An den mehr und mehr verfallenden „Andechser Hof“ haben sich die meisten Einheimischen gewöhnt wie an den Leerstand des Seehof-Grundstücks. Aber nun gibt es einen neuen Vorstoß. Jochen Twiehaus und Mike Pfisterer, die das Architektur- und Ingenieurbüro Pfisterer Twiehaus betreiben, haben einen Entwurf vorgelegt, der sich von der bisherigen Planung in wesentlichen Punkten unterscheidet.
Nach diesem Vorschlag soll ein Bauwerk mit drei Flügeln errichtet werden, bei dem zwei fast identische Gebäude quasi Rücken an Rücken stehen. Zwischen ihnen soll es ein Atrium geben, das die beiden Gebäude verbinden und als Trennfläche fungieren soll. Dagegen sieht ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan, der 2023 in Kraft getreten ist, auf dem Grundstück zwei Gebäude vor: ein größeres, in dem eine Gastronomie untergebracht werden soll und ein weiteres mit Wohnungen sowie Büro- und Gewerbenutzung.
Die Kubatur soll beim neuen Vorschlag etwa so groß sein wie die bei der ersten Planung. Die Wandhöhe der Gebäude soll mit 8,90 Metern um 1,30 Meter, die Firsthöhe um 60 Zentimeter höher sein. Für Twiehaus ist das schon die zweite Planung auf eigene Initiative. Das Modell der ersten Planung kann im Schaufenster des Büros an der Bahnhofstraße besichtigt werden.
Der neue Vorschlag erfordert eine Änderung des Bebauungsplans
„Aus zwei mach eins“: Auf diese Formel hat Bürgermeister Ludwig Horn den neuen Vorschlag gebracht, als er vor ein paar Wochen im Gemeinderat vorgestellt wurde. So einfach anders bauen – das geht aber nicht. Zu diesem Zweck müsste der Bebauungsplan geändert werden. Das Bauamt der Gemeinde hat einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan angeregt. Ob dazu im Gemeinderat Bereitschaft besteht, ist bisher aber zumindest nicht klar.
Zu dem neuen Entwurf gab es in der Sitzung vor einigen Wochen sehr viel positive, aber auch negative Äußerungen. Über die Kritikpunkte soll es nun Gespräche mit dem Eigentümer geben.
Eines der wesentlichen Konfliktfelder wurde stets in Emissionsproblemen gesehen: Wenn Lärm aus der Gastronomie mit Biergarten zu den Wohnungen dringe, könne es von deren Nutzern Beschwerden geben. Diesem Risiko glauben die Planer mit der vorgeschlagenen anderen Gebäudestruktur entgegenwirken zu können: Weil es zwei Außenwände geben soll, werde das Schallschutzproblem gelöst, denn von der östlich geplanten Gastronomie mit Biergarten werde durch diese Anordnung kein Lärm zu den Wohnungen dringen. Dazu komme, dass die Wohnungen von der Gastronomie weg orientiert seien.
Nach Meinung von Twiehaus sollte eines der Gebäude nur der Gastronomie zugeordnet werden, das zweite Gebäude nicht. Bisher war vorgesehen, dass die auf dem Grundstück vorgesehenen Wohnungen ausschließlich von Mitarbeitern des Gastronomiebetriebs genutzt werden dürfen. Mit einer funktionellen Aufteilung wäre eine solche Nutzungseinschränkung nach Auffassung von Twiehaus nicht erforderlich. Die nun vorgeschlagene Bauweise sei zudem nachhaltiger, argumentieren die Planer weiter. Sie ermögliche mehr Flexibilität, so etwa auch kleinere Wohnungen, und die Erschließung könne doppelt genutzt werden.
Der Entwurf wurde vorab mehrmals in einem Arbeitskreis und einer Gemeinderatsklausur präsentiert
Der neue Entwurf kam zwar vor einigen Wochen erstmals in eine öffentliche Sitzung des Gemeinderats. Nichtöffentlich war er aber vorab schon bei diversen anderen Gelegenheiten besprochen worden. Im Zuge einer neuen Initiative, die offene Diskussionen über kommunale Gestaltungen ermöglichen soll, war zu diesem Zweck ein Arbeitskreis gegründet worden, an dem zumindest zeitweise auch einige Gemeinderatsmitglieder der CSU, der Freien Wähler und der Tutzinger Liste teilnahmen. Darüber hinaus haben die Initiatoren den neuen Entwurf im März auch in einer Klausurtagung des Gemeinderats präsentiert.
