Die neben dem Würmseestadion geplante Wohnbebauung wird eine ansehnliche Anlage werden. „Das ist einer der größten Bebauungspläne, die wir jemals gemacht haben“, sagte Bauamtsleiter Christian Wolfert am Dienstag im Bau- und Ortsplanungsausschuss des Tutzinger Gemeinderats zu dem Vorhaben des Unternehmens Verla-Pharm.
Damit schreitet die Neubebauung im Tutzinger Süden weiter voran. Deutliche Veränderungen hatte es schon mit dem Abbruch der früheren Bayerischen Textilwerke und der Errichtung von Supermärkten sowie weiteren Geschäften auf deren Gelände an der Lindemannstraße gegeben. Auf dem Areal neben dem Stadion waren eigentlich bereits um das Jahr 2005 herum größere Neubauten vorgesehen. Entsprechende Planungen einer irischen Gesellschaft waren weit gediehen. Daraus wurde aber nichts, weil dieses Unternehmen im Strudel der Finanzmarktkrise unterging. Das Areal steht bisher weiter leer. Doch nun soll es mit der Bebauung ernst werden – und zwar sowohl mit einer Erweiterung des Gewerbes, also der Firmenzentrale von Verla-Pharm, als auch mit einem komplett neuen Wohngebiet daneben, das künftig von den nahen Einkaufsmärkten, den Bahngleisen, den Sportanlagen und dem Unternehmen Verla-Pharm gewissermaßen eingerahmt werden soll.
Bebauungsplan soll in Wohn- und Gewerbebereich geteilt werden
In Anlehnung an den Johannishügel jenseits der vorbei führenden Bernrieder Straße soll die neue Anlage den Namen „Johannispark“ erhalten. Die Rede ist von einer „parkartigen“ Anlage. Der in Arbeit befindliche Bebauungsplan Nummer 39 „Verla-Pharm / Johannispark“ soll in zwei Teilbereiche getrennt werden. Beim Bereich Wohnen (Teilbereich 2) geht es um eine Neustrukturierung bei unverändertem Baurecht, beim Bereich Gewerbe (Teilbereich 1) um eine Nachverdichtung mit erhöhten Baurecht. In fünf bis zu fünfgeschossigen Mehrfamilienhäusern werden wohl 60 oder 70 Wohnungen entstehen, die Verla-Pharm vor allem als Mitarbeiterwohnungen nutzen will. Eine ausschließliche Verwendung hierfür scheint aber nicht gesichert zu sein.
Kein Fall für "SoBon"
Als Fall für die so genannte sozialgerechte Bodennutzung („SoBon“) wird das Projekt nach früheren Angaben nicht gesehen. Nach der vor einiger Zeit beschlossenen SoBon-Satzung ("Tutzinger Modell"), die den Weg zu bezahlbarem Wohnraum mit ebnen soll, kann Bauwerbern neues Baurecht unter der Voraussetzung genehmigt werden, dass sie im Gegenzug einen Teil ihrer Fläche zu günstigen Konditionen zur Verfügung stellen. Im Fall des Verla-Projekts wird dafür aber wegen eines bestehenden rechtskräftigen Bebauungsplans kein Anlass gesehen.
Schon im März 2022 hatte der Gemeinderat die Planung befürwortet. Inzwischen gibt es gewisse Änderungen, doch das Grundkonzept wurde weitgehend beibehalten. Wegen technischer Dachaufbauten ist bei den Wohnbauten eine etwas höhere Wandhöhe erforderlich als eigentlich zulässig, doch dies betrachtet die Planerin Lydia Knözinger-Ehrl vom Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München nicht als problematisch.
Verla-Pharm hat auch die ehemalige Zirngibl-Halle erworben
Etwas höher als ursprünglich vorgesehen soll auch die Gewerbe-Erweiterung an der Bernrieder Straße werden. Ein dort neben dem Haupteingang geplantes mehrstöckiges Gebäude, das dem Unternehmen eine ganz neue Optik verschaffen soll, ist nun in Massivbauweise statt in Systgemleichtbauweise vorgesehen. Mit einem bestehenden Hochregallager soll dieses Bauwerk entgegen früheren Überlegungen wegen Erschütterungsrisiken nicht verbunden werden. Außerdem soll es nicht, wie erst geplant, Balkone geben. Verla-Pharm hat mittlerweile auch die benachbarte Halle des früheren Stahl- und Metallbau-Unternehmens Zirngibl erworben. Pläne zu deren Nutzung sind bisher nicht bekannt.
