Seit 2011 ist der Theologe und Medienexperte Udo Hahn Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing. Verbunden mit der Akademie und damit Tutzing ist er jedoch schon seit 1986 – und zwar als Mitglied des Freundeskreises der Akademie, der ihn am Donnerstag mit dem „Freundeskreiszeichen“ geehrt hat. Etwa 1000 Mitglieder hat der Verein, in dem Menschen ehrenamtlich Veranstaltungen und Bildungsangebote auf die Beine stellen. Damit wird die Bildungsidee der Akademie seit 75 Jahren in jeden Winkel Bayerns getragen.
Laudator Günther Beckstein, der frühere bayerische Ministerpräsident, betonte den Wert der Akademie für die Verortung der Kirche in aktuellen gesellschaftlichen Debatten. Beckstein kennt sowohl den Ort als auch den Akademiedirektor seit langer Zeit. Als Leiter des Politischen Clubs der Akademie arbeitete er von 2011 bis 2016 eng mit Hahn zusammen. Schon als Student war Beckstein Tagungsgast an der Tutzinger Akademie. Damals habe er Egon Bahr und Willy Brandt für ihre Ostpolitik scharf kritisiert, sagte er. Später, gab er zu, habe er erkannt, dass beide „große Patrioten“ gewesen seien. Bei Bahr habe er sich sogar entschuldigt.
Udo Hahn, sagte Beckstein, verstehe sein Amt in großer Loyalität zu seiner Kirche, führe das Haus aber auch in Eigenverantwortlichkeit und lasse seinem Team Raum für Kreativität und Freiheit. Auch auf die Bedeutung der Akademie für die Kirche ging Beckstein ein. Die Akademie habe auch Ausstrahlung auf diejenigen, die sonst nichts mit Kirche zu tun hätten. Sie suche die geistige Auseinandersetzung mit den Themen der Zeit und sorge dafür, dass der Geist der Kirche in diesen Themen vorkomme. Die Gesellschaft brauche die Diskussion, betonte er - und auch, dass sich die Kirche in die Diskussionen einbringe.
Eine Atmosphäre für den Austausch differenter Positionen ohne bösartige Eskalation

In seiner Dankesrede zeigte sich Hahn gerührt: „Es ist ein Glücksgefühl: Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein – des Freundeskreises der Evangelischen Akademie Tutzing; Teil der Gemeinschaft der Mitarbeitenden dieser Akademie zu sein; Teil der Hoffnungsgemeinschaft zu sein, die all jene Menschen umfasst, die sich mit der Akademie verbunden wissen.“
In seiner Rede vertiefte Hahn den Aspekt der Hoffnung. Als „Leidenschaft für das Mögliche“ habe der Philosoph Sören Kierkegaard sie einst beschrieben. Ausgehend von Formulierungen des Theologen Jürgen Moltmann stellte Hahn fest: „Die Hoffnung sucht nach Möglichkeiten. Dabei ist sie nicht nur Tugend und Gefühl. Es gibt auch eine Praxis der Hoffnung. Dazu gehört für mich das Gespräch.“
Räume für Gespräche zu kontroversen Fragen der Zeit zu schaffen, das ist für Hahn die Aufgabe der evangelischen Akademiearbeit: „Wichtig ist mir, einen Rahmen, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man ohne Angst verschieden sein kann, in der differente Positionen ohne bösartige Eskalation ausgetauscht werden können, in der Klärung und Orientierung stattfinden können, ohne dass zwangsläufig immer ein Konsens am Ende stehen muss.“ Jedoch könnten solche Gespräche helfen, zu verstehen und Möglichkeiten sichtbar zu machen, sich ein eigenes Urteil zu bilden, Impulse geben und zum demokratischen Diskurs beitragen. In einer Zeit der Zersplitterung brauche die Gesellschaft mehr denn je konstruktive Gespräche. Auch wenn sie oft kleine Schritte seien, so würden sie dennoch dazu beitragen, „aus dieser beschädigten Welt einen besseren Ort zu machen“ – als „Inseln des Gelingens“.
Die Freundeskreis-Vorsitzende Brigitte Grande sagte, die Demokratie brauche Foren wie die Evangelische Akademie Tutzing, in denen Menschen konzentriert zuhören, nachdenken und nachfragen, widersprechen oder zustimmen können, „wo man sich bemüht, Probleme in ihrer Komplexität zu erfassen und geduldig Lösungen zu diskutieren, wo wir Verunsicherung und Ohnmacht mit Wissensvermittlung und Diskurs begegnen.“ Solche Foren seien ein überaus kostbares Gut demokratischer Gesellschaften. Hahn habe die Einrichtung „als erkennbar evangelischen Diskursort profiliert, der Demokratie stärkt und Zivilgesellschaft fördert“.
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