Als das Thema nun erstmals in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung zur Debatte stand, beklagten einige Ratsmitglieder dennoch mangelnde Informationen zu dem neuen Konzept. Besonders kritisierten Dr. Ernst Lindl (CSU) und Stefan Feldhütter (Freie Wähler), es sei keine Lösung der bisher beklagten Probleme zu erkennen. Lindl erwartet durch die neue Planung „eine nochmalige Diskussion, die am Ende nur zu den selben Fragen führt“. Er sehe nicht, dass die Initiatoren des neuen Vorschlags bereit seien, „die Dinge zu lösen“, meinte er. Und aus Sicht des Gemeinderats fügte er hinzu: „Es geht nicht nur um Geld, es geht auch um unsere Zeit.“ Gewiss sei der Andechser Hof in seinem derzeitigen Zustand ein Schandfleck: „So wie es jetzt ist, ist es greislich.“ Es sei „eine verbesserungswürdige Situation“. Er würde aber schon gern wissen, fügte er hinzu, „dass die Probleme, die die Bebauung bisher verhindert haben, beseitigt werden“. Das sehe er jedoch nicht.
Feldhütter schloss sich Lindl ausdrücklich an. „Es ist wünschenswert, dass da was passiert“, sagte er, „ich wäre im Grunde kompromissbereit.“ Das Gebäude im neuen Entwurf sei zwar interessant: „Aber es gefällt mir nicht an diesem Platz.“ Das von Stadtplaner Florian Burgstaller seinerzeit entworfene Gebäude gefalle ihm besser. Die Erhöhungen von Wand- und Firsthöhe bedeuteten „eine erhebliche Mehrung“. Er vermisse auch einen Vergleich der Flächen im alten und im neuen Entwurf. Der neue Vorschlag sei nicht transparent kommuniziert worden, warf Feldhütter den Initiatoren vor. Über das Thema sei jahrelang im Gemeinderat diskutiert worden: „Das alles mit einem Federstrich zu Makulatur zu erklären, ist mir zu mager.“ Auf dieser Basis werde er dem neuen Vorschlag nicht zustimmen.
Verwunderung über Kritik trotz "konstruktiver" Gespräche im Vorfeld
Andere Gemeinderatsmitglieder sahen in dem neuen Vorschlag demgegenüber eine Möglichkeit, endlich eine Lösung für den Andechser Hof zu finden. Der neue Vorschlag trage einigen Konflikten Rechnung, sagte Bürgermeister Ludwig Horn. „So wie jetzt kann es nicht bleiben“, sagte Dr. Joachim Weber-Guskar (FDP), „es wird aber mit dem bestehenden Bebauungsplan so bleiben.“ Das Grundstück habe „absolutes Potenzial“. In der neuen Planung sieht er, wie er sagte, einen Gewinn, die bisher befürchteten Konflikte könnten mit der vorgeschlagenen Gebäudestruktur gelöst werden. Die Erhöhungen bei der Wand- und der Firsthöhe seien akzeptabel: „Wir sind schließlich an der Hauptstraße, da sollte man kompromissbereit sein.“
Eine Änderung hält auch Dr. Thomas von Mitschke-Collande (CSU) für sinnvoll, der an den Treffen des Arbeitskreises immer teilgenommen hat - im Gegensatz zum laut Twiehaus ebenfalls eingeladenen Feldhütter. Mitschke-Collande bezeichnete den gültigen Bebauungsplan als „suboptimal“. „Man hat nicht den Mut gehabt, die gesamte Situation zu verbessern“, kritisierte er. Im neuen Vorschlag sieht er „durchaus eine Lösung, aus der verfahrenen Situation herauszukommen“. Denn wesentliche Punkte seien erfüllt. Den Gemeinderat bat er, die Entscheidung zu vertagen, zu versuchen, die von Lindl und Feldhütter angesprochenen Themen im Vorfeld zu klären und „nicht gleich das Ganze abzuwürgen“. Bei diesen Worten schaute er zu seinem Parteifreund Lindl hinüber.
