Die aktuelle Haushaltssperre im Bundeshaushalt hat schnell Folgen auch für Tutzing: Für die Errichtung eines „Seewärmenetzes“ hatte die Gemeinde auf staatliche Fördermittel bei einer "Machbarkeitsstudie" gehofft - aber zurzeit liegt alles auf Eis, wie Bürgermeisterin Marlene Greinwald vor ein paar Tagen im Gemeinderat mitgeteilt hat. Dessen Mitglieder bekundeten mit einer Absichtserklärung dennoch einstimmig ihre Entschlossenheit, weiter an der Nutzung von Wasser aus dem Starnberger See als Wärmequelle zu arbeiten - ein Projekt, mit dem Tutzing in Deutschland wahrscheinlich auf diesem Gebiet einer der Vorreiter wäre.
Relativ schnell könnte dieses Vorhaben auch zu Baumaßnahmen führen: Notwendige Rohre sollten möglichst gleich während der bevorstehenden Sanierungsarbeiten in der Hauptstraße mit verlegt werden, empfiehlt Dr. Marco Lorenz, Mitgründer der Initiative „Tutzing Klimaneutral 2035“ und einer der Initiatoren beim Projekt Seewärme für Tutzing. Auf Nachfrage von vorOrt.news zeigte er sich gar nicht unglücklich darüber, dass es zunächst keine staatlichen Fördergelder geben soll. Die einschlägige Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) gebe konkrete Strukturen vor, sagt er: „Da muss man genau Punkte abarbeiten.“
Keine staatliche Förderung könnte also mehr Flexibilität bedeuten: „Wir können uns Schritt für Schritt voran arbeiten“, sagt Lorenz, „und sind frei von Vorgaben.“ So gesehen ist die aktuelle Streichung der Fördermittel für ihn „kein so großer Beinbruch“: „Wir können es so machen, wie es für uns sinnvoll ist.“ Das bedeute, dass man das Projekt auch jederzeit abbrechen könne, etwa dann, wenn sich herausstellen sollte, dass eine Genehmigung für Seewärme illusorisch oder das erforderliche Geld nicht aufzubringen sei.
Investor für die Rohrverlegung in Tutzing gesucht
Bei dem Verfahren soll in einer bestimmten Tiefe, wo die Temperatur übers Jahr recht konstant ist, Wasser entnommen werden und dann durch einen Wärmetauscher laufen, wo es abgekühlt wird. Die entzogene Wärme soll ins Heizungsnetz übertragen, das um zwei bis drei Grad abgekühlte Seewasser wieder in den See zurückgeleitet werden. Als Vorbild bezeichnet Lorenz ein derartiges Projekt in der Schweizer Stadt Luzern am Vierwaldstättersee, wo auf diese Weise bisher 4000 Haushalte angeschlossen sind; eines Tages sollen es 10 000 Haushalte sein. Sorgen wegen negativer Folgen für den Starnberger See hält Lorenz für unbegründet: Er sei bezogen auf die Wassermenge der zweitgrößte See in Deutschland, und er habe ausgerechnet, dass man 141 Jahre pumpen müsse, um das Seewasser einmal durchzukriegen. Wichtig sei es, das Wasser in der richtigen Höhe zu entnehmen, um ungünstige Vertikalströmungen zu vermeiden.
Den ersten wichtigen Schritt stellen für Lorenz nun die Leitungen dar: „Wie kriegen wir die Rohre rein?“ Die Kosten dafür hat er im Gemeinderat mit 200 000 bis 500 000 Euro für 750 Meter zwischen der Bahnhofstraße und dem Ringseisweg beziffert. Gesucht werde eine Konstruktion, die dies ermögliche, sagt er - und ein Investor für die Finanzierung. Das müsse jemand sein, der in dem Projekt eine Chance erkenne, sein Geld zurück zu bekommen. Es handele sich um Risikokapital, weil etwas zu finanzieren sei, für das es noch keine Genehmigung und damit keine Sicherheit gebe. Dafür müsse man eine Wärmequelle mit berücksichtigen und klären, ob das Projekt wirtschaftlich betrieben werden könne.
Für die Eigentümerstruktur schwebt Lorenz nicht nur die private Wirtschaft vor. Auf jeden Fall sollte seiner Meinung nach die Gemeinde und eine Genossenschaft mit im Boot sein. So könne ein privater Versorger nicht so einfach Leitungen bauen, eine Gemeinde aber schon: „Das ist für die potenziellen Geldgeber eine Gewährleistung, dass es funktionieren kann.“
Interessensbekundungen mehrerer anderer Gemeinden aus dem Landkreis Starnberg
Sehr erfreut zeigt sich Lorenz über eine positive Stimmung zu dem Projekt Seewärme, die in der jüngsten Gemeinderatssitzung deutlich geworden ist. Er berichtet auch über Interessensbekundungen aus anderen Gemeinden, so von den Betreibern der Berger Windräder, eventuell bei so einem Vorhaben mitzumachen. Im Gemeinderat sprach Lorenz sogar von einem „enormen Interesse bei verschiedenen Gemeinden im Landkreis“. Dabei erwähnte er außer Berg beispielhaft auch Herrsching. Das Wasserwirtschaftsamt Weilheim soll laut Lorenz bereits geraten haben, die Anlage so groß wie möglich zu planen, weil es bei kleineren Anlagen ein viel höheres Wartungsrisiko gebe.
See-Energie Region Luzern
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