Gemeinde
17.3.2023
Von vorOrt.news

Kommunen übernehmen Digitalisierung selbst

Gemeinde Tutzing beteiligt sich an neuer Gesellschaft „ZIO“ - Schulen sollen später einbezogen werden

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Ins 1924 erbaute Tutzinger Rathaus zieht mehr und mehr die Digitalisierung ein © L.G.

Die Gemeinde Tutzing beteiligt sich an einem kommunalen IT-Unternehmen. Die Firma soll „ZIO GmbH“ heißen, kurz für „Zentrale Informationstechnologie Organisation“, und ihren Sitz zunächst in der Stadt Starnberg haben, von der die Initiative für diese Neugründung ausging. Starnberg plant seine IT-Abteilung im Wege einer Ausgliederung in die neue Gesellschaft einzubringen. Weitere Projektbeteiligte sind außer Starnberg und Tutzing die Gemeinden Andechs, Berg, Feldafing, Pöcking und das gemeinsame Kommunalunternehmen zur Trinkwasserversorgung der Gemeinden Feldafing und Pöcking.

Nach dem Gesellschaftsvertrag wird die Gemeinde Tutzing ihre IT-Hardware auf die neue Gesellschaft übertragen, eine Stammeinlage von 3900 Euro sowie eine Anschubfinanzierung von 135 000 Euro leisten. Am 27. März soll der Notartermin für die Gesellschaftsgründung sein. Der Tutzinger Gemeinderat hat das alles in seiner jüngsten Sitzung einstimmig genehmigt und Marcus Grätz, den Geschäftsleiter der Gemeinde, in den Aufsichtsrat der ZIO GmbH entsandt.

Wegen der allseits betonten großen Bedeutung der Digitalisierung auch in den Kommunen wurde die Gründung der neuen Gesellschaft auch im Tutzinger Gemeinderat begrüßt. Als eines der großen Probleme gilt der Fachkräftemangel. Grätz berichtete über eine starke Abhängigkeit vieler Kommunen bei der IT. Ludwig Beck, der Geschäftsleiter der Stadt Starnberg, hat in einem Zeitungsinterview beklagt, dass die Lösung von Computerproblemen in Behörden mitunter „zäh“ sei.

Kommunale IT im Landkreis Starnberg erregt weithin Aufsehen

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Historische Bauwerke und moderne Technik lassen sich durchaus miteinander verbinden: Blick ins alte Tutzinger Volksschulgebäude, in dem künftig die Schulverwaltung ansässig sein soll - dann vielleicht schon mit IT von der neuen kommunalen Gesellschaft © L.G.

Keine einzige deutsche Kommune erfüllt derzeit nach Angaben von Kennern die Vorgabe des seit 2017 geltenden „Onlinezugangsgesetzes“ (OZG) für elektronische Angebote der Verwaltungsleistungen. Die 16 Bundesländer haben gemeinsame Positionen zur Neufassung dieses Gesetzes erarbeitet, in denen sie unter anderem eine stärkere Unterstützung der Kommunen fordern. Sie, so eine verbreitete Kritik, seien vor Jahren bei der Formulierung des Gesetzes quasi ausgeblendet worden, genauso die Finanzierung ihrer Aufwände - und das, obwohl das Land nach dem Konnexitätsprinzip eine von ihm auf die Kommune übertragene Aufgabe auch zu finanzieren habe. Verwaltungsleistungen online sieht auch das ab 2024 geltende Bayerische Digitalgesetz vor. Derzeit müssen noch alle Verwaltungsverfahren gleichzeitig analog und digital zur Verfügung gestellt werden. Immer mehr aufhorchen lassen darüber hinaus Cyber-Attacken auch auf Kommunen.

Mit der neuen Gesellschaft gehen die sieben beteiligten Kommunen nun einen eigenen Weg, der offenkundig für Aufsehen über die Grenzen des Landkreises Starnberg hinaus sorgt. Sogar die große „Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern“ (AKDB) hat sich nach Angaben von Grätz schon nach Details erkundigt und offenbar sogar die Möglichkeit einer eigenen Beteiligung angedeutet.

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Konkurriert die Gemeinde mit der Privatwirtschaft?

Konkurrieren die Gemeinde Tutzing und die anderen beteiligten Kommunen auf diese Weise mit privaten IT-Anbietern? Diese Frage hat in der Gemeinderatssitzung zuletzt keine Rolle gespielt. Bei der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden ist generell immer der Schutz privater Anbieter vor kommunalen Aktivitäten zu beachten, weil eine Verdrängung der privaten Wirtschaft vom Marktgeschehen verhindert werden soll, Gemeinden aber über Wettbewerbsvorteile wie beispielsweise fehlende Insolvenzfähigkeit verfügen. Nach Angaben des Deutschen Landkreistags geht es hier um Millionenbeträge. Offenbar gibt es auch in Tutzing und seiner Umgebung private Anbieter auf diesem Gebiet. So berichtete Grätz von externen Dienstleistern, die in den hiesigen Schulen die IT betreuen. Auch das soll sich aber über kurz oder lang ändern: Laut Grätz ist die Einbeziehung der Schulen in die neue Gesellschaft vorgesehen, allerdings noch nicht gleich von Beginn an.

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Lange Wege zur Digitalisierung: Plakativ belegt den großen Aufwand ein Blick ins Rechenzentrum des Datenkommunikations-Unternehmens LEW TelNet, einer Tochtergesellschaft der zum Eon-Konzern gehörenden Lechwerke AG in Augsburg © LEW TelNet

"Super ausgestattete IT" in der Stadt Starnberg

Sehr erfreut hat sich Grätz über die Initiative der Stadt Starnberg für die neue Gesellschaft geäußert. Starnberg verfüge über eine „super ausgestattete IT“ und werde auch das betreffende Personal beisteuern. Die Gemeinde Tutzing sieht sich hinter Starnberg als der „zweitgrößte Player“, sie werde entsprechend mitzureden haben. Mit einer IT-Fachkraft stehe die Gemeinde Tutzing auf diesem Gebiet relativ gut da, sagte Grätz. Zwar steht der ITler vor dem Eintritt in den Ruhestand, werde aber die Aufbauarbeiten mit dem neuen Unternehmen noch begleiten.

Kritik gibt es in Tutzing und anderen beteiligten Gemeinden am Landratsamt Starnberg. Bernd Pfitzner (Grüne) kritisierte in der Sitzung, er habe den Eindruck, „dass da im Landratsamt irgendwer blockiert“. In anderen Landkreisen funktioniere dies besser. Es sei ein Unding, dass die Gemeinden auf diesem Gebiet allein gelassen würden, und enttäuschend, dass die Zusammenarbeit mit dem Landratsamt nicht gelinge.

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