrt.news

Kommentar hinzufügen

Anmelden , um einen Kommentar zu hinterlassen.

Kommentare

Übrigens:

So ziemlich dasselbe politische Programm, mit dem die rechtskonservativen Parteien im Gemeinderat von Tutzing Umverteilung von unten nach oben betreiben, haben sich heute CDU und CSU ins Wahlprogramm geschrieben. Es soll in der von Merz angeführten nächsten Regierung 99 Milliarden Euro Steuerentlastung pro Jahr geben, von denen 52 Milliarden Euro, also mehr als die Hälfte, an die reichsten 10 % gehen sollen.

Der Soli, der praktisch nur noch von Hochverdienern bezahlt wird, soll abgeschafft werden. Dementsprechend geht die Entlastung durch seine Abschaffung (in Höhe von 12,5 Milliarden Euro) zu 93 % an die reichsten 10 Prozent und zu 62 % an das reichste eine Prozent. So wurde das heute von Stefan Bach, Steuerexperte des DIW, auf X vorgerechnet.

Man stellt sich angesichts dessen die Frage, wie es sein kann, dass große Mengen von Angestellten und Armen gegen ihre eigenen Interessen alle vier Jahre verlässlich CDU/CSU wählen. Eine Frage, die man sich natürlich auch in Tutzing stellen muss. Denn auch hier überwiegt die Zahl angestellter Normalverdiener und von Menschen ohne Immobilienbesitz, ohne überdurchschnittliche Einkommen und große Vermögen. Und trotzdem wählt diese Gruppe seit Jahrzehnten verlässlich gegen ihre eigenen Geldbeutel. – Rational ist das nicht. Aber was ist es dann?
Die ungleiche Behandlung von Vermögenswerten in Krisenzeiten ist frappierend: Während Bürgergeldempfänger ihre Altersvorsorge aufzehren müssen, bleiben die Immobilienbesitzer, die Sie hier anführen, trotz erheblicher Wertsteigerungen von ähnlichen Anforderungen verschont. Dabei haben Hausbesitzer nicht nur die Möglichkeit, einen durch ihre Immobilie abgesicherten Kredit aufzunehmen, sondern können im Notfall auch verkaufen.

Es stellt sich die grundsätzliche Frage: Warum soll der Bürgergeldempfänger seine erarbeiteten Rücklagen opfern, während die oft leistungslos geerbte Immobilie unangetastet bleibt? Diese Diskrepanz lässt sich weder logisch noch gerecht erklären und offenbart eine bedenkliche Schieflage in unserem Wertesystem.
Frage nicht nur, was Deine Gemeinde für Dich tut, frage Dich auch, was Du für Deine Gemeinde tun kannst!

Ich trage gern nochmal meine Anregung vor, nicht nur eindimensional zu denken:
Entweder Steuern & Abgaben für alle 'rauf oder Ausgaben 'runter. Kürzen & streichen wo's nur geht.
Uli Wagner hat schon recht, dass viele Tutzinger Immobilienbesitzer zwar auf großen Werten sitzen, diese Werte aber nicht realisieren können, da sie & ihre Familien selbst darin wohnen. Quasi den Ast verkaufen, auf dem man sitzt; da fällt man dann selbst 'runter.
Andererseits hat Herr Kerbs natürlich auch insoweit recht, dass unter uns auch einige weit herausragend vermögende Persönlichkeiten mit ihren Familien leben. Diese Mitbürger könnten tatsächlich überall leben wenn sie wollten, und dennoch haben sie sich für Tutzing entschieden! Da steckt doch auch eine gewisse Empathie & Verbundenheit für Tutzing dahinter, oder nicht?

Ich frage mich tatsächlich, warum man von Seiten der Gemeinde aber auch von Seiten dieser Top-Oberschicht nicht offen aufeinander zugeht?
Ausloten wo & wie man bei ganz konkreten Projekten zum Wohle aller zusammenarbeiten kann.
Damit meine ich kein einseitiges Klinkenputzen oder Bettelbriefe.
Ich sehe es mehr als gemeinsames gestalten...
Wer es sich leisten kann, lebt in einem schönen Haus. Wer sich mehr leisten kann, achtet auch auf ein entsprechendes Umfeld, Garten usw. Und wer in noch großeren Maßstäben denken und gestalten kann, achtet auch darauf, dass sein erweitertes Umfeld nicht allzu sehr abfällt. In einem kaiserlichen Palast zu residieren ist doch inmitten einfachster Hütten weder eine Freude noch ein Renommee, oder?

