Gastronomie
11.7.2022
Von vorOrt.news

„Bald geschlossene Restaurants“

Personalmangel in der Gastronomie: Tutzinger Akademiedirektorin Münch mahnt Trendumkehr an

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Die Akademie für politischer Bildung in Tutzing kann wissenschaftliche Stellen meist schnell besetzen - aber in anderen Bereichen kämpft sie um qualifiziertes Fachpersonal © Akademie für politische Bildung

Der Personalmangel macht etlichen Tutzinger Gastronomiebetrieben erheblich zu schaffen. Er hat auch die Akademie für politische Bildung erfasst. In einem Interview mit vorOrt.news und dem Starnberger Merkur mahnt Akademiedirektorin Prof. Ursula Münch zur Trendumkehr: „Sonst sitzen wir in dieser herrlichen Gegend demnächst alle nicht mehr am gedeckten Tisch, sondern vor geschlossenen Restaurants mit der selbst zubereiteten Brotzeit.“ (Interview: siehe weiter unten auf dieser Seite.)

Während offene wissenschaftliche Stellen schnell besetzt sind, kämpft die Akademie in anderen Bereichen nach eigenen Angaben um qualifiziertes Fachpersonal. Aktuell sucht sie unter anderem eine neue Küchenleitung, eine Serviceleitung und Stellvertretung der Hauswirtschaftsleitung sowie Teilzeitkräfte für Küche, Service, Reinigung, Buchhaltung und das Tagungssekretariat.

Jährlich veranstaltet die Akademie für Politische Bildung mehr als 200 Tagungen in ihrem Tagungshaus in Tutzing, an anderen Orten in Bayern sowie online. Außerdem veröffentlicht sie wissenschaftliche Publikationen, das Magazin „Akademie-Report“ und den Podcast „Akademie fürs Ohr“. An diesen Arbeiten sind rund 50 Beschäftigte beteiligt – neben den Mitgliedern des wissenschaftlichen Kollegiums solche in der Bibliothek, der Öffentlichkeitsarbeit und der Verwaltung. Die größte Gruppe bildet das Personal in den Bereichen Hauswirtschaft und Haustechnik.

„Wir suchen händeringend“ - Interview mit Prof. Ursula Münch

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Bald sitzen wir in Tutzing nicht mehr vor dem gedeckten Tisch, warnt Akademiedirektorin Prof. Ursula Münch - wenn es mit dem Personalmangel in der Gastronomie so weitergeht © Akademie für politische Bildung

Frau Professorin Münch, der Akademie für Politische Bildung mangelt es an Fachkräften. Welche Bereiche in Ihrem Haus sind besonders betroffen?

Prof. Münch: Am schwersten tun wir uns, die Lücken im Team der Hauswirtschaft zu füllen. Wir suchen händeringend nach einer Köchin bzw. einem Koch für die gemeinsame Küchenleitung. Auch im Service, in der Reinigung und in der Spülküche gibt es unbesetzte Stellen. Im Bereich der Verwaltung ist es nicht ganz so dramatisch, aber auch hier brauchen wir dringend Unterstützung durch eine Halbtagskraft für das Tagungssekretariat.

Haben Sie eine Ahnung, woran die schwierige Personalsituation liegen könnte?

Prof. Münch: Personal in der Gastronomie war schon vor Corona knapp; aber während der Pandemie sind viele Kräfte in andere Sparten gewechselt. Das wirkt sich auch auf ein Tagungshaus wie die Akademie für Politische Bildung aus. Die Stellen bei uns sind zwar sehr sicher, aber wir können leider nur eher bescheidene Gehälter in Anlehnung an den öffentlichen Dienst zahlen. Gleichzeitig sind die Lebenshaltungskosten in Tutzing und Umgebung bekanntlich sehr hoch – das passt natürlich nicht zusammen. Hinzu kommt, dass es immer weniger Nachwuchs im Bereich Hauswirtschaft gibt. Die Berufsaussichten sind zwar hervorragend, aber zu wenige interessieren sich für diese Ausbildung und noch weniger schließen sie ab.

Was kann man dagegen tun, und was tut die Akademie für Politische Bildung? Lässt sich der Trend überhaupt noch umkehren?

Prof. Münch: Der Trend muss umgekehrt werden: Sonst sitzen wir in dieser herrlichen Gegend demnächst alle nicht mehr am gedeckten Tisch, sondern vor geschlossenen Restaurants mit der selbst zubereiteten Brotzeit. Damit sich etwas verbessert, wäre es gerade für die öffentlichen Einrichtungen besonders wichtig, genügend günstigen Wohnraum für Beschäftigte und deren Familien anbieten zu können. Leider kann die Akademie ihrem Personal keine Wohnungen zur Verfügung stellen. Wir haben zwar einige wenige Personalzimmer, aber das spricht verständlicherweise nur die Wenigsten an. Wichtig wäre außerdem, Migranten und Migrantinnen auf die Ausbildungsangebote der Hauswirtschaftsschulen und die hervorragenden und vielfältigen Berufsperspektiven aufmerksam zu machen. Die Akademie selbst hat in der Vergangenheit immer wieder ausgebildet, aber das hat offenbar nur das Nachwuchsproblem von Hotels und Restaurants gemildert – nicht unser eigenes. Inzwischen streuen wir unsere Stellenangebote auch über Social Media. Das hat gegenüber klassischen Stellenanzeigen den Vorteil, dass wir auf den großen Vorzug der Akademie für Politische Bildung verweisen können: ein Arbeitsplatz in traumhafter Lage und in einem grandiosen Team.

Alle Stellenausschreibungen sind auf der Website der Akademie für Politische Bildung zu finden: www.apb-tutzing.de/akademie/stellenangebote/

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Kommentare

Es erstaunt mich, dass die Leiterin der politischen Akademie die politischen Ursachen für dieses Drama nicht klar benennt. Denn die liegen auf der Hand. Wir blicken in Deutschland auf 16 Jahre mit einer Einwanderungspolitik zurück, die im wesentlichen aus Abschottung bestand. Mit der man fraktionsübergreifend eigentlich nur um rechte Wählgruppen warb. Dass die demographische Entwicklung auf Schrumpfung hinausläuft, ließ sich nun wirklich schon vor Jahrzehnten sauber berechnen – man ignorierte das einfach. Ja, und hinzu kommt noch eine Bildungspolitik, in der wir bis heute die meiste Zeit damit verbringen, Kinder in Verlierer und Gewinner zu sortieren. Um uns nun darüber zu wundern, dass denen, die in diesem bösen Spiel den Kürzeren gezogen haben, die Lust an der Mitarbeit vergeht. Wer will sich nach einer entwürdigenden und entmutigenden Schulzeit noch in schlecht bezahlten Jobs verheizen lassen?

Die politische Akademie wird der Mangel an Arbeitskräften, ist sie doch eine quasi staatliche Einrichtung, nicht existenziell erschüttern können. Andere Geschäfte müssen für immer die Tore schließen und es wird der Gesellschaft einiges an Substanz und Kultur verloren gehen. Weil wir uns in diesem Land viel zu lange eine Politik der Stagnation und Besitzstandswahrung geleistet haben, in der die wichtigen Aufgaben liegen geblieben sind.

Wir brauchen in Deutschland wohl zweierlei: Eine Politik, die reifer mit ihren eigenen Ängsten umgeht, und eine politische Akademie, die zu erklären vermag, wie sich das umsetzen lässt.