Bauplanung
4.5.2022
Von vorOrt.news

Paukenschlag aus Starnberg

Streit um Bautätigkeit im Tutzinger Bereich Waldschmidtstraße und Neustätterstraße

Tiefe Verärgerung über das Landratsamt Starnberg gab es am Dienstag im Tutzinger Gemeinderat. Als „hochgradig suspekt“ bezeichnete Ortsplanungsreferent Stefan Feldhütter (Freie Wähler) die Vorgehensweise der Kreisbehörde. Bürgermeisterin Marlene Greinwald sagte: „Ich weiß nicht, welche neue Ära da eingeleitet wird.“ Bernd Pfitzner (Grüne) äußerte sich „schockiert“ über das Verhalten des Landratsamts und schimpfte: „So ein Gegeneinander kann’s doch nicht sein!“

Der Grund für den verbreiteten Zorn: Das Landratsamt hatte sich bei Entscheidungen über Bauvorhaben gegen Beschlüsse des Gemeinderats gestellt. Das allein war aber nicht der Stein des Anstoßes, sondern die Art und Weise, wie die Kreisbehörde vorging. Sie hat nämlich eine von der Gemeinde beantragte Fristverlängerung verweigert und stattdessen einen Bauantrag genehmigt, den die Gemeinde abgelehnt hat.

Kurz vor der Sitzung überschlugen sich die Ereignisse

Bei dem Konflikt geht es um das Gebiet rund um die Waldschmidtstraße und die Neustätterstraße. Gerade an der Waldschmidtstraße ist in den vergangenen Jahren kräftig gebaut worden. Die Gemeinde sieht dort ein „klassisches Aufschaukeln“ mit Ausstrahlungswirkung auf den benachbarten Bereich an der Neustätterstraße – in einer Gegend mit schmalen Straßen und schwieriger Erschließung. Als einzige Möglichkeit für eine sinnvolle Steuerung dieser Entwicklung betrachtet sie eine Bauleitplanung. Für einen Bebauungsplan Neustätterstraße/Waldschmidtstraße werden bereits Vorbereitungen getroffen, eine Vertreterin des beauftragten Planungsverbands Äußerer Wirtschaftsraum München war eigens aus diesem Grund am Dienstag in der Sitzung, um erste Details vorzustellen.

Doch kurz vor der Sitzung überschlugen sich die Ereignisse plötzlich. Zwei Bauvorhaben in diesem Bereich hatte die Gemeinde in der beantragten Form abgelehnt, es gab einiges Hin und Her mit Änderungen, die aber wieder nicht positiv bewertet wurden. Dabei handelte es sich um ein vorgesehenes Mehrfamilienhaus an der Waldschmidtstraße und die Aufstockung einer Doppelhaushälfte an der Neustätterstraße. Das Landratsamt signalisierte im Gegensatz zur Gemeinde eine Genehmigung beider Bauvorhaben und setzte der Gemeinde eine Frist bis zum 29. April, um ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken.

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Die starke Bautätigkeit an der Waldschmidtstraße sorgt in Tutzing schon seit längerer Zeit für Diskussionen © L.G.
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Bürgermeisterin sieht Planungshoheit der Gemeinde behindert

Die Rathausverwaltung wollte aber eine Entscheidung des Gemeinderats in dieser Sache abwarten. Dessen Sitzung war aber erst für Dienstag, den 3. Mai angesetzt. Deshalb beantragte die Gemeinde beim Landratsamt eine Fristverlängerung bis Freitag, 6. Mai. Doch eine solche Fristverlängerung habe das Landratsamt der Gemeinde überraschenderweise nicht gewährt, sagte Bauamtsleiter Christian Wolfert in der Sitzung. Bürgermeisterin Marlene Greinwald habe sich daraufhin zu zwei eilbedürftigen Entscheidungen gezwungen gesehen. Dem Bauvorhaben an der Neustätterstraße erteilte sie das gemeindliche Einvernehmen, im Fall des Mehrfamilienhauses an der Waldschmidtstraße blieb sie bei der Ablehnung.

Aber noch vor der Gemeinderatssitzung kam ein Paukenschlag aus Starnberg: „Heute Nachmittag haben uns die Ereignisse überholt“, sagte Wolfert am Dienstagabend. Das Landratsamt hat der Gemeinde für das Vorhaben an der Waldschmidtstraße nach seinen Angaben den Baugenehmigungsbescheid geschickt – wenige Stunden vor der Gemeinderatssitzung.

Dadurch fühlten sich die meisten Gemeinderäte vor den Kopf gestoßen. „Das ist ein vollkommenes Novum", sagte Bürgermeisterin Greinwald. Sie könne nicht verstehen, weshalb das Landratsamt der Gemeinde Tutzing die beantragte Fristverlängerung nicht gewährt habe. Die Vorgehensweise der Kreisbehörde wertete sie als Behinderung der Gemeinde bei der Ausübung der Planungshoheit durch die Gemeinde. Von Verschwörungstheorien wollte der Grüne Bernd Pfitzner zwar nicht sprechen, aber er nahm dieses Wort in den Mund.

Bürgermeisterin Greinwald will den Vorfall nun in anderen Kommunen des Landkreises publik machen. „Ich werde es allen anderen Bürgermeistern mitteilen“, kündigte sie an: „Denn es ist zu befürchten, dass auch mit anderen Gemeinden so umgegangen wird.“ Pfitzner forderte, die Gemeinde müsse ein Zeichen setzen.

Greinwald will aber auch von den Verantwortlichen im Landratsamt eine Erklärung. Dafür will sie den Kreisbaumeister nach Tutzing einladen. Georg Schuster (FDP) sagte, dann sei es auch sinnvoll, wenn der Landrat dabei sei, was rundherum auf Zustimmung stieß.

Lindl mahnt "etwas nüchterneren Ansatz" an

Als einziger schlug Dr. Ernst Lindl (CSU) eine etwas andere Argumentationslinie ein. Er mahnte, einen „nüchterneren Ansatz“ zu verfolgen. Er sei sehr für die Einladung von Verantwortlichen des Landratsamts, um sich erklären zu lassen, warum die Entscheidung so getroffen worden sei, ob eine neue Strategie dahinterstehe, ob vielleicht die Baujuristen gewechselt hätten. Aber Lindl, selbst Jurist, betonte auch, dass die Verantwortlichen der Kreisbehörde berufen seien, nach der Rechtslage zu entscheiden: „Das ist nicht neu.“

Bürgermeisterin Greinwald sagte aber, sie habe schon länger das Gefühl, dass eine lösungsoorientierte Zusammenarbeit mit dem Landratsamt „ganz schwierig“ geworden sei: „Darin fühle ich mich heute massiv bestätigt.“ Als wesentlichen Grund sehe sie eine sich immer mehr verbreitende Angst vor Haftung: „Das ist das amerikanische System, das zu uns rüberkommt.“ Das ganze System sei in dieser Hinsicht krank. Entscheidungen fielen heutzutage meist durch Gerichte. Deutlich erklärte sie: „Im Landkreis Starnberg besteht nur noch Angst.“ Aus solcher Angst heraus entstehe ein derartiges Verhalten der Kreisbehörde wie jetzt in Tutzing.

Bauleitplanung für das Gebiet wird fortgesetzt

Die von der Bürgermeisterin getroffenen eilbedürftigen Entscheidungen über die beiden strittigen Bauvorhaben hat der Gemeinderat nachträglich befürwortet. Die Arbeiten am Bebauungsplan für das betreffende Gebiet will die Gemeinde ungeachtet des Konflikts mit dem Landratsamt fortsetzen.

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