Von Ernst von der Locht

Dorfpatz am See statt Luxushotel für Gäste

Erwerb des Seehofs und Ausbau zur Ortsmitte könnten mit öffentlichen Mitteln finanziert werden.

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Platz für eine autofreie Ortsmitte: Seehof-Grundstück © L.G.

„Das ist einer der schönsten Flecken der Welt“, sagte vor zwei Jahren die Bürgermeisterin Frau Greinwald. Und jetzt plant die Gemeinde dort ein Luxushotel, vier einzelne Häuser nebeneinander in einer Reihe. Nachdem in den letzten Jahrzehnten die Bürger und der Gemeinderat Privatwohnungen und ein großes Hotel stets abgelehnt hatten, kommt jetzt dieser Vorschlag.

Das würde den ehemaligen Charakter Tutzings endgültig zerstören: Statt dem ehemaligen Ortszentrum, mit dem Mariendenkmal in der Mitte, in voller Breite mit dem See verbunden, mit zwei Stegen, der eine für Passagierschiffe, der andere für alle Segelfreunde, stünden dort vier massive Hotelkörper, die nur noch eine schmale Fahrstraße zum See zuließen. Besonders schade, dass dann die Mariensäule, die Patrona Bavariae, dadurch nicht nur an Platz verliert. Denn sie hat für Tutzing seit 300 Jahren eine zentrale Bedeutung, die nicht durch Luxusbebauung gestört werden sollte.

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Das alte Seehof-Hotel mit der Mariensäule auf einer historischen Ansichtskarte © Sammlung Gernot Abendt

Im Jahre 1712 wurde die Mariensäule im Ortszentrum errichtet, aus Dankbarkeit für die Rettung des Ortes vor damaligem Kriegsgreuel: Die Soldatenhorden raubten, plünderten, brandschatzten und zerstörten. Und, oh Wunder, Tutzing wurde verschont, zum Dank an den Himmel dafür das Denkmal. Und seitdem identifiziert sich Tutzing mit der Mariensäule. Da die Holzstatue wetterbedingt gelitten hatte, wurde sie 1881 durch eine eiserne Statue ersetzt und vergoldet, ein Symbol der höchsten christlichen Wertschöpfung. Und immer haben in Tutzing die Schlossherren, die Bürger, die Katholische Kirche und die Gemeinde gemeinsam die Kosten getragen.

In den vergangenen Jahren wurde auf diesem Gelände neben einem kleineren Hotel ein Ortszentrum mit Marktplatz rund um die Mariensäule vorgeschlagen, offen für die Bürger („Schlossboulevard“). Dazu kam es nicht, hätte aber gut zur Ortsgeschichte gepasst. Und da die heutige Eigentümergesellschaft verkaufen möchte, könnte die Gemeinde das Gelände zurückkaufen. Aufgrund der neuen „Richtlinien zur Förderung städtebaulicher Erneuerungsmaßnahmen“ könnte der Erwerb des Grundstücks und der Ausbau zur Ortsmitte mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Und wenn es nicht reicht, könnte eine zu gründende Genossenschaft beteiligt werden, finanziert über die Anteilscheine von engagierten Tutzingern.

Und die Bürger könnten wieder über die autofreie Ortsmitte auf den See schauen, sich auf Bänken erholen, von einem Seerestaurant auf das Ostufer und die Benediktenwand schauen, im Tante-Emma-Laden Produkte aus heimischer Landwirtschaft kaufen, vielleicht auch dem Opa zuschauen, der mit dem Kind an der Hand aus dem Mehrgenerationenhaus kommt.

Tutzing wird dann noch attraktiver, sicher für uns als Bürger, aber auch für Besucher, schon allein wegen des wunderschönen Ortszentrums am See.

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Der einstige Garten des Seehof-Hotels mit dem Blick auf die Mariensäule und den See © Sammlung Gernot Abendt
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Ernst von der Locht

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Kommentare

Man gerät angesichts dieser Vision regelrecht ins Schwärmen. Ein Ortszentrum der Begegnung, Angebote, die durchaus auch die Interessen der Bürger im Blick haben und nicht nur die von Investoren. Überhaupt, wie wäre es, wenn die Gemeinde Tutzing dieses Projekt zum Anlass nimmt, um sich neuen Verfahren der Bürgerbeteiligung mit dem Ziel der Gemeinwohlorientierung zuzuwenden? Andere Gemeinden (z. B. diese https://bayern.ecogood.org/kirchanschoering-deutschlandweit-erste-gwoe-gemeinde/) machen in der Hinsicht gute Erfahrungen und nutzen Anbieter (wie diesen https://lebendige-demokratie.de/), um spannende Prozesse (wie jenen https://www.youtube.com/watch?v=GVSsmlysiRk&fbclid=IwAR2TkUsTEOhG_dlh22fXfZ9eiwTooq7C8_dbVqd1D1CwVCdjqAGDnr96y1E) zum Wohle ihrer Bürgerschaft anzustoßen.
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