Von Christine Adler

Fairtrade für die Seele

Tipp für Tutzinger: Jungkoch betreibt Imbiss in Ascheringer Bauernhof - Ratsch inbegriffen

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Fairzehr Stüberl in Aschering © ca

Vor vielen vielen hunderten von Jahren hat meine Ururgroßtante in Söcking einen Konionalwarenladen betrieben. Mit einem guten Auskommen. Nicht nur weil die Söckingerin dadurch feinsten Kaffee, Tee und Schokoladen bekommen hat, sondern hauptsächlich wegen dem "Ratsch": Den kleinen Geschichten für die Seele und das dörfliche Allgemeinwohl. Die Geschichten wurden zwangsläufig zwischen dem Sauerkraut- und dem Essiggurkentopf von Söckingerin zu vielleicht Maisingerin, quasi frisch gemahlen, weitergeben.

Mein Vater vertritt heute noch die gewagte Theorie, dass ausschließlich aus demselbigen Grund - des fangfrischen „Wissens- und Meinungseinkaufs“ - eine jede interessierte Person, gerne täglich dort ihre Besorgungen erledigte. Und so ging ein „Einkauf“ nie unter zwei vollen Stunden vonstatten. In diesen wurde von den Betreffenden und auch Nicht-Betroffenen das Dorf-, Liebes- und Lebensleben eben ausführlich durch und wiedergekaut.

Therapie per Einkauf

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Speisekarte Fairzehr Stüberl © CA

Psychologen oder gar Paar- oder Kindertherapeuten waren zu jener Zeit freilich dünn gesät und ich denke auch nicht, daß die Söckingerin an sich so etwas in Anspruch genommen hätte. Der Herr Pfarrer war in solchen Angelegenheiten auch keine rechte Hilfe und es ging ihn auch in den meisten Fällen einen feuchten Kehricht an. So trafen sich eben dort in dem winzig kleinen Laden die Damen und therapierten sich mit dem Großeinkauf von 50 Pfennig quasi selbst - gruppentherapeutisch sozusagen.

Warum jetzt dieser aussschweifende Exkurs aus meiner Familiengeschichte? Was hat Söcking mit Aschering überhaupt zu tun und noch dazu ein Kolonialwarenladen? Wo man doch spätestens jetzt weiß, dass diese Waren aus Afrika, Indien oder Sri Lanka in keinster Weise fair, also unter menschen- und umweltwürdigen Bedingungen, erzeugt wurden. Und die Händlerkette bis zu uns war noch viel ausbeuterischer. Ja, da gebe ich Euch recht. Die Fairtrade-Bewegung hat meine ganze Unterstützung. Wie auch Heike Dewitz und ihr wunderbares Team in Tutzing, in deren Laden an der Hauptstraße ich alle meine Gewürze, Kaffee und den guten Wein besorge, den sie dort so freundlich und kompetent feilbieten.

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Ein Ort des beschaulichen Austauschs

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GästInnen aus Tutzing und Aschering © ca

Und was ist jetzt mit Aschering?

Ja, genau dort habe ich – eben mit Fairtrade Waren – genau dieses Gefühl im "Fairzehr Stüberl" selbst erlebt, das meine Urgroßtante scheint's auch zu erzeugen wusste.

Philipp Poggenseier ist es mit der Schützenhilfe seiner Mutter Britta gelungen, so einen Ort des beschaulichen Austauschs zu erschaffen. Für Tutzinger, die Lust auf Bratwurst mit Pommes oder Kuchen haben, ein lohnendes Ziel. Biegen sie mit ihrem Auto, Motorrad, Radl oder per pedes in den Hof an der St. Sebastians-Straße ein, winkt schon das liebevoll gestaltete Schild, welches auf alle Leckereien dieses Idylls aufmerksam macht.

Komplikationsbewältigungsstrategien bei Currywurst und Pommes

Currywurst, Pommes, Bratwurst, Kuchen, diverse Getränke, Eis etc.ese Feinheiten kann der Gast - wie ich mit zwei Kindern - gerne im kleinen Wirtsgarten verspeisen, wenn es das Wetter zulässt. Oder einfach drinnen im heimeligen Stüberl bei strömenden Regen, oder gerne auch die Leckereien mit nach Hause nehmen. Alles nach strengen Hygienevorschriften.

Und dazu, on top eben, kommt der freundliche und mitfühlende "Ratsch", wie man bei uns in Bayern so schön sagt. Ob Liebesdivergenzen, Erziehungsfragen oder behördliche Komplikationsbewältigungstrategien. Das Team des Fairzehr Stüberl und eben auch die Gäste, die der liebevolle Laden aus Aschering, Pöcking, Tutzing, Söcking und auch Traubing anzieht, stehen einander mit Rat und Tat in allen Lebenslagen untereinander bei. Kein Muss, sich an den Gesprächen zu beiteiligen, nur ein Kann.

Und damit wird nicht nur der dürstende und hungrige Magen, sondern auch die Seele des Einkehrenden fair behandelt. Und solch ein Ort ist nicht nur ganz besonders, sondern auch ein Geschenk: Wenn Wirtsleute von ihrem Beruf nicht nur leben, sondern ihn auch leben.

Offnungszeiten

Mittwoch bis Sonntag immer von 11 bis 20 Uhr.

Quelle Titelbild: CA
ID: 3048
Über den Autor
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Christine Adler

Christine Adler ist Mutter von zwei Kindern, Schauspielerin und wohnt in Tutzing

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