Die Planer, von denen der neue Entwurf stammt, zeigen sich über einige der kritischen Äußerungen im Gemeinderat sehr verwundert. In dem für dieses Thema gegründeten Arbeitskreis seien die Gespräche in vielen Runden und mit mehreren Gemeinderäten sehr konstruktiv gewesen. „Viel transparenter geht nicht“, sagt Twiehaus. Allen Teilnehmern des Arbeitskreises sei klar gewesen, dass es so wie bisher nicht weiter gehen könne.
"Das Emissionsproblem wird durch die neue Anordnung der Gebäude gelöst"
Über alle Konflikthemen und über die vorgeschlagenen Lösungen sei bei den diversen Besprechungen diskutiert worden, betonen Pfisterer und Twiehaus. Das Emissionsproblem - Lärmwirkung von der Gastronomie zu den Wohnungen - sei durch die Anordnung der Gebäude „Rücken an Rücken“ und ihre Situierung in zwei verschiedenen Richtungen gelöst. Die Wohnungen würden teils in Ost-West-Richtung, teils in Nord-Süd-Richtung orientiert. Die Vorgaben des Bebauungsplans würden eingehalten, so bei der Gestaltung auf der Seite der Hauptstraße und bei der Einfahrt zur Tiefgarage. Dass die Gebäude etwas höher als der Altbestand werden sollen, begründen die Planer mit den Anforderungen der Gastronomie und der Unterbringung der technischen Geräte, insbesondere der Lüftungsanlage für die Gastronomie. „Wir sind im Ortskern“, sagt Pfisterer: „Ich finde, dass der Platz diese Größe vertragen kann, zumal es in der Nachbarschaft noch höhere Gebäude gibt.“
Gegen das Konzept habe sich sowohl im Arbeitskreis als auch bei der Klausurtagung des Gemeinderats niemand ausgesprochen, sagen Twiehaus und Pfisterer. Nach der Klausurtagung habe es viele positive Rückmeldungen gegeben. Dass nun dennoch Kritik aufkommt, die Lösung der Probleme werde nicht klar und es werde nicht transparent kommuniziert, könne er nicht nachvollziehen, sagt Pfisterer.
Die Eigentümer beklagen rechtliche Erschwernisse durch die Gemeinde Tutzing
Wer ein neues Gebäude auf dem Grundstück des Andechser Hofs bauen würde, ist offen. Im Zuge der jahrelangen Debatte haben sich die Eigentümer vorerst anders orientiert, auch von anderen interessierten Investoren ist nichts bekannt. Dafür fehlen nach Meinung von Twiehaus auch die Grundlagen. „Wir wissen ja nicht, wohin die Reise geht“, sagt er. Zunächst müsse das Produkt klar sein - also wie genau und nach welchen rechtlichen Kriterien ein Bauwerk entstehen kann.
In dieser Hinsicht sehen die Eigentümer aber noch beträchtliche Probleme. Georg Schuster und seine Frau Conny, die den Andechser Hof vom Kloster Andechs gekauft haben, beklagen nach wie vor rechtliche Erschwernisse, die ihnen die Gemeinde Tutzing bei einem Neubau auferlege. Ein Aspekt ist dabei ein geforderter Eintrag der Gastronomie als Pflichtbestandteil des Gebäudes ins Grundbuch.
Die Gastronomie stehe bereits als Anforderung im Bebauungsplan, argumentiert Schuster. Eine weitere Absicherung durch Grundbucheintrag sei deshalb unnötig. Er versteht die Forderung auch deshalb nicht, weil er immer versichert habe, dass er eine neue Gastronomie anstrebe: „Wir haben sie von Anfang an priorisiert.“ Im Fall einer Änderung zu einem späteren Zeitpunkt, so etwa eines Verkaufs oder anderer Pläne im Gemeinderat, bedeute ein solcher Grundbucheintrag aber eine Wertminderung.
Twiehaus gibt Schuster recht: Solche Doppelabsicherungen seien unüblich, bei anderen Gastronomiebetrieben werde so etwas nicht verlangt. Außerdem investiere der Eigentümer einen siebenstelligen Betrag nur in die Gastronomie, die er bei einem Misserfolg komplett abschreiben müsse.
Kritik wegen geforderter Konventionalstrafe und Reduzierung des Baurechts
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist eine ansehnliche Konventionalstrafe, die von den Eigentümern des Andechser Hofs im Entwurf eines städtebaulichen Vertrags für den Fall verlangt werden soll, dass die Gastronomie länger als sechs Wochen leer steht. Schuster spricht von Schikane. Nach Meinung mancher Juristen sei so etwas sogar sittenwidrig. Auch Twiehaus hält so eine Strafe für realitätsfremd und nicht durchsetzbar. „Solche Forderungen bringen so ein Projekt sofort zum Platzen“, warnt er. Die Finanzierung einer Gastronomie sei heutzutage ohnehin schwer zu realisieren. Mit derartigen Regelungen werde sie praktisch unmöglich. Einen ersten städtebaulichen Vertrag, in dem alle üblichen Pflichten des Bauwerbers, so die Kostenübernahme, geregelt werden, haben die Eigentümer schon längst unterschrieben.
Weiter kritisieren die Eigentümer eine Reduzierung des Baurechts im Bebauungsplan für den Andechser Hof. Unter Verweis auf mehr zugestandenes Baurecht bei mehreren anderen Gebäuden an der Tutzinger Hauptstraße, teils sogar auf kleineren Grundstücken, hält Georg Schuster dies für eine ungerechte Behandlung. Tatsächlich hat ein Gemeinderat darauf hingewiesen, dass bei der in Bau befindlichen Anlage an der Hauptstraße auf dem Grundstück gegenüber der Marienstraße eine „erhebliche Mehrung des Baurechts in Kauf genommen“ worden sei – also genau umgekehrt wie beim Andechser Hof.
Nach der Umgebungsbebauung, wie sie das Baugesetzbuch in Paragraf 34 ohne Bebauungsplan vorsieht, wäre eine größere Nutzfläche beim Andechser Hof möglich. Das hat Stadtplaner Prof. Florian Burgstaller im Gemeinderat erklärt, als es Anfang 2023 um die Reduzierung des Baurechts ging. Der für die Gemeinde tätige Rechtsanwalt Dr. Volker Gronefeld wies zudem darauf hin, dass das Baurecht nach der Rechtsprechung größer sein könne. Dennoch beschloss der Gemeinderat damals die Baurechtsreduzierung. Baurecht des Andechser Hofs wird reduziert Da das Baurecht in Deutschland durch Gesetze und Bebauungspläne festgelegt ist und einen gewissen Schutz bietet, ist so etwas nur mit bestimmten Maßnahmen wie einem Bebauungsplan oder dessen Änderung möglich.
Die Gemeinde will das neue Konzept mit den Eigentümern besprechen
Trotz der angesprochenen kritischen Aspekte könnte in Sachen Andechser Hof nun nach 13-jährigem Stillstand etwas in Bewegung gekommen sein. FDP-Gemeinderat Weber-Guskar glaubte in der Diskussion trotz der Kritikpunkte „eine gewisse Kompromissbereitschaft“ zu erkennen. Er bezeichnete die Erhaltung der Gastronomie und des Biergartens als „das vordringliche Interesse der Gemeinde“. Dies sei das große Ziel gewesen, das im Bebauungsplan umgesetzt worden sei. „Es ist wichtig, dass an dieser Stelle in Tutzing etwas vorwärtsgeht“, bekräftigte er, und er betonte: „So wie jetzt kann es nicht bleiben - wir sollten diesem Konzept unbedingt eine Chance geben.“
Auch Planer Mike Pfisterer gibt sich vorsichtig optimistisch: „Allgemein fand ich die Stimmung im Gemeinderat nicht schlecht." Er verweist auf viele Emotionen, die diese Diskussion prägten. Mit einem neuen Vorschlag wie der jetzt vorgelegten Planung eröffne sich vielleicht eine Chance, neu über dieses Thema nachzudenken, meint er.
Bürgermeister Horn zeigte sich im Gemeinderat entschlossen, diese Chance zu nutzen. „Wir werden das Konzept mit dem Bauwerber besprechen“, sagte er. Die Informationen, die man dabei erhalte, könne man dann immer noch entsprechend würdigen. Für diese Vorgehensweise gab es im Gemeinderat einen Beschluss – einstimmig.
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Kommentare
Man muss ja immer jemand finden, der investiert und Risiken auf sich nimmt. Für pure Liebhaberei ist das Objekt zu groß & zu teuer.
Momentan scheint es kaum mehr zu sein, als eine feuchte, verschimmelte Ruine auf einem sauteurem Grundstück.
Nachtrag:
Vielleicht könnte man auch gleich jetzt mitbesprechen, ob sich der Bauherr die Option für das zukünftige Seewärme- bzw. Nahwärmenetz offen halten möchte?