„Für ein Industriegebäude sehr gefällig“, meinte Christine Nimbach (fraktionslos) zum neuen Laborgebäude. Dennoch stimmte sie als einzige gegen den Entwurf. Es handele sich doch um ein sehr großes Gebäude. „Es sieht so aus, als ob die Geschäftsführung dort oben sitzt und von dort gute Aussicht auf die Berge und den See hat“, fügte sie zum Obergeschoss hinzu. Büros seien dort möglich, erwiderte Knözinger-Ehrl, doch nach dem aktuellen Stand sei dieser Bau als Laborgebäude geplant. Daran ließ Nimbach Zweifel erkennen. Bürgermeisterin Marlene Greinwald sah dies eher gelassen: „Dann wird es halt etwas anderes – wir wollen doch gern Gewerbe haben.“
Von der Bahnnähe über den Artenschutz bis zu Altlasten: Zahlreiche Maßnahmen erforderlich
Bei einer öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanentwurfs im Rathaus von 25. August bis zum 4. Oktober dieses Jahres sind von der Bevölkerung keine Stellungnahmen eingegangen. Es gab aber Stellungnahmen von 16 Behörden und Trägern öffentlicher Belange.
Wegen der nahen Bahngleise verweist etwa die Deutsche Bahn auf besonders notwendige Maßnahmen zur Standsicherheit wegen Erschütterungen. Sie warnt auch vor Blendwirkungen durch Photovoltaik-Anlagen, und Gewässer dürften nicht über Bahngrund abgeleitet werden.
Das Staatliche Bauamt Weilheim fordert die Freihaltung eines Sichtfeldes für Radfahrer an der Einmündung zur Lindemannstraße.
Die Untere Naturschutzbehörde des Landratsamts verweist auf den zu beachtenden Artenschutz, besonders den Vogel-, Insekten- und Fledermaus-Schutz.
Aus der Zeit der früheren Textilwerke, an deren Stelle sich heute das benachbarte Einkaufszentrum befindet, gibt es eine Altlastenfläche, wie die für den Bodenschutz zuständige Abteilung des Landratsamts anmerkte. Dort dürften keine Naturpflanzen wie etwa Obstbäume, Beerensträucher, Gemüse oder Kräuter eingesetzt werden.
Etliche weitere Stellungnahmen gab es von den Energienetzen Bayern, von der Bayernwerk Netz GmbH, vom Kreisbauamt und weiteren Stellen des Landratsamts für Wasserrecht, Brandschutz und Gesundheitswesen, vom Wasserwirtschaftsamt, von den Unternehmen Vodafone und Deutsche Telekom, vom Entsorgungsunternehmemn Awista und vom Abwasserverband Starnberger See.
Aufgrund der Stellungnahmen werden in den Bebauungsplanentwurf nun diverse Änderungen eingefügt. Dann soll es nochmals eine verkürzte öffentliche Auslegung geben.
Prüfung von „Schiedsrichter-Pfiffen und lautem Schreien auf dem Hartplatz“
Zuvor allerdings soll noch ein zweiter städtebaulicher Vertrag mit zahlreichen Details ausgehandelt und abgeschlossen werden. Ein erster städtebaulicher Vertrag – vor allem zur Kostenübernahme durch den Bauwerber – ist fertig. Der zweite Vertrag soll besonders die Erschließung und weitere Aspekte wie die Duldung von Lärm regeln. Eine wichtige Rolle spielt dabei der nahe Sportplatz der Gemeinde, das Würmseestadion, denn bei Sportveranstaltungen kann es manchmal recht laut zugehen, und immer wieder wird vor Klagen künftiger Bewohner gewarnt.
Die Verantwortlichen glauben aber mit rechtlichen Maßnahmen, so mit entsprechenden Klauseln in Kauf- oder Mietverträgen künftiger Bewohner, vorbeugen zu können. Wie am Dienstag im Bauausschuss mitgeteilt wurde, hat die Imissionsschutzabteilung des Landratsamts sogar eigens eine ergänzende Prüfung von „Schiedsrichter-Pfiffen und lautem Schreien auf dem Hartplatz“ veranlasst. Alles sei nochmals durchgerechnet worden, sagte Knözinger-Ehrl. Es scheint aber Entwarnung gegeben zu haben: Die Immisionsrichtwerte an den geplanten Gebäuden würden eingehalten. Zwischen den Neubauten und dem Sportplatz soll es auch einen „Schutzwall“ geben.
Die Erschließung der neuen Wohnanlage soll hauptsächlich über eine von der Bernrieder Straße abzweigende Straße führen, die im Bebauungsplan „C-Straße“ genannt wird. Auch von der Lindemannstraße aus soll es eine Straße – die „A-Straße“ - entlang den Bahngleisen geben. An beiden Straßen sind Wendehämmer vorgesehen. Die Erschließung werde gesichert sein, sagte der Bauamtleiter. Mit den Zufahrten soll auch die Erschließung des Hartplatzes verbunden werden. Dieser Platz gilt auch als denkbarer Standort für das Feuerwehrhaus, falls sich dessen eigentlich an der Oskar-Schüler-Straße vorgesehene Neugestaltung nicht als möglich erweisen sollte.
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