Meine Metapher auf Tutzing übertragen: da denke ich an unsere Schulen ... unsere leider schon grundsanierungsbedürftige Würmseehalle ... die öffentliche Infrastruktur ... kein Geld für die Fenstersanierung im Rathaus ... Tutzing hatte mal ein eigenes Schwimmbad in dem die Kinder ganzjährig sicheres Schwimmen lernten ... die Unterstützung für Tutzing wichtiger kultureller & sozialer Projekte wackelt auch immer wieder ... und vieles mehr!
Es gäbe reichlich zu tun. Kleinere & größere Projekte. Gemeinsam könnte man sie zum Wohle aller anpacken und mitgestalten!
Aber ohne Geld, gibt's auch nichts zu gestalten ... für niemanden.
(Bearbeitet)
Das nutzt den Leuten wenig - die ihren Besitz mühsam bei den steigenden Kosten - behalten und instand halten wollen - die nicht zu den „reichen Zugezogenen“ zählen - oder normale Einkommen haben - da nutzt auch die Wertsteigerung wenig - wenn man einfach nur weiter hier „wohnen“ will - alles andere kommt erst bei einer Veräußerung zum Zuge…
Davon gibt es tatsächlich noch so einige - interessant aber komplizierter wäre - Leute mit hohem Einkommen - höhere Grundsteuer zahlen zu lassen…;))
Ihre Sorge um die finanzielle Belastung langjähriger Hausbesitzer ist verständlich, Herr Wagner, jedoch greift Ihr Argument zu kurz. Die Wertsteigerung einer Immobilie bringt dem Besitzer zwar nicht unmittelbar mehr Geld in seine Tasche. Sie bietet ihm aber erhebliche finanzielle Vorteile wie eine verbesserte Kreditwürdigkeit und Sicherheit. Es ist inkonsistent, beispielsweise von Bürgergeldempfängern die Auflösung ihrer Ersparnisse zu verlangen, während Immobilienbesitzer trotz enormer Wertzuwächse von angemessener Besteuerung verschont bleiben sollen.

Zumal die Grundsteuer wichtige kommunale Leistungen finanziert, von denen alle profitieren. Die Wertsteigerung der Immobilien resultiert ja gerade aus diesen öffentlichen Investitionen in Infrastruktur und die Lebensqualität. Eine faire Besteuerung fördert zudem die Generationengerechtigkeit und schafft Anreize für effiziente Raumnutzung.

Und schlussendlich müssen Mieter ebenfalls steigende Kosten tragen, ohne von Wertsteigerungen zu profitieren.

Für Härtefälle könnten Steuerstundungsmodelle entwickelt werden, die eine Begleichung erst bei Verkauf oder Vererbung vorsehen. Festhalten lässt sich aber, dass eine ausgewogene Steuerpolitik sowohl individuelle Belastungen als auch den gesamtgesellschaftlichen Nutzen und die langfristige Entwicklung unserer Gemeinde berücksichtigen muss. Was derzeit nicht in Ansätzen der Fall ist.
Kleine Anmerkung am Rande: in Tutzing leben auch immer noch einige einheimische - die hier seit vielen Jahrzehnten leben - denen die Wertentwicklung nicht viel bringt ( so lange man nicht verkauft) wenn man dort wohnt bzw. Leben muss - will damit sagen - nicht jeder - der hier Haus und Garten hat - ist ein „Millionär“ oder „Großverdiener“ - und kann die zahlreichen Erhöhungen wie jetzt Strom / Wasser und und und - nicht so einfach stemmen - wie es im Kommentar rüberkommt ;))) die Wertsteigerung passierte ja erst ein einem Abschnitt mit dem Zuzug vor vielen Jahren - davor hast hier Wiesen für ein Appel und Ei bekommen …
(Bearbeitet)
Die Bezeichnung „Finanzschwäche (der Gemeinde)“ durch den Gemeinderat wirkt wie ein durchschaubarer Versuch, die Verantwortung für die alarmierende finanzielle Situation der Gemeinde abzuwälzen.

Tatsächlich ist diese Lage das Ergebnis einer hausgemachten Politik der dominierenden rechtskonservativen Fraktion: Trotz der erheblichen Wertsteigerungen bei Grundstücken und einer bereits seit Jahren absehbaren finanziellen Schieflage wurde bewusst auf eine Anhebung der Grundsteuer verzichtet. Gleichzeitig entschied man sich gegen eine Erhöhung der Gewerbesteuer und setzte stattdessen auf den Verkauf kommunalen Eigentums. Dies läuft auf eine schleichende Umverteilung zugunsten der ohnehin Vermögenden hinaus.

Nun sollen die Kustermannvilla und Teile des Kustermannparks als finanzielle Notlösung herhalten – ein Vorgehen, das zwar kurzfristig Geld in die Kassen spült, die Gemeinde jedoch mittelfristig ohne substanzielle Reserven zurücklässt. Diese Strategie offenbart eine erschreckend kurzsichtige und strukturell unverantwortliche Finanzpolitik.
Feedback / Fehler melden