Gemeinde
10.2.2023
Von Lorenz Goslich

Ein absoluter Sparhaushalt

So geht es der Gemeinde Tutzing: Die Steuerkraft steigt - aber das Finanzpolster schmilzt

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Gute Aussichten in Tutzing: Vom Seeufer aus ist der Blick oft bestens. In finanzieller Hinsicht gibt es jedoch einige Eintrübungen. Das Finanzpolster der Gemeinde schmilzt, aber die Bezahlung teurer Projekte steht bevor.

Wie geht es der Gemeinde Tutzing? In finanzieller Hinsicht wird dies im kommunalen Haushalt festgehalten. „Haushaltssatzung und Haushaltsplan 2023“ waren in dieser Woche Thema im Gemeinderat. Vorangegangen waren Beratungen im Haushaltsausschuss, die offenbar nicht leicht waren. „Es ist ein absoluter Sparhaushalt“, sagte Bürgermeisterin Marlene Greinwald. Trotz sehr positiver Einnahmenentwicklung mussten zahlreiche Investitionen zurückgestellt und Kürzungen an vorgesehenen Plänen vorgenommen werden, wie den Diskussionsbeiträgen zu entnehmen war.

Der Haushalt 2023 hat ein Gesamtvolumen von 32,3 Millionen Euro. Auf den Verwaltungshaushalt entfallen davon 25,6 Millionen Euro. Er bildet die laufenden Einnahmen und Ausgaben ab, die das Vermögen nicht erhöhen oder vermindern. Dazu gehören die jährlich wiederkehrenden Einnahmen wie Steuern, nicht der Finanzierung von Investitionen dienende Zuweisungen anderer öffentlicher Stellen und Gebühren sowie die fortdauernden Ausgaben. Der Vermögenshaushalt umfasst 6,7 Millionen Euro. Er berücksichtigt "vermögenswirksame" Einnahmen oder Ausgaben der Gemeinde. Darunter versteht man solche Finanzvorfälle, die sich vermögenserhöhend oder vermögensmindernd auswirken, beispielsweise Ausgaben für den Straßenbau oder Einnahmen aus dem Verkauf von Grundstücken.

Der Tutzinger Haushaltsplan ist umfangreich. Er umfasst 376 Seiten. Die Aussagekraft eines solchen Haushaltsplans ist dennoch beschränkt. Wie in vielen Kommunen wird er nach wie vor nach den Grundregeln der „Kameralistik“ geführt, die nach einer unter Experten verbreiteten Kritik nur unzureichend über viele Aspekte informiert und nicht den Anforderungen einer modernen Verwaltung entspricht. Zwar wurde die Kameralistik im Lauf der Jahre um etliche Elemente erweitert: Stellenplan, Vermögensübersicht, Wirtschaftspläne von Eigenbetrieben, Sondervermögen, einen mittelfristigen Finanzplan. Doch das hat zu noch viel größerer Komplexität und Unübersichtlichkeit geführt. Schon seit den 1990er Jahren mehren sich Forderungen, die kommunale Finanzplanung und Rechnungslegung auf ein angepasstes System der doppelten Buchführung (Doppik) umzustellen. Das ist in den Kommunen zum Teil geschehen, viele von ihnen sind aber beim kameralistischen System geblieben, so auch Tutzing.

Wie es der Gemeinde Tutzing finanziell geht, dazu lassen sich dem Haushaltsplan und den Äußerungen in der Gemeinderatssitzung positive und negative Tendenzen entnehmen:

Plus: Tutzings Steuerkraft wächst schneller als im Durchschnitt der Kommunen

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Pluspunkt Steuerkraft: Sie ist deutlich gestiegen - von 12,7 Millionen auf 14,5 Millionen Euro. Die Steuerkraft der Gemeinde sei zum ersten Mal seit langer Zeit schneller gewachsen als im Durchschnitt der Landkreis-Kommunen, sagte Dr. Thomas von Mitschke-Collande (CSU). Die Beteiligung der Gemeinde an der Einkommensteuer soll in diesem Jahr von 7,9 Millionen Euro auf 8,5 Millionen Euro zunehmen. Von der Finanzkraft vieler vermögender Menschen, die in Tutzing leben, profitiert die Gemeinde jedoch mäßig, weil nur das Aufkommen berücksichtigt wird, das auf die zu versteuernden jährlichen Einkommensbeträge bis zu 35 000 Euro bei Alleinstehenden und bis 70 000 Euro bei gemeinsam veranlagten Ehegatten entfällt. Vom gesamten Aufkommen der Lohnsteuer und der veranlagten Einkommensteuer erhalten die Städte und Gemeinden zurzeit 15 Prozent, der Rest geht je zur Hälfte an Bund und Land.

Pluspunkt Gewerbesteuereinnahmen: Sie haben im vorigen Jahr sogar eine Rekordhöhe von 7,6 Millionen Euro erreicht. Besonders erfreut äußerte sich Mitschke-Collande darüber, dass zu den Gewerbesteuerzahlungen nicht nur „eine Handvoll Großer“, sondern auch viele kleine und mittlere Unternehmen beigetragen hätten. Der Tutzinger Gewerbesteuer-Hebesatz bleibt mit 300 Prozent unverändert. Manche halten mit dem Verweis auf hohe Gewerbesteuereinnahmen von Gemeinden mit niedrigeren Hebesätzen – Beispiel Grünwald - eine Reduzierung für sinnvoll, andere argumentieren, wer mehr Gewerbesteuer haben wolle, dürfe den Hebesatz nicht senken. Unverändert lässt die Gemeinde auch die Hebesätze der 2021 erhöhten Grundsteuern A (330 Prozent) und B (340 Prozent).

Pluspunkt Zweitwohnungssteuer: Sie wird in diesem Jahr mit einem erwarteten Wert von 240 000 Euro angesetzt. Das ist wahrscheinlich vorsichtig geschätzt. Es ist weniger als im vorigen Jahr - da waren es 373 000 Euro. Aber das war mehr als doppelt soviel wie im Jahr zuvor. Ein neues Gutachten erfasst „besondere Objekte“, unter anderem die dem König von Thailand gehörende Villa in Seenähe, an der sich eine hitzige Diskussion über dieses Thema entzündet hatte.

Pluspunkt Pro-Kopf-Verschuldung: Bei ihr steht Tutzing gegenüber vielen anderen Kommunen recht gut da. Obwohl die Schulden der Gemeinde 2023 erstmals seit Jahren wieder steigen sollen, ist die Pro-Kopf-Verschuldung mit 225 Euro deutlich geringer als der Landesdurschnitt von 765 Euro. Einer Kreditaufnahme – geplant ist eine Million Euro – werde nach Rücksprache mit dem Landratsamt nichts entgegenstehen, sagte Kämmerin Manuela Goldate.

Pluspunkt freiwillige soziale Leistungen: Im Gegensatz zu manchen anderen Kommunen im Landkreis Starnberg hat Tutzing sie nicht reduziert.

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Minus: Die Rücklagen der Gemeinde werden weiter abgebaut

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Minuspunkt "freie Spitze": Im Verwaltungshaushalt, der die laufenden Einnahmen und Ausgaben abbildet, ist trotz der diversen Kürzungen ein Verlust von 520 400 Euro geblieben. Zum Ausgleich muss dieser Betrag aus dem Vermögenshaushalt dem Verwaltungshaushalt zugeführt werden. Eigentlich ist gesetzlich der umgekehrte Weg vorgeschrieben: Aus ihrem Verwaltungshaushalt muss eine Kommune den zur Ausgabendeckung nicht benötigten Teil der Einnahmen in den Vermögenshaushalt überführen. Die Zuführung muss ausreichen, um die Kreditbeschaffungskosten und die ordentlichen Tilgungszahlungen zu decken - das ist die so genannte "freie Spitze". Sie gilt als Indikator für finanzielle Spielräume der Gemeinde. Zu der Entwicklung im laufenden Jahr steht im Haushaltsplan die Bemerkung: „Es bleibt zu hoffen, dass das Ergebnis deutlich besser wird, als die Planung es vorsieht.“

Minuspunkt Rücklagen-Abbau: Vorerst schmilzt das Finanzpolster der Gemeinde weiter deutlich. Ihre Rücklagen, die in den vergangenen vier Jahren mehr als 9 Millionen Euro betragen hatten, sind durch Entnahmen bereits auf 4,9 Millionen Euro gesunken. Bis Ende 2023 sollen sie weiter auf 2,3 Millionen Euro abnehmen.

Minuspunkt Kreisumlage: Weit mehr als bisher muss die Gemeinde Tutzing an den Landkreis Starnberg abführen. Die so genannte Kreisumlage steigt um fast 1,6 Millionen Euro auf 8 Millionen Euro. Damit liegt sie unter allen Ausgabeposten der Gemeinde an der Spitze. Das könnte man zwar auch durchaus als positives Zeichen sehen, denn einer der Maßstäbe dafür ist Tutzings gestiegene Steuerkraft, von der der Landkreis profitiert. Das reicht ihm allerdings nicht. Er hat wegen eigenen hohen Finanzbedarfs zusätzlich die Kreisumlage erhöht, und zwar von 50,2 auf 53,55 Prozent der so genannten Umlagegrundlagen. Das ist eine Kennzahl, die aus den jeweils gültigen Steuerkraftzahlen der Gemeinden gebildet wird. Das Geld, das der Landkreis kassiert, fehlt in Tutzing an allen Ecken und Enden.

Minuspunkt Verschuldung: Seit dem Jahr 2018 haben sich die Schulden der Gemeinde Tutzing positiv entwickelt, nämlich abwärts. Sie sind von damals 2,8 Millionen Euro bis auf 1,4 Millionen Euro gesunken. Aber nun gibt es eine Wende: In diesem Jahr sollen sie wieder auf 2,24 Millionen Euro zunehmen. Zudem ist eine neue Kreditaufnahme von einer Million Euro ist aktuell vorgesehen, und in den nächsten beiden Jahren soll eine weitere Kreditaufnahme von 367 400 Euro hinzukommen.

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Fazit: "Kommunales Hartz IV" ist nicht mehr nötig - aber finanziell sieht es dennoch nicht rosig aus

Wenn man es positiv sehen will, dann gibt es für eine relativ gute Finanzlage der Gemeinde sozusagen eine amtliche Bestätigung: Tutzing gilt nicht mehr als finanzschwach genug, um noch Unterstützung vom Staat in Form von „Schlüsselzuweisungen“ zu rechtfertigen. Dieses „kommunale Hartz IV“ fällt also weg, wie es der Finanzkenner Mitschke-Collande formulierte.

Dass die Gemeinde aber aus ihrem Vermögenshaushalt mehr als eine halbe Million Euro in den Verwaltungshaushalt stecken muss, um diesen auszugleichen, belegt, dass es finanziell doch nicht allzu rosig aussieht. Und in den nächsten Jahren werden teure Investitionsprojekt die Kräfte und die Finanzen der Gemeinde erheblich beanspruchen. Bürgermeisterin Greinwald erwähnte dabei besonders die Sanierungen der Mittelschule und der Hauptstraße – für sie werden in diesem Jahr allein 600 000 Euro und bis 2026 weitere 1,2 Millionen Euro veranschlagt. Noch viel mehr ist zu finanzieren: eine Drehleiter für die Tutzinger Feuerwehr (850 000 Euro), ein Aufzug für den barrierefreien Zugang im Rathaus (250 000 Euro), die Dacheindeckung bei der Traubinger Feuerwehr (200 000 Euro), eine Änderung der Dachform an der Dreifachturnhalle (1 Million Euro), die Auslagerung der Mittelschule (455 000 Euro).

Weil die Einnahmen für die vorgesehenen Investitionen bei Weitem nicht ausreichen, müssen zur Finanzierung Veräußerungen gemeindlicher Immobilien, Entnahmen aus der Rücklage und die vorgesehene Kreditaufnahme beitragen. Nach Auffassung von Dr. Wolfgang Behrens-Ramberg (Tutzinger Liste) leidet die Gemeinde Tutzing unter einer „strukturellen Einnahmelücke“. Ihr finanzieller Spielraum sei eng, ihr Bedarf an Instandhaltungen und Investitionen aber groß. Die Gewerbesteuer-Einnahmen hält Behrens-Ramberg trotz der Erhöhung immer noch für zu gering. Seiner Meinung nach sind weiter steigende Gewerbesteuer-Einnahmen erforderlich, um den finanziellen Spielraum der Gemeinde deutlich zu erhöhen. „Es bleibt finanzpolitisch ein Kraftakt“, sagte auch Mitschke-Collande. Er fügte aber hinzu: „Wir sind auf einem guten Weg.“

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Über den Autor
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Lorenz Goslich

Wirtschafts- und Lokaljournalist, Diplom-Kaufmann, Dr. oec. publ. Schreibt für diverse Medien und liebt seinen Heimatort Tutzing.

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Kommentare

Es ist offensichtlich, was die Kommune Tutzing eigentlich benötigt, um ihren Aufgaben gerecht werden zu können: Eine angemessene Steigerung der Steuern für diejenigen mit höheren Einkommen und eine Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, die allen Bürgern zugute käme. (Und der Verteilungsschlüssel zwischen Bund, Ländern und Kommune müsste angepasst werden.) Die Veräußerung gemeindlicher Immobilien hingegen setzt die Übertragung öffentlicher Vermögen in Privatbesitz fort. Und es ist klar, dass aus dem Rathaus keine Forderung nach Steuererhöhungen an den Bund gerichtet werden wird. Denn der öffentliche Diskurs wird dort von denjenigen geführt und gestaltet, die solche Abgaben zahlen müssten: Ein klassischer Interessenkonflikt.
Zur Aussagekraft des Haushaltsplans:
Ein sehr guter Punkt, den der Artikel aufgreift! Tutzing wäre gut beraten, den alten Zopf der Kameralistik abzuschneiden. Immer mehr Seiten schaffen jedenfalls nicht mehr Durchblick .

Zur Finanzkraft vieler vermögender Tutzinger:
Richtig, Tutzing profitiert mäßig am Anteil der Einkommensteuer. Aber wir dürfen nicht übersehen, was diese und alle Tutzinger im Ort privat ausgeben . Die Tutzinger Gewerbetreibenden wissen diese Kaufkraft sicher zu schätzen - und die Gemeinde Tutzing profitiert dann über die Gewerbesteuerzahlungen. Also bitte weiter mit: “Shopping in Tutzing” :-)

Zur kommunalen “Steuerkraft”:
Ich gestehe: Ich kann mit dieser errechneten Zahl nichts anfangen. Was nutzt uns der Vergleich mit anderen Kommunen? Warum wird die gestiegene “Steuerkraft” so hervorgehoben - wenn sie nicht einmal die Ausgaben des Verwaltungshaushalts zu decken vermag?
Es wäre mE wichtiger zu analysieren, woher die gestiegenen Gewerbesteuereinnahmen kommen, ob sie gehalten und wie sie weiter gesteigert werden